Todesopfer > Hennig, Lothar

Lothar Hennig: Bericht des Kommandeurs des Grenzkommandos Mitte der DDR-Grenztruppen

5. November 1975

Betreff

Bericht über die Anwendung der Schußwaffe im Grenzdienst mit tödlichem Ausgang

Am 04.11.75 gegen 23.55 Uhr wurde in SACROW, Weinmeisterweg in Höhe der Konsum-Verkaufsstelle der Lehrling Hennig, Lothar, geb. am 30.06.1954 in POTSDAM, wohnhaft POTSDAM – SACROW (...) durch einen Grenzposten von Schülerarbeit 51 nach dreimaligem Anruf und Abgabe eines Warnschusses durch gezieltes Feuer (1 Schuß) schwer verletzt.

Der oben genannte Bürger kam als einziger Fahrgast mir dem planmäßigen Linienbus gegen 23.50 Uhr aus Richtung POTSDAM nach SACROW. Auf Höhe Brücke Schiffsgraben (keine planmäßige Haltestelle) stieg Hennig aus. Nach Abfahrt des Busses führte Hennig Beobachtung in Richtung der Staatsgrenze und wurde dabei durch den zusätzlich eingesetzten Grenzposten in einer Entfernung von 35 bis 40 m wahrgenommen. Nach Beobachtung der Staatsgrenze bewegte sich Hennig im Laufschritt in Richtung Weinmeisterweg. Daraufhin erfolgte der Anruf lt. DV 318/0/003, Okt. 116, Ziffer 1 durch den Postenführer. Der Grenzposten nahm die Verfolgung auf und rief H. erneut an. Dieser und der weitere Anruf durch den Grenzposten wurde nicht befolgt.

Da sich Hennig weiter im Laufschritt von dem Grenzposten entfernte, wurde ein Warnschuß und folgend ein Zielschuß angegeben. Dabei betrug die Entfernung 70 – 80 m. Bei der weiteren Verfolgung stellte der Grenzposten fest, daß Hennig auf der rechten Straßenseite auf Höhe der Konsum-Verkaufsstelle mit den Gesicht nach unten lag. Der Grenzposten erwies Erste Hilfe unter Anwendung des persönlichen Verbandspäckchens. Dabei stellten die Grenzposten fest, daß H. unter Alkoholeinfluß stand. Während der aktiven Handlungen des Grenzpostens traf der Zugführer Sicherungsabschnitt I am Handlungsort ein und erstattete Meldung.

Sofortmaßnahmen:
    - Einsatz ZBV-Offizier zur Durchsuchung und Abtransport des Verletzten mittels Sankra - 00.30 Uhr;

    - Durchführung der ersten ärztlichen Hilfe durch die 920 von Schülerarbeit am KP – SACROW Pq. 1270/1 00.35 Uhr, vorläufige Diagnose: Verletzung der Lunge;

    - Überführung des Verletzten in das Anmeldelazarett DREWITZ unter Leitung der 920 von Schülerarbeit von 00.50 Bis 01.30 Uhr, dabei trat der Tod kurz vor Erreichen des Armeelazaretts DREWITZ ein.
Ursachen und Beweggründe:
    - Der Einsatz dieses zusätzlichen Grenzpostens erfolgte auf Grund von Wahrnehmungen und Geräuschen nördlich Sacrower See Pq. 1571/6 und der begrenzten Sichtbedingungen.

    - Die Handlungen des Grenzpostens entsprachen den militärischen Bestimmungen. Die Anwendung der Schußwaffe war gerechtfertigt.
Auswirkungen:

Da HENNIG Bürger der Grenzgemeinde SACROW war, werden Diskussionen unter der Bevölkerung auftreten. Darüber hinaus sind Störungen der guten Zusammenarbeit Bevölkerung – Grenztruppen zu erwarten.

Daraus ergeben sich besondere Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, die nach eingehender Absprache mit der SED – Kreisleitung POTSDAM und den Organen des ZW ab 05.11.75, 08.00 Uhr festgelegt und durchgeführt werden.

G(...)
Generalmajor

Quelle: BArch, GT-7605, Bl. 32-33
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