Todesopfer > Stretz, Paul

Bericht der DDR-Grenztruppen über die Erschießung von Paul Stretz

29. April 1966

[...]

Betr.: Bericht zum versuchten Grenzdurchbruch im Abschnitt des GR – 33 – am 29.04.1966, 15.30 Uhr

Bezug: Sofortmeldung vom 29.04.1966

I. Sachverhalt

Am 29.04.1966 gegen 15.30 Uhr beobachtete der WG V(...) (Personalien bekannt), dass nach Vorbeifahrt eines aus Richtung Sandkrugbrücke kommenden abgedeckten Motorlastkahnes mit der Bugaufschrift "Bremen" ca. 300 mtr. links des WG 4 eine männliche Person mit unbekleideten Oberkörper in Richtung westberliner Ufer schwamm.

Durch den Postenführer des WG V(...) wurden zur Verhinderung eines Grenzdurchbruches 3 Schuß auf diese Person angegeben. Danach schoßen Postenführer und Posten mit MPi und LMG Dauerfeuer.

Nachdem diese Person zeitweise untertauchte und den erneuten Versuch unternahm am westlichen Ufer empor zu klimmen, führten die Posten V(...) und die inzwischen eingetroffene KS (Personalien bekannt) das Feuer weiter, bis die Person im Wasser versank.

Insgesamt wurden durch die eingesetzten Kräfte 176 Schuß abgegeben.

Zum Zeitpunkt der Handlungen der Posten versammelten sich von den auf dem Lagergelände Beschäftigten ca. 20 Personen am westlichen Ufer des Spandauerschiffahrtskanals, um dieser Person Unterstützung zu geben. Diese standen unmittelbar an der Mauerböschung und riefen dem Schwimmenden für die Posten unverständliche Worte zu. Zur gleichen Zeit bildeten sich in Höhe des Posten V(...) auf westberliner Gebiet eine weitere Personengruppe. Unter diesen war ein Duepo-Posten mit langer Waffe, die er in Anschlag brachte ohne jedoch Handlungen durchzuführen.

Kurze Zeit nach der Feuerführung durch die Grenzposten kam es zur Ansammlung von 50 Zivilpersonen, ca. 30 Duepos, 10 Zollangehörige, 1 Feuerwehr – Kfz, mehrere FSTW und MTW.

Um 15.54 traf ein Jeep mit zwei britischen Besatzern ein. Die mit MPi ausgerüsteten Düepos gingen zeitweilig am westberliner Ufer in Stellung und richteten ihre Waffen auf die Grenzposten.

Gegen 16.10 traf ein Reporter ein, der einen der Duepos und einige Zivilisten interviewte. Zu diesem Zeitpunkt wurden die herumstehenden Zivilisten durch Lautsprecherwagen der Duepo zum zurückgehen aufgefordert und von den Duepos zurückgedrängt.

Durch Duepos wurden danach Einschläge auf westberliner Seite gekennzeichnet, vermessen und vermutlich Projektile sichergestellt. Gegen 17.15 Uhr hatte sich die Lage auf westberliner Seite normalisiert.

II. Bisheriges Untersuchungsergebnis:

Die bisher durchgeführten Überprüfungen ergaben den dargelegten Sachverhalt. Vom Kommandeur der Grenzsicherung wurde um 15.37 Uhr die Alarmgruppe zur Hinterlandsicherung im Abschnitt Vipa-Invalidenstrasse eingeführt. Das Dienstboot der Bootskompanie wurde zur Unterstützung bzw. eventuellen Bergung an den Ort der Handlungen befohlen. Da die Person durch das Grenzboot nicht festgestellt werden konnte und es durch die, sich auf westberliner Seite ansammelnden Personen mit Steinen beworfen wurde, wurde es gegen 16.15 Uhr zum Liegeplatz Humboldthafen zurückgenommen. Die Überprüfung der pioniertechnischen Anlagen und das Absuchen des Friedhofsgeländes (Invalidenfriedhof) ergab keinen Hinweis über den Fluchtweg; Bekleidungsgegenstände wurden nicht gefunden.

III. Eingeleitete Maßnahmen:

- gedeckter Einsatz der Grenzposten

- Übernahme der Führung am Ort durch mich

- Einsatz des Fotografen zur Schaffung von Bilddokumenten

- Absetzen der Sofortmeldung

- Anforderung eines Feuerlöschbootes und Taucher der VP

- Beginn der Suche nach dem Grenzverletzer ab 21.45 Uhr unter meiner Führung

IV. Schlußfolgerungen:

1. Durch konsequente Anwendung der Schußwaffe wurde die Unantastbarkeit der Staatsgrenze gewährleistet.

2. Besonders während der Vorbereitung der Feierlichkeiten anläßlich des 1. Mai ist mit weiteren Versuchen des Gegners die Staatsgrenze zu durchbrechen, bzw. Provokationen auf unser Territorium auszudehnen, zu rechnen.


Gröning Oberst

Quelle: BArch, VA-07/19876, Bl. 13-15
Zum Seitenanfang