Todesopfer > Wesa, Hans-Dieter

MfS-Information für Erich Honecker über den Fluchtversuch von Hans-Dieter Wesa

24. August 1962

Ministerium für Staatssicherheit

Einzelinformation

über

die Fahnenflucht des Angehörigen der 1. Grenzbrigade, Owm. WESA, Hans-Dieter am 23.8.62

Am 23.8.62 waren in der Zeit von 14.00 bis 22.00 Uhr
    Owm. WESA, Hans-Dieter
    geb. 10.1.43, Angeh. Der VP seit 1.9.60

    und WM. (...)
als Streifenposten auf dem Gelände des S-Bahnhofes Bornholmer Straße eingesetzt. Aus Zweckmäßigkeitsgründen versehen die Angehörigen der Grenzbrigade dort ihren Dienst in Uniformen der Transportpolizei.

Gegen 20.00 Uhr begaben sich die beiden Posten in den auf dem Bahnsteig befindlichen Aufenthaltsraum um zu essen. Nach ca. 15 Minuten verließ der Streifenführer WESA den Aufenthaltsraum, mit der Begründung, er gehe auf den gegenüberliegenden Bahnsteig, um die Beleuchtung einzuschalten. Als ca. 3 Min. später auch Wm. (...) den Aufenthaltsraum verließ und feststellte, daß die Beleuchtung noch nicht eingeschaltet war, suchte er sofort seinen Streifenführer. Dabei sah er, daß WESA gerade im Begriff war, den die Staatsgrenze markierenden Drahtzaun zu übersteigen. Um die Fahnenflucht des WESA zu verhindern, überquerte (...) die Gleisanlagen und forderte WESA, der inzwischen bereits jenseits des Zaunes auf Westberliner Gebiet war, auf, sofort zurückzukehren.

Als WESA dieser Aufforderung nicht Folge leistete und versuchte sich weiter in westberliner Richtung zu entfernen, gab (...) einen kurzen Feuerstoß aus seiner MPi K auf WESA ab, worauf dieser zusammenbrach. Anschließend begab sich (...) direkt an den Drahtzaun und gab einen zweiten Feuerstoß auf den dort liegenden WESA ab. ((...) hat dabei zwar auf Westberliner Territorium geschossen, doch ergaben sich daraus auf Grund der örtlichen Verhältnisse keinerlei Gefahren für andere Personen oder Einrichtungen.)

Von seinem Vorhaben, über den Zaun zu steigen und WESA zurückzuholen, ließ (...) ab, als er in unmittelbarer Nähe Schritte hörte. Anschließend tauchten dann auch einige Westberliner Polizisten auf, die mittels Taschenlampen das Gelände unter der Bornholmer Brücke absuchten und den fahnenflüchtigen WESA fanden. Sie transportierten WESA ins Hinterland ab. (Nach Angaben der Westberliner Zeitungen soll WESA seinen Verletzungen erlegen sein.)

Nachdem (...) telefonisch seinen Stützpunkt von diesem Vorkommnis in Kenntnis gesetzt hatte und daraufhin die Einsatzgruppe des Kompaniestützpunktes eintraf, erschien zu etwa gleicher Zeit auf westlicher Seite eine größere Anzahl Westberliner Polizisten. Während ein Teil der Westberliner Polizisten sicherte, suchten die anderen das Gelände ab. Unsere Einsatzgruppe konnte beobachten, daß sie dabei die MPi des WESA und Patronenhülsen aufnahmen. Da außer (...) keine andere Person Schüsse abgegeben hat, sind die Patronenhülsen offensichtlich durch den großen Auswurf der MPi "K" auf Westberliner Gebiet gesichert worden, zumal (...) unmittelbar am Drahtzaun stand.

Der Fahnenflüchtige WESA entstammte einer Arbeiterfamilie und hat seit seiner Zugehörigkeit zur Transportpolizei seinen Dienst vorbildlich durchgeführt, weshalb er auch vorzeitig zum Oberwachtmeister befördert wurde und das Ehrenabzeichen der FDJ erhielt. Er ist von Beruf Eisenbahner und verpflichtete sich bis 1965. WESA diskutierte positiv über die politischen Probleme und Anzeichen einer Fluchtvorbereitung konnten nicht festgestellt werden. (...).

Vom 18.8. bis 22.8.62 befand sich WESA, der ledig ist, in Urlaub bei seinen Eltern. Nach Einschätzung des eng mit ihm befreundet gewesenen Oberwachtmeisters (...) habe zwischen WESA und seinem Vater ein gespanntes Verhältnis bestanden. Bei den von WESA zurückgelassenen persönlichen Gegenständen befand sich neben 345,- DM Bargeld auch ein Sparbuch mit über 700,- DM.

Wm. (...) wird aus Sicherheitsgründen vom Grenzdienst zurückgezogen und vom MfS übernommen.
    Bemerkg. F. AG:

    Vom Ministerium für Nationale Verteidigung werden aus diesem Vorkommnis Schlußfolgerungen für die weitere taktische Ausbildung unserer Grenzsicherungskräfte erarbeitet, um ähnliche Handlungen weitgehendst zu verhindern.


Quelle: BStU, MfS, AP 20359/62, Bl. 7-9
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