Todesopfer > Henniger, Rolf

Rolf Henniger: Bericht des NVA-Stadtkommandanten Poppe an SED-Politbüromitglied Erich Honecker

16. November 1968

[...]

Werter Genosse Honecker!

Ich melde:

Am 15.11.1968, gegen 22.50 Uhr, fuhr der Zugführer, Fw. B(...), Wolfgang mit dem Gefreiten Henniger, Rolf im Trabant Kübel, aus Babelsberg kommend, in Richtung Kontrollpunkt Klein-Glienicke, Paschabrücke.

Etwa 100 m vor der Brücke stellte Fw. B(...) eine Person, hinter einem Baum, stehend fest. Dabei erkannte es einen grünen Uniformmantel und nahm es sich um den für dieses Gebiet verantwortlichen Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei handelt.

Er befahl dem Kraftfahrer, Gefreiten Henniger, zu wenden. Nachdem die Scheinwerfer des Trabant Kübel auf den Baum, hinter dem die Person stand, gerichtet waren, eröffnete die hinter dem Baum stehende Person das Feuer aus einer Maschinenpistole. Der Gefreite Henniger wurde tödlich verletzt.

Personalien:
    Gefreiter Hanniger, Rolf
    geb. am: 30.11.1941 in Saalfeld
    wohnhaft: Saalfeld, (...)
    NVA seit: 01.11.1967
    eingestellt: WKK Saalfeld
    Familienstand: verheiratet
    pol.org.: FDJ, GST, FDGB
Daraufhin erwiderte Fw. B(...) das Feuer, wodurch die Person tödlich getroffen wurde. Bei der Person handelt es sich um
    Wachtmeister der VP Körner, Horst
    geb. am: 12.07.1947
    Teilnehmer am Lehrgang der Kriminalpolizei in Potsdam, Standort Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Potsdam.

    pol.org.: Kandidat der SED
K. entfernte sich unerlaubt vom Wachdienst.

Ausgehend von der Lage des Tatortes ist anzunehmen, daß die Feuerführung von den in Klein-Glienicke wohnenden Bürger der DDR wahrgenommen wurde, wobei seitens des Gegners vermutlich keine konkreten Wahrnehmungen möglich waren.

Eingeleitete Maßnahmen:

1. Absicherung des Raumes der Handlungen

2. Untersuchung des Vorkommnisses durch den Kommandeur der 2. Grenzbrigade, Oberst G(...), in Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Militärstaatsanwalt und Vertretern des Ministeriums für Staatssicherheit.

3. Abtransport des Gefr. Henniger und des Banditen zum gerichtsmedizinischen Institut Berlin.

Schlußfolgerungen:

1. Fw. B(...) und Gefr. Henniger handelten entsprechend der Lage taktisch richtig.

2. Fw. B(...) erfüllte vorbildlich und mutig seinen Kampfauftrag und verhinderte durch seine Handlungsweise weitere Verbrechen, da angenommen werden muß, daß der K. mit Waffengewalt die Staatsgrenze durchbrechen wollte.

Ich schlage vor:

1. Benachrichtigung der Eltern und der Ehefrau des Ermordeten, Gefreiten Henniger, in Zusammenarbeit mit der SED-Kreisleitung Saalfeld und den örtlichen bewaffneten Organen.

Bei der Benachrichtigung darzulegen, daß der Gefreite Henniger bei der Verhinderung eines bewaffneten Grenzdurchbruches tödlich verletzt wurde. Über die Tatsache, daß es sich bei dem K. um einen VP-Angehörigen handelte, nicht zu sprechen.

2. Die Beisetzung des Gefr. Henniger unter breiter Anteilnahme der Bevölkerung aus Saalfeld mit militärischem Zeremoniell durchzuführen.

3. Den Gefr. Henniger postum mit der Verdienstmedaille der NVA in "Gold" auszuzeichnen und zum Unteroffizier zu befördern.

4. Fw. B(...) für sein entschlossenes und mutiges Handeln mit dem "Kampforden für Verdienste um Volk und Vaterland" in Bronze auszuzeichnen.

5. Differenzierte und offene Auswertung der Handlungen des Zugführers mit seinem Posten im Dienstbereich der Stadtkommandantur Berlin.

Ich bitte zu entscheiden, ob unter den gegebenen Umständen eine Pressemeldung in der zentralen bzw. Bezirks-Presse erfolgen soll, da dieses Vorkommnis auf unserem Territorium erfolgte und vom Westberliner Territorium aus der genaue Vorgang nicht wahrgenommen werden konnte.

Mit sozialistischem Gruß

Poppe Generalmajor

Quelle: BArch, VA-07/8374, Bl. 60-63
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