Material > Dokumente > 1982 > Hinweise zur Klärung politisch-ideologischer Probleme des Schusswaffengebrauchs im Grenzdienst, VVS der Politischen Verwaltung der DDR-Grenztruppen, 10. Mai 1982

Hinweise zur Klärung politisch-ideologischer Probleme des Schusswaffengebrauchs im Grenzdienst, VVS der Politischen Verwaltung der DDR-Grenztruppen, 10. Mai 1982

Hinweise zur Klärung politisch-ideologischer Probleme des Schusswaffengebrauchs im Grenzdienst, VVS der Politischen Verwaltung der DDR-Grenztruppen, 10. Mai 1982

04/87

GRENZTRUPPEN
DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK



Dienststelle: Kommando de Grenztruppen

Abteilung: Stellv. Des Ministers und Chef der Grenztruppen

Sachgebiet:


Aktenzeichen: 01 01 18

Nur für den Dienstgebrauch
Inhaltsangabe: 113. bis 115. Militärratssitzung

  • Militärratsvorlagen Nr. 09/82 bis 18/82

  • Militärratsbeschlüsse Nr. 09/82 bis 18/82

  • Informationsberichte des StCCPV über:
  • Ergebnisse und Schlußfolgerungen aus den Parteiwahlen
  • Parteiverfahren
  • Hinweise zur Klärung politisch-ideologischer Probleme des Schußwaffengebrauchs im Grenzdienst

  • Bericht über Hauptprüfungen an der OHS

  • Befehlsentwurf über Eingabenbearbeitung

Zeit: von Mai 1982 bis Okt. 1982

Aufbewahren bis: ständig

Archivzugangsnummer: 013424


GRENZTRUPPEN
DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
POLITISCHE VERWALTUNG



Az, : 30 13 00

O.U., den 10.05.1982

Vertrauliche Verschlußsache!

VVS-Nr.: G/689168

1. Ausfertigung = 9 Blatt

Sekretariat des Stellvertreters des Ministers und Chef der Grenztruppen

Posteingang 1. Mai 1982

HINWEISE
zur Klärung politisch-ideologischer Probleme des Schußwaffengebrauches im Grenzdienst



Bei der Erfüllung des Klassenauftrages des X. Parteitages und den sich daraus ergebenden Aufgaben der Grenztruppen zur zuverlässigen Sicherung der Staatsgrenze der DDR werden die Angehörigen der Grenztruppen vor eine Vielzahl sowohl politisch-ideologischer, moralischer und psychologischer als auch rechtlicher Anforderungen gestellt.

Dazu gehören auch all jene Fragen und Probleme, die mit der Anwendung der Schußwaffe im Grenzdienst in Zusammenhang stehen. Sie erfordern eine überzeugende, offensive und tiefgründige Klärung, weil von ihrem Verstehen im entscheidenden Maße das politisch verantwortungsbewußte, taktisch kluge, entschlossene und aktive Handeln des Grenzsoldaten im Grenzdienst abhängen.

Dabei müssen wir in Rechnung stellen, daß dar Grenzsoldat mit der Frage des Schußwaffengebrauchs erstmalig in seinen Leben so konkret konfrontiert wird.

Er wird damit vor Entscheidungen gestellt, die er in dieser politischen und moralischen Bedeutsamkeit bisher noch nie zu treffen hatte. Das unterstreicht die Notwendigkeit, politisch-ideologische Probleme des Schußwaffengebrauchs in Grenzdienst klassenmäßig, einfühlsam und nachhaltig wirksam unter Beachtung der konkreten Lage und des Stimmungsbildes zu klären.

Dabei geht es keineswegs darum, den Schußwaffengebrauch zu eskalieren, sondern bei jedem Grenzsoldat die Bereitschaft und Fähigkeit zu entwickeln, die Schußwaffe im Interesse der Erfüllung des Kampfauftrages wirksam einzusetzen.

Der überzeugende Nachweis der Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit des Schußwaffengebrauches im Grenzdienst kann nur auf der Grundlage der marxistisch-leninistischen Theorie über die Anwendung bewaffneter Gewalt, den darauf beruhenden Gesetzen unseres sozialistischen Staates sowie in kompromißloser Auseinandersetzung mit feindlichen und falschen Auffassungen erfolgen.

