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Befehl des Ministers des Innern, Karl Maron, zur verstärkten Sicherung der Grenze in Berlin, 12. August 1961

Befehl des Ministers des Innern, Karl Maron, zu den Aufgaben des Präsidiums der Volkspolizei Berlin zur verstärkten Sicherung der Grenze in Berlin, 12. August 1961

REGIERUNG
DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK

Ministerium des Innern

- Der Minister -

Geheime Verschlußsache



Zur Erhöhung der Sicherheit der Deutschen Demokratischen Republik sind mit "X"-Zeit Maßnahmen zur Einschränkung des Verkehrs aus den Bezirken der Deutschen Demokratischen Republik nach dem demokratischen Berlin sowie aus den Bezirken der Deutschen Demokratischen Republik und dem demokratischen Berlin nach Westberlin eingeleitet.

Zur Durchführung dieser Maßnahmen

BEFEHLE ICH:
  1. Mit "X"-Zeit wird dem Präsidenten der Volkspolizei Berlin die 1. Brigade der Bereitschaftspolizei im vollen Bestand mit der Aufgabe, die Grenzsicherung zu übernehmen, unterstellt. Gleichzeitig werden dem Kommandeur der 1. Brigade die Kräfte des bisherigen Sicherungskommandos unterstellt.

    Zur Verstärkung dieser Einheiten ist die Bezirksschule der Volkspolizei "X" + 6 Stunden in Marschbereitschaft zu versetzen und ebenfalls dem Kommandeur der 1. Brigade zu unterstellen. "X" + 7 Stunden werden diese Einheiten durch die MPS Aschersleben ergänzt, die gleichfalls dem Kommandeur der 1. Brigade der Bereitschaftspolizei unterstellt werden.

    Der Kommandeur der 1. Brigade der Bereitschaftspolizei hat mit "X" die Aufgabe als Kommandeur aller oben angeführten Kontroll- und Sicherungskräfte zum Schutz der Grenze zwischen der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik und Westberlin zu übernehmen und ist für den Aufbau einer in zwei Linien tief gestaffelten Sicherung verantwortlich. Der Zwischenraum zwischen den Linien hat in Abhängigkeit von den örtlichen Verhältnissen 100 m bis 150 m zu betragen.

    Bis "X" + 180 Minuten ist die höchste Dichte entlang der Grenze zu erreichen.
    Die Kräfte der bisherigen Sicherungskommandos verbleiben bis zu diesem Zeitpunkt in voller Dienststärke in ihren Abschnitten und sind erst dann entsprechend dem Befehl des Kommandeurs aller Sicherungskräfte umzugruppieren und besonders zur Verstärkung der geöffneten Kontrollpunkte einzusetzen.

    "X" + 30 Minuten sind die Übergänge - außer den in der Befehlskarte eingezeichneten - zu schließen und bis "X" + 180 Minuten pioniermäßig zu sperren.

    Die Hauptanstrengungen der Grenzsicherung sind auf den Abschnitt rechts FLUSS PANKE (ausschließlich)-links OBERBAUMBRÜCKE (einschließlich) zu richten.

  2. "X" + 30 Minuten ist im Bereich des Präsidiums der Volkspolizei Berlin (außer Kampfgruppen und Freiwilligen Helfern) Alarmstufe II auszulösen.

  3. Die Sicherungs- und Kontrollkräfte haben:
    • ein Überschreiten und Überfahren der Grenze außerhalb der dafür vorgesehenen Kontrollpunkte nicht zuzulassen;

    • an den Kontrollpunkten Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik das Passieren nur zu gestatten, wenn die im Besitz eines Berechtigungsscheines A (rot und grün), eines Dienstausweises der Deutschen Reichsbahn sind, welcher auf eine Dienststelle im Westberliner Gebiet ausgestellt ist oder eine besondere Genehmigung zum Betreten Westberlins vorzeigen;

    • das Passieren von Kontrollpunkten mit Taxen, die im demokratischen Berlin zugelassen sind, zu verhindern;

    • Kindern und Jugendlichen das Passieren eines Kontrollpunktes nicht zu gestatten - soweit es sich nicht um Westberliner Jugendliche, die im Besitz eines Westberliner Personalausweises sind - oder es sich um Westberliner Jugendliche und Kinder in Begleitung ihrer Eltern handelt;

