Todesopfer > Wehage, Christel und Eckard

Christel und Eckhard Wehage: Maßnahmeplan des MfS

16. März 1970

[...]

Maßnahmeplan

zur weiteren Aufklärung der versuchten Flugzeugentführung vom 10.3.1970 und zur weiteren Entwicklung der vorbeugenden Bekämpfung der Luftpiraterie

I. Operative Maßnahmen zur Untersuchung des Verbrechens vom 10.3.1970

1. In Abstimmung mit der Leitung der BVfS Magdeburg werden durch die Leiter der Kreisdienststellen Halberstadt und Wolmirstedt zur Aufklärung der Täter, ihrer Eltern und Geschwister (...) Kreis Halberstadt, (...) und (...) in WOLMIRSTEDT, (...), Ermittlungen im Wohngebiet und den Arbeitsstellen unter Nutzung aller inoffiziellen und offiziellen Möglichkeiten geführt.

Dabei wurden der Einsatz der (...) Technik in den Wohnungen und Postkontrolle eingeleitet, um auf diese Weise Kenntnis an diesem Verbrechen, ihrer Reaktion auf durchgeführte Ermittlungshandlungen, bestehender Verbindungen nach Westdeutschland, Westberlin und dem kapitalistischen Ausland und über die Mitteilung vom Selbstmord ihrer Kinder im Zusammenhang mit der Bewaffneten Provokation gegen eine Linienmaschine der Interflug.

Im Zusammenhang mit der Durchführung dieser Ermittlungen und den Vernehmungen der Eltern wurde das inoffizielle Netz beider Kreisdienststellen zur Feststellung der Stimmung und eventueller Gerüchte unter der Bevölkerung eingesetzt.

Bei den Ermittlungen in der ehemaligen Arbeitsstelle der WEHAGE, Christel im Kreiskrankenhaus Wolmirstedt liegt der Schwerpunkt auf der detaillierten Aufklärung der Zusammenhänge ihres Fernbleibens am 9. und 10.3. 1970 und ihres Verhaltens in der letzten Zeit.

Zum Handschriftenvergleich mit dem aufgegebenen fingierten Telegramm zur Einheit des WEHAGE am 8.3.1970 wird die Kaderakte der WEHAGE, Christel herangezogen und beim zuständigen Postamt in Magdeburg die Urschrift des Telegramms beschlagnahmt sowie eine Schriftexpertise gefertigt.

2. Die Eltern und Geschwister beider Täter wurden vernommen, wobei der Schwerpunkt darauf lag, inwieweit sie von dem Verbrechen Kenntnis hatten, an der Vorbereitung mitwirkten und welche Verbindungen nach Westdeutschland, Westberlin sowie dem kapitalistischen Ausland bestanden.

3. Mit der Aufklärung der Westverbindungen werden gleichzeitig durch die HA VIII die in der Handtasche der WEHAGE, Christel aufgefundenen Adressen in Hamburg und Pforzheim ermittelt.

4. Nach den Vernehmungen beider Elternteile wurden im Zusammenwirken mit dem Staatsanwalt Durchsuchungen ihrer Wohnungen und der ehemaligen Arbeitsstelle der WEHAGE, Christel geführt, die bisher keine verwertbaren Ergebnisse erbrachten.

5. In Zusammenarbeit mit der Hauptabteilung I werden die Umstände der Einstellung des WEHAGE als Berufssoldat der Volksmarine, Einheit Peenmünde und seines Einsatzes als Oberbootsmann und Verantwortlicher für die Waffenkammer unter Berücksichtigung seiner Vorstrafen wegen mehrfach versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts geklärt.

6. Vernehmung der Dienstvorgesetzten und Genossen der Bootsbesatzung des WEHAGE zur Einhaltung der einschlägigen Dienstvorschriften über die Aufbewahrung und Absicherung der Waffen, Munition und Sprengmittel, zur Klärung aller Einzelheiten und Zusammenhänge seiner vorgetäuschten Beurlaubung wegen angeblichen Unfalles seiner Ehefrau für den Zeitraum vom 8. bis 11.3.1970 durch ein fingiertes Telegramm sowie eventuell getroffene Feststellungen, die auf Vorbereitungshandlungen hinweisen.

7. Mit der zuständigen Leitung der Unterabteilung Seestreitkräfte werden die erforderlichen Maßnahmen zur schwerpunktmäßigen und zielgerichteten Bearbeitung des Vorlaufs-Operativ XVIII/2506/69 gegen den Obermaat ............ wegen Verdachts der Fahnenflucht getroffen, da WEHAGE eng mit .............. befreundet war und anzunehmen ist, daß ............. die Verbindung zu WEHAGE, der wegen versuchten illegalen Verlassens der DDR vorbestraft war, suchte.

8. Im Ergebnis der durchgeführten Untersuchungshandlungen werden bei Feststellung möglicher Unzulänglichkeiten unter Verletzung der bestehenden Dienstvorschriften zur Sicherung der Waffen, Munition und Sprengstoffbestände entsprechende disziplinarische sowie vorbeugende Maßnahmen getroffen.

9. In Zusammenarbeit mit der HA XIX wird durch weitere Befragungen und operative Ermittlungen das Verhalten der Täter während ihres Aufenthaltes im Flughafenhotel in der Nacht vom 9. zum 10.3.1970 geprüft mit dem Ziel, Hinweise auf mögliche Kontaktaufnahmen erarbeiten zu können.

10. Durch Befragungen weiterer Mitarbeiter der Interflug im Zusammenhang mit dem System der Buchung und Abfertigung auf dem Flughafen Schönefeld sollen Schlußfolgerungen für die Einrichtung inoffizieller Signal- und Informationskanäle abgeleitet werden, die ein vorbeugendes Eingreifender zuständigen Organe bei festgestellten Auffälligkeiten rechtzeitig ermöglichen.

11. Durchführung von Ermittlungen der Passagiere in deren Wohngebieten und Arbeitsstellen mit dem Ziel zu prüfen, ob es Anhaltspunkte für einen ungesetzlichen Grenzübertritt gibt.

12. In Zusammenarbeit mit dem zuständigen Militärstaatsanwalt sowie dem Fürsorgeoffizier des MfS wird die Einäscherung der Täter organisiert und mit den Leitern der Kreisdienststellen Halberstadt und Wolmirstedt die Auswahl eines unauffälligen Urnenplatzes sowie die operative Absicherung der Urnenbeisetzung zur Verhinderung eventueller Provokationen abgesprochen.

II. Vorschläge zur weiteren vorbeugenden Erhöhung der Luftsicherung

[...]

Quelle: BStU, MfS, HA IX Nr. 10387, Bl. 156-159
Zum Seitenanfang