Worin bestehen Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit der Anwendung der Schußwaffe im Grenzdienst ?
  • Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit der Anwendung der Schußwaffe im Grenzdienst liegen im zutiefst revolutionären und humanistischen Inhalt unseres Klassenauftrages begründet.
    Dieser Auftrag der Arbeiterklasse
    • verpflichtet jeden Grenzsoldaten seine ganze Kraft und sein ganzes Können einzusetzen, um die Unverletzlichkeit der Staatsgrenze der DDR gegen alle Anschläge des Feindes zuverlässig zu sichern, Grenzdurchbrüche und die Ausdehnung von Grenzprovokationen und bewaffneten Überfällen auf das Hoheitsgebiet der DDR nicht zuzulassen,
    • erfordert von jedem Grenzsoldaten die ständige Bereitschaft und Fähigkeit, den Kampfauftrag in jeder Situation politisch verantwortungsbewußt, taktisch klug, entschlossen und aktiv unter Ausnutzung aller Möglichkeiten und dem Einsatz aller Mittel und Methoden einschließlich der Anwendung der Schußwaffe zu erfüllen.
  • Das Recht der Arbeiterklasse und des werktätigen Volkes, die Waffe in eigener Sache zu tragen und zur Sicherung ihrer Lebensinteressen einzusetzen, gehört zu den historisch bedeutsamsten Errungenschaften. Sie erkämpften sich dieses Recht nicht aus Freude an der Waffe oder aus Lust an der Anwendung bewaffneter Gewalt.
    • Es gehört zum Wesen des Sozialismus, das Leben als das höchste Gut des Menschen zu achten, zu wahren und zu schützen.
    • Die Sorge um den Menschen, die Gestaltung achtungsvoller Beziehungen untereinander stehen im Mittelpunkt sozialistischer Staatspolitik.
    • Wir tun alles erdenkliche, um Verbrechen gegen das Leben und die Gesundheit der Menschen zu verhindern bzw. derartige Straftaten wirksam vorzubeugen.
  • Wenn es einzig und allein im Ermessen der DDR liegen würde, dann wäre die Staatsgrenze der DDR zur BRD und zu Westberlin eine Grenze, an der nie ein Schuß fallen würde.

Die gefährlichen und revanchistischen Aktivitäten der BRD, die sich gegen den völkerrechtlichen Charakter und die Unantastbarkeit der Staatsgrenze der DDR richten und die Tatsache, daß der Gegner immer nieder zu verbrecherischen Anschlägen gegen die Staatsgrenze und die Angehörigen der Grenztruppen der DDR aufruft und ermuntert, veranlassen uns zu höchster Wachsamkeit.

Ständig haben wir mit derartigen Angriffen des, Feindes zu rechnen, die im wachsenden Maße langfristig vorbereitet, bandenmäßig organisiert, hinterhältig, rücksichtslos und brutal vorgetragen worden und die uns zwingen, daß äußerste Mittel der Gewalt, die Schußwaffe zu ihrer Verhinderung bzw. Zerschlagung anzuwenden.

  • Jeder, der Anschläge auf unsere Staatsgrenze verübt, ganz gleich aus welcher Richtung, aus welchem Motiv und mit welchen Mitteln auch immer, ist ein willfähriges Subjekt und Helfer des Klassenfeindes, der handelt gegen die Sicherheit unseres Landes, gefährdet den Frieden und setzt das Leben von Millionen Menschen gewissenlos aufs Spiel.

  • Jeder, der Angriffe auf die Staatsgrenze der DDR unternimmt, muß sich der Tatsache bewußt sein, daß unser Grenzgebiet militärisches Sperrgebiet ist. In diesem Gebiet, daß kann jeder selbst im Grenzgesetz nachlesen, existieren unter Berücksichtigung der örtlichen Bedingungen Schutzstreifen, Sperrzonen bzw. Grenzzonen mit besonderen Ordnungen und Grenzsicherungsanlagen.

  • Jeder, der verbrecherische Aktionen gegen die Staatsgrenze der DDR durchführt, weiß genau, daß diese Grenze durch bewaffnete Angehörige der Grenztruppen der DDR gesichert wird, die ihre Waffe in Übereinstimmung mit den rechtlichen Bestimmungen treffsicher anwenden.

  • Wer gegen die an Anschlägen auf die Staatsgrenze der DDR beteiligten antisozialistischen Elemente entschlossen vorgeht und sie nötigenfalls durch den Gebrauch der Schußwaffe an der Verwirklichung ihrer verbrecherischen Absichten hindert, der handelt in völliger Übereinstimmung mit
    • den völkerrechtlichen Prinzipien der Souveränität jedes Staates, insbesondere der Achtung des Prinzips der Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen,
    • den staatsrechtlichen Grundlagen für die Verwirklichung des Rechts auf die Sicherung der Staatsgrenzen, insbesondere der Verfassung Art. 7 und 8 und des Grenzgesetzes,
    • dem von ihm feierlich geleisteten Fahneneid, die DDR gegen jeden Feind zu schützen.

  • Der richtige und wirksame Einsatz der Schußwaffe im Grenzdienst ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern das zutiefst moralische und humanistische Recht eines jeden Angehörigen der Grenztruppen.

    Er schützt damit
    • die Macht der Arbeiter und Bauern, der grundlegenden Voraussetzung, um die friedliche Arbeit und das Leben unserer Menschen zu gewährleisten und weiter erfolgreich die entwickelte sozialistische Gesellschaft zu gestalten,
    • einen Staat, in dem die Interessen der Arbeiterklasse, das Wohl des werktätigen Volkes, die Sicherung des Friedens oberstes Gebot sind,
    • die von der Arbeiterklasse und allen Werktätigen, von ihm selbst geschaffenen sozialistischen Errungenschaften, das sozialistische Eigentum, die Grundlage unseres gesellschaftlichen Reichtums, der sozialen Sicherheit, des wachsenden Wohlstandes und das Glück unseres Volkes,
    • sein Leben und seine Gesundheit, das Leben seiner Eltern und Geschwister, seiner Familie, Freunde, Genossen und Kollegen.