    • die Kontrolle auf den Wasserstraßen zu verstärken und das Überfahren der Grenze durch Fahrgastschiffe nicht zu gestatten.
  4. Die Grenzsicherung ist in den bisher vorhandenen drei Abschnitten

    NORD
    MITTE
    SÜD

    mit insgesamt 10 Stützpunkten aufzubauen und entsprechende Einheitskommandeure als Abschnittskommandeure und Stützpunktleiter einzusetzen. Diesen Kommandeuren unterstehen die in ihren Abschnitten handelnden Einheiten.

    Als Abschnittskommandeure werden eingesetzt:

    Kommandeur der I. Abteilung - Abschnitt Nord
    Kommandeur der II. Abteilung - Abschnitt Mitte
    Kommandeur der III. Abteilung - Abschnitt Süd

    Die Aufteilung der übrigen Einheiten ist durch den Kommandeur der Sicherungskräfte zu präzisieren.
    Die bisherigen Abschnitts- und Stützpunktleiter des Sicherungskommandos sind als Stellvertreter der dort eingesetzten Kommandeure einzusetzen.

  5. Abschnittsgrenzen:

    Die Einheiten im
    • Abschnitt NORD besetzen und sichern den Abschnitt rechts DDR-Grenze SCHILDOW, links BRUNNENSTRASSE (alle Punkte einschließlich) und schafft die größte Postendichte im Abschnitt rechts FLUSS PANKE, links BRUNNENSTRASSE: Führungspunkt: GST-Schießplatz SCHÖNHOLZ;

    • Abschnitt MITTE besetzen und sichern den Abschnitt BRUNNENSTRASSE bis MODERSOHNSTRASSE und schaffen die größte Dichte im Abschnitt rechts KLARA-ZETKIN-STRASSE, links OBERBAUMBRÜCKE. Führungspunkt: Internat I, Berlin Mitte; Am Kupfergraben;

    • Abschnitt SÜD besetzen und sichern den Abschnitt rechts OSTHAFEN, links KPP ALT GLIENICKE und schaffen die größte Dichte rechts PUSCHKINALLEE, links KARPFENTEICHSTRASSE. Führungspunkt: Ehrenmal Treptow.
    Der Führungspunkt des Kommandeurs der Sicherungskräfte ist im PdVP Berlin einzurichten.

  6. In den Abschnitten und Stützpunkten sind bewegliche Reserven zu schaffen. An besonders wichtigen Punkten sind Teile der SPW-Kompanien zu stationieren. Bei Einführung dieser Kräfte zur Sicherung sind diese eingehend über den Verlauf der Grenze und die ihnen obliegenden Aufgaben einzuweisen.

  7. Die Posten- und Streifentätigkeit im gesamten Dienstbereich des PdVP Berlin ist zu verstärken und die innere Sicherheit und Ordnung durch zusätzliche Maßnahmen zu gewährleisten. In den Inspektionsbereichen sind Reserven zu schaffen mit der Aufgabe, bereit zu sein, an Schwerpunkten eingesetzt zu werden.
    Die Volkspolizei-Inspektionen haben Filtrierstellen zur weiteren Bearbeitung zugeführter Personen einzurichten und durch qualifizierte Offiziere zu besetzen.

  8. Für alle dem PdVP unterstehenden Kräfte ist der 12-Stunden-Hälftendienst anzuordnen.

  9. Es ist zu gewährleisten, daß in den Stützpunkten der Abschnitte der Grenzsicherung, und in den Schnellkommandos ausreichende Nebelmittel zur Verfügung stehen.
    In jedem Grenzabschnitt sind Wasserwerfer für Soforteinsätze bereitzustellen.

  10. Pioniermaßnahmen:

    Durch Pioniermittel sind zu sperren:
    1. die geschlossenen 60 Kontrollpunkte mit beweglichen Drahtsperren.
      Zeit: "X" + 180 Minuten

    2. Abschnitte mit einer Gesamtlänge von 9,6 km durch den Aufbau von Drahtsperren auf zwei Pfählen.
      Zeit: - in den Hauptrichtungen bis "X" + 24 Stunden - Abschluß des Gesamtausbaues bis "X" + 4 Tage.

