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Note der Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten an die Regierung der UdSSR, 17. August 1961

Note der Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten an die Regierung der UdSSR, 17. August 1961

Am 13. August haben ostdeutsche Behörden verschiedene Maßnahmen in Kraft gesetzt, die den Verkehr an den Grenzen der westlichen Sektoren und des sowjetischen Sektors von Berlin betreffen. Durch diese Maßnahmen wird der Übergang von dem sowjetischen Sektor der Stadt in die westlichen Sektoren der Stadt eingeschränkt, und zwar so weit, daß dies einem völligen Verbot nahekommt. Diese Maßnahmen waren begleitet von der Schließung der Sektorengrenze durch einen starken Einsatz von Polizeiverbänden sowie durch militärische Einheiten, die zu diesem Zweck nach Berlin gebracht wurden.

Alles dies stellt eine flagrante und besonders ernste Verletzung des Vier-Mächte-Status von Berlin dar. Die Bewegungsfreiheit war, was Berlin anbetrifft, durch das New Yorker Vier-Mächte-Abkommen vom 4. Mai 1949 [1] und den von dem Rat der Außenminister der vier Mächte am 20. Juni 1949 in Paris gefaßten Beschluß [2] erneut bestätigt worden. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat niemals akzeptiert, daß Beschränkungen der Bewegungsfreiheit innerhalb Berlins verhängt werden können. Die Grenze zwischen dem sowjetischen Sektor von Berlin und den westlichen Sektoren ist keine Staatsgrenze. Die