  • Noch nie wurden in der Geschichte unseres Volkes Waffen für eine edlere Sache getragen, wurde bewaffnete Gewalt in Interesse humanerer Ziele angewendet, als im ersten sozialistischen deutschen Staat, der DDR.


Hinweis

In Auseinandersetzung mit ideologischen Angriffen des Gegners auf die rechtlichen Bestimmungen über die Anwendung der Schußwaffe, insbesondere mit der Behauptung von einem "Schießbefehl" in den Grenztruppen der DDR ist zu erarbeiten:
  • Alle derartigen Behauptungen erwiesen und erweisen sich als Lüge und pure Heuchelei, die einzig und allein darauf abzielen, die Angehörigen der Grenztruppen in ihrer konsequenten und klassenmäßigen Haltung zum Schußwaffengebrauch zu verunsichern, sie gewissermaßen zu entwaffnen.
    • Seit über 35 Jahren schützen die Grenztruppen der DDR getreu ihrer hohen patriotischen und internationalistischen Verantwortung und in voller Obereinstimmung mit dem geltenden Völkerrecht besonnen, mutig und entschlossen die Staatsgrenze der DDR.

  • Niemals gab es in dieser Zeit einen Befehl, der die Angehörigen der Grenztruppen zur willkürlichen Annendung der Schußwaffe in Grenzdienst zwang. Unsere gesetzlich fixierten Bestimmungen enthalten nicht mehr und nicht weniger als auch andere Staaten für ihre Schutzorgane festgelegt haben.

    Bereits in seinem Interview für die "Saarbrücker Zeitung" im Februar 1977 hat Genosse Erich Honecker darauf hingewiesen, daß der einzige Unterschied hinsichtlich des Schußwaffengebrauches der ist, daß bei den bewaffneten Organen der BRD und Westberlins die Colts lockerer sitzen.

    Kein Angehöriger des BGS wurde durch eine Kugel aus der Waffe eines Grenzsoldaten der DDR verletzt oder gar getötet. 24 Angehörige der Grenztruppen hingegen wurden während ihres Dienstes für das sozialistische Vaterland meuchlings ermordet. Einige unserer Genossen fielen Gewaltakten von bewaffneten Kräften der BRD und Westberlins zum Opfer. Darunter unser Genosse Hauptmann Rudi Arnstadt, der am 14. August 1962 von BGS-Banditen kaltblütig ermordet wurde. Erinnert sei auch an die bestialische Ermordung unserer Genossen Werner Schmidt und Heinz Janello, die am 2. März 1951 von amerikanischen Besatzern auf westdeutsches Gebiet verschleppt und zu Tode gemartert wurden.

    Nicht wenige Mordtaten konnten verübt werden, weil sich die Gewalttäter stets der Unterstützung der Angehörigen des BGS, des GZD und der Westberliner Polizei gewiß waren. Diese das Leben und die Gesundheit der Grenzsoldaten bedrohenden subversiven Akte reichen bis in die Gegenwart. Im Zeitraum von 1961 bis 1981 wurden in mehr als 600 Fällen Grenzposten von westlicher Seite aus beschossen und mit der Waffe bedroht.

  • Für die Angehörigen der Grenztruppen der DDR war und ist, wie jetzt auch im Grenzgesetz fixiert, der Gebrauch der Schußwaffe im Grenzdienst stets die äußerste Maßnahme der Gewaltanwendung gegenüber Personen.

    Dieser für unseren Dienst so wichtige Grundsatz wird auch künftig unser Handeln bei der Erfüllung des Klassenauftrages bestimmen.


Welche Forderungen sind in Zusammenhang mit der Anwendung der Schußwaffe im Grenzdienst an den Grenzsoldaten gestellt ?
  • Die Schußwaffe im Grenzdienst richtig und wirkungsvoll anzuwenden kann der Grenzsoldat nur, wenn er
    • sich seiner hohen politischen Verantwortung als Beschützer der Staatsgrenze der DDR voll bewußt ist und von der Gerechtigkeit und dem humanen Wesen seines Kampfauftrages zutiefst überzeugt ist,
    • sich stabile Kenntnisse und umfangreiches Wissen über die rechtlichen Bestimmungen des Grenzdienstes, die Befugnisse der Grenztruppen und über die Anwendung bzw. den Ausschluß der Anwendung der Schußwaffe in der Ausbildung und im persönlichen Studium aneignet und ständig weiter vertieft.
    • seine Waffe ausgezeichnet beherrscht, sie immer gut pflegt und wartet sowie schnell und treffsicher einsetzen kann.
  • Zwingt die Lage den Grenzsoldaten, die Schußwaffe unter strikter Beachtung der rechtlichen Bestimmungen einzusetzen, dann muß das damit verfolgte Ziel in jedem Falle erreicht werden.


Ag 117/VIII/4/0573-82

Quelle: BArch-MA, Strausberg AZN 13424, Bl. 99-107.
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