    3. Kräfte:

      Zu a) 5 Pionierzüge der 1. Brigade der Bereitschaftspolizei
      Zu b) - 5 Pionierzüge der 1. Brigade der Bereitschaftspolizei.
      - 1 Pionierzug der Bereitschaftspolizei Potsdam/Eiche und der Pionierlehrgang der Lehrbereitschaft Potsdam.
      Letztere werden "X" + 4 Stunden und 30 Min. dem Kommandeur der Sicherungskräfte zur Erfüllung der Pionieraufgabe unterstellt.
  11. Führung und Verbindungen:
    Die Führung ist sicherzustellen durch die Gliederung der eingesetzten Kräfte nach Abschnitten und Stützpunkten. Durch die ununterbrochene Nachrichtenverbindung zu den unterstellten Einheiten durch Draht, Funk und bewegliche Mittel.
    "X" bis "X" + 180 Min. sind die Verbindungen nur durch Draht und bewegliche Mittel ab "X" + 180 Min., wenn notwendig auch mit Funk, gedeckt zu halten.

  12. Versorgung:
    Die Versorgung der Einheiten hat durch die Versorgungsorgane des Volkspolizeipräsidiums Berlin zu erfolgen unter Ausnutzung der in den unterstellten Einheiten vorhandenen Versorgungseinrichtungen.

    Bekleidung und Ausrüstung der Sicherungskräfte:
    Stiefel, Wettermantel, leichte Infanteriewaffe ohne LMG und ohne schwere Waffen. Für Kräfte an den KP mit Pistole.

  13. Organisation der politischen Arbeit:
    Die Kommandeure und Polit-Organe haben in Verbindung mit den Partei- und FDJ-Organisationen eine verstärkte politisch-ideologische Arbeit unter den Soldaten, Unteroffizieren und Offizieren durchzuführen.
      Es ist zu gewährleisten, daß alle Befehle und Dienstvorschriften konsequent und gewissenhaft erfüllt und keine Verletzungen der Geheimhaltung zugelassen werden. Offiziere der Politischen Abteilung sind zur Unterstützung der politischen Arbeit in den Einheiten einzusetzen.
      Der Leiter der Politischen Abteilung hat eine Anordnung über die politische Sicherstellung auszuarbeiten, die durch Sie zu bestätigen ist.

  14. Organisation des Zusammenwirkens:
    Das Zusammenwirken ist vom Präsidenten der Volkspolizei Berlin zu organisieren zwischen:
    1. dem Kommandeur der Sicherungskräfte und Abschnittsleiter Transportpolizei und Kommandeur der 5. Grenzbrigade;

    2. Kommandeur der Sicherungskräfte, den Leitern der VP-Inspektionen und Amtsleitern der Trapo;

    3. Kommandeur der Sicherungskräfte und Leiter Bezirksverwaltung AZKW;

    4. Kommandeur der Sicherungskräfte und dem im Raum Berlin stationierten Einheiten der Sowjetarmee und NVA;

    5. Kommandeur der Sicherheitskräfte, den Leitern der VP-Inspektionen und dem Leiter MfS.
      Der Präsident der Volkspolizei Berlin hat zusammenzuarbeiten mit:
      • Stadtkommandant Berlin
      • Bezirksverwaltung MfS
      • Chef der Nachbar PdVP.
  15. Meldungen:
    • Abschluß der Umgruppierung und Übernahme der Grenzsicherung durch den Kommandeur der 1. Brigade;
    • Schließung und Sperrung der Übergänge;
    • Eintreffen der Verstärkungskräfte;
    • Lagemeldung alle 2 Stunden nach Auslösung der Maßnahmen bis "X" + 12 Stunden;
    • weitere Meldung alle 6 Stunden;
    • besondere Vorkommnisse sofort.
    Alle Meldungen sind doublierend an den Stab des MdI zu melden.


Quelle: Landesarchiv Berlin, SED-BL Berlin IV 2/12/1275-2; hier dok. nach Hartmut Mehls (Hg.), Im Schatten der Mauer. Dokumente, 12. August bis 29. September 1961, Berlin 1990, S. 12-15
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