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FDGB/Abteilung Organisation - Informationsbericht Nr. 8/61, 16. August 1961

Informationsbericht Nr. 8/61 des FDGB, 16. August 1961

Einschätzung der Informationsberichte der Bezirksvorstände des FDGB zu den Maßnahmen unserer Regierung zum Schutze des Friedens.

Der Auswertung lagen Berichte aus allen Bezirksvorständen des FDGB außer Magdeburg vor. Es kann eingeschätzt werden, daß einige Bezirke wie Berlin, Frankfurt, Gera, Potsdam und Rostock bis zum 15.8. 1961 drei und mehr Berichte dem Bundesvorstand übersandt haben.

Ungenügend war bisher die Berichterstattung aus den Bezirken Cottbus, Karl-Marx-Stadt und Neubrandenburg. Beim letztgenannten Bezirk ist zu sagen, daß ihr Bericht keinesfalls den Anforderungen eines FDGB Bezirksvorstandes entspricht (hier lag eine schriftliche Information von nur eineinhalb Seiten vor und enthält nur eine Anreihung von Fakten bzw. Beispielen).

Trotz Anruf durch den Kollegen Kurt Meier und eines Fernschreibens vom Kollegen Rolf Berger berichtete der FDGB Bezirksvorstand erstmalig am 16.8.1961 in den späten Abendstunden.

Es kann eingeschätzt werden, daß von allen Bezirksvorständen unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Erklärungen und Beschlüsse unserer Regierung und der Regierungen der Warschauer Pakt-Staaten die Büros der Bezirksvorstände des FDGB zusammentraten. Sie berieten über einzuleitende Maßnahmen, beschlossen Einsatzpläne und informierten alle politischen Mitarbeiter und die Vorsitzenden des FDGB.

Ein Mangel wird jedoch erkennbar bzw. geht das aus den uns vorliegenden Informationen nicht hervor, wie mit Hilfe der ehrenamtlichen Mitglieder des Bezirksvorstandes die breite Aussprache über die Maßnahmen unserer Regierung zum Schutze des Friedens organisiert wurde.

Bei den ersten Einsätzen in den Kreisen und Betrieben konnten die Mitarbeiter der Bezirksvorstände feststellen, daß eine ganze Reihe von FDGB Kreisvorständen und Betriebsgewerkschaftsleitungen der Großbetriebe selbständig unter Anleitung der Kreisleitung unserer Partei und den Betriebsparteiorganisationen Maßnahmen eingeleitet hatten. Das führte dazu, daß die Diskussionen mit den Werktätigen in den Betrieben über die vom Ministerrat beschlossenen Maßnahmen rechtzeitig eröffnet, geführt und organisiert wurden.

Dadurch war es möglich, daß einige Betriebsgewerkschaftsleitungen und FDGB Kreisvorstände sehr schnell darüber informiert waren, wie die Werktätigen auf diese Maßnahmen unserer Regierung reagierten und wie ihre Meinung dazu ist.

Die FDGB Bezirksvorstände schätzen ein, daß überwiegend von allen Funktionären eine große Bereitschaft und Aktivität an den Tag gelegt und die Diskussion offensiv geführt wurde. Jedoch gibt es auch Erscheinungen, wo sich bei Funktionären Schwankungen in ihrem Auftreten bemerkbar machen. (Wir verweisen hierbei auf den Informationsbericht Nr. 3/61.)

An den ersten beiden Tagen orientierte man die gesamte Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit darauf, in Aussprachen und Gewerkschaftsgruppenversammlungen die Maßnahmen unserer Regierung zu erläutern, die Hilfe gegenüber den Leitungen zu verstärken, die Fragen der Mitglieder klar und offen zu beantworten und Unklarheiten zu beseitigen sowie Zustimmungserklärungen zu organisieren und vorzubereiten.

Nach den ersten beiden Tagen, so kann eingeschätzt werden, haben sich die Leitungen und Vorstände immer mehr darauf orientiert, eine breite Verpflichtungsbewegung zum Schutze und zur Stärkung unserer Deutschen Demokratischen Republik zu organisieren. Das findet seinen Ausdruck in Verpflichtungserklärungen und Zustimmungen zu den Maßnahmen unserer Regierung.

Dieses Symptom zeigt sich im Organisationsbereich des FDGB Bezirksvorstandes Dresden. Dort wurden auf Initiative der Werktätigen vom VEB Sachsenwerk Niedersedlitz "eine Rakete der guten Taten" gestartet. Diese Rakete geht durch alle Metallbetriebe der Stadt Dresden. Die Werktätigen dieser Betriebe füllen diese mit Verpflichtungen, die zur weiteren Festigung und Stärkung und zum Schutze der Deutschen Demokratischen Republik beitragen. So füllten die Sachsenwerker von Niedersedlitz die Rakete mit 244 Kollektiv- und Einzelverpflichtungen zur Erfüllung des Betriebsplanes, des Planes der Massenbedarfsgüterproduktion und zur Beseitigung der Störanfälligkeit.

Auch in den anderen Bezirken gibt es nun eine stärkere Orientierung auf die Organisierung von Produktionsverpflichtungen, so z.B. auf die Anwendung des Beispiels der Brigade "Otto Krahmann", die Beseitigung der westlichen Störeinflüsse, der erhöhten Massenbedarfsgüterproduktion u.a. mehr.

So verpflichteten sich die Kollegen des VEB Rohr- und Kaltwalzwerkes Karl-Marx-Stadt bis zum 17. September 1961 unserer Republik über den Plan zur Verfügung zu stellen: 100 Tonnen Sied-Rohr; 60 Tonnen Präzisions-Rohr; 40 Tonnen Kaltband und 15 km Elektrostahlrohr.

Die Jugendbrigade "8. Mai" der Rudolf-Harlass-Gießerei übernahm die Verpflichtung, bis zum 31.12.1961 zwölf Tonnen Grauguß über den Plan zu produzieren.

Solche und ähnliche Beispiele gibt es in einer großen Vielzahl. Damit wollen die Mitglieder unserer stolzen Klassenorganisation ihren Beitrag leisten zur Erhaltung des Friedens und der Stärkung des sozialistischen Weltsystems. In ebenso gleicher Vielzahl gibt es Verpflichtungen einzelner Werktätiger und ganzer Gewerkschaftsgruppen und Brigaden zur Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft und der Bereitschaft, den Dienst in der Nationalen Volksarmee aufzunehmen.

So erklärten sich die Lehrlinge der Brigade "Fritz Heckert" der Bau-Union Neubrandenburg bereit, nach Beendigung ihrer Lehrzeit in die bewaffneten Organe unseres Staates einzutreten.

Weitere Verpflichtungen gibt es in der Richtung, daß Mitglieder der Gewerkschaftsgruppen um Aufnahme als Kandidat in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ersuchen, sich zur Leistung von NAW-Stunden bereit erklären und Hilfe bei der Einbringung der Ernte leisten wollen. In vielen Bezirken gibt es auch eine breite Verpflichtungsbewegung in der Richtung, daß sich die Werktätigen mit ihrer ganzen Kraft hinter die Kandidaten der Nationalen Front stellen und ihre Stimme am 17. September 1961 ihnen geben.

So werden die Kolleginnen und Kollegen der technischen Abteilung des VEB Elbflorenz am 17. September 1961 bis früh 8.00 Uhr die Kandidaten der Nationalen Front des demokratischen Deutschland wählen.

Der Bezirksvorstand Gera schätzt ein, daß es in seinem Bezirk wohl einzelne Verpflichtungen gibt, das aber noch nicht als typisch für alle Betriebe des Bezirkes angesehen werden kann.

Es muß eingeschätzt werden, und das ist typisch für alle Bezirke unserer Deutschen Demokratischen Republik, daß die Mehrheit unserer Mitglieder die Maßnahmen unserer Regierung zum Schutze des Friedens begrüßen, ihre volle Sympathie äußern und unterstützen.

1 Kollege Handwerker im VEB Herrenmode Dresden äußerte: "Mir hat das Essen in den letzten Monaten noch nie so gut geschmeckt wie gestern. Das war das (gemeint sind damit die Maßnahmen unserer Regierung), was wir Arbeiter brauchen. Meine Frau und ich haben uns so richtig vorgestellt, wie den Wechselstubenbesitzern und anderen Kräften am gestrigen Tage ihr Essen geschmeckt haben wird."

Die Verkäuferinnen des HO-Kaufhauses Neustrelitz sagten: "Wir unterstützen die Maßnahmen der Regierung und werden alles daran setzen, täglich den Plan zu erfüllen. Sie werden besonders darauf achten, daß keine Angsteinkäufe mehr durchgeführt werden. In derartigen Fällen werden sie mit Agitationsgruppen arbeiten." Trotzdem die Mehrheit unserer Mitglieder den Maßnahmen ihre volle Zustimmung zollen, muß aber gleichzeitig betont werden, daß es noch eine ganze Reihe unklarer Fragen gibt. Dabei handelt es sich um folgende:

Wird es zum Krieg kommen?

Waren solche harten Maßnahmen notwendig?

Mußten es Panzer und Stacheldraht sein?

Wird es möglich sein, durch diese Maßnahmen das Einschleusen von Agenten zu unterbinden, da die Westberliner Bevölkerung noch immer das demokratische Berlin ohne besondere Genehmigung betreten kann?

Werden sich die Westmächte diese Maßnahmen gefallen lassen?

Wird es durch eventuelle wirtschaftliche Gegenmaßnahmen nicht zu Schwierigkeiten in unserer Wirtschaft kommen?

Was wird [geschehen], um in Westberlin wohnende Verwandten besuchen zu können?

Aus Kreisen der Angehörigen der Intelligenz kommen solche Fragen wie:

Werden wir weiter Genehmigungen erhalten, um nach Westdeutschland fahren zu können?

Wird der Senat nicht mit Gegenmaßnahmen antworten (Geldumtausch)?

Während in den ersten beiden Tagen noch sehr wenig feindliche Argumente auftraten, verstärkte sich dies im weiteren Verlauf der Diskussionen mit den Werktätigen. Das hat unserer Meinung nach seine Ursache mit darin, daß dieser Teil der Werktätigen den "RIAS-Sendungen" und ihren "Parolen" Gehör schenken und ihnen unterliegen. Darauf weisen uns besonders die Bezirksvorstände Schwerin, Cottbus, Potsdam, Frankfurt/O. und Berlin hin.

Es muß jedoch von uns aus eingeschätzt werden, daß es ähnliche Erscheinungen auch in den anderen Bezirken gibt. Ein Mangel, der hierbei jedoch auftritt, ist der, daß von den Bezirksvorständen des FDGB nicht dargelegt wird, wo der Ursprung für solch ein Auftreten von einigen Werktätigen liegt. Es gibt hierzu keine differenzierte, konkrete und sachliche Einschätzung von den Leitungen und Vorständen. Man begnügt sich zum Teil mit allgemeinen Feststellungen der Darlegung solcher Argumente, ohne die Beweisführung anzutreten, um was für Kräfte es sich dabei handelt. Um welche Argumente handelt es sich dabei:

In vielen Argumenten zeigt sich ein offenes Auftreten gegen unsere Partei und Regierung und die Genossen Walter Ulbricht und Otto Grotewohl. Sehr provokatorisch wird das Argument vertreten - die DDR hat kein Recht, die Grenzen zu schließen - Stacheldraht zu spannen und Panzer auffahren zu lassen. In weiteren Argumenten wird geäußert, für den Stacheldraht fehlt nur noch der Strom, und das KZ-Lager ist fertig. Andere Argumente sind: Mit diesen Maßnahmen wurde das Potsdamer Abkommen und der Viermächte-Status gebrochen und verletzt. Die DDR hat sich isoliert.

Sind solche Maßnahmen völkerrechtlich überhaupt zu vertreten?

Auch in den Berichten der FDGB Bezirksvorstände wird darauf verwiesen, daß sich RIAS-Argumente und Parolen in den Betrieben mit staatlicher Beteiligung und den Privat- und Handwerksbetrieben zeigen. Dies trifft besonders für die Bezirke Potsdam, Berlin und Gera zu.

Der Bezirksvorstand des FDGB Potsdam berichtet, daß ein großer Teil der Grenzgänger gerade in den Privat- und Handwerksbetrieben sich um Arbeit bewirbt.

Viele ehemalige Grenzgänger meldeten sich in Groß-Berlin und im Bezirk Potsdam und Frankfurt/Oder in den Betrieben, um eine Beschäftigung aufzunehmen. Bei ihrer Vorstellung werden zu einem Teil von den Grenzgängern folgende Forderungen gestellt:

Höhere Lohngruppen zu erhalten,

ihnen einen Garantielohn zu gewähren,

keine Schichtarbeit zu leisten,

keiner Sonntagsarbeit nachgehen zu müssen (Berlin und Potsdam).

Aus dem Bezirk Potsdam wird weiter bekannt, daß ein Teil der Arbeiter in unseren Betrieben über solche unverschämte Forderungen und Anmutungen empört sind und sich mit den Grenzgängern in aller Schärfe, aber sehr kollegial auseinandersetzen. Im Organisationsbereich des Bezirksvorstandes Groß-Berlin zeigen sich zum Teil sektiererische Einstellungen zur Beschäftigung von ehemaligen Grenzgängern. Nach Auffassung des FDGB Bezirksvorstandes liegen die Ursachen dafür darin:

In ungerechtfertigten Forderungen der Grenzgänger,

in der Befürchtung der Arbeiter, daß die Grenzgänger ihnen den Arbeitsplatz wegnehmen (besonders aus den Randgebieten).

Da in verschiedenen Betrieben eine ablehnende Haltung gegenüber den ehemaligen Grenzgängern auftritt, besteht die Vermutung, daß dies von Westberlin aus organisiert wird.

Es ist einzuschätzen, daß die Bezirksvorstände von Groß-Berlin, Potsdam und Frankfurt/Oder diese Entwicklung genauestens beobachten, um aus bestimmten Erscheinungen die richtigen und notwendigen Schlußfolgerungen ziehen zu können. Diese Seite müßte auch in der Berichterstattung einen größeren Raum einnehmen, um für alle 3 Bezirke die richtigen Schlußfolgerungen zu ziehen.

(Unterschrift) Rosenberger

Quelle: SAPMO-BA, DY 34/2739; Bundesvorstand des FDGB, Abteilung Organisation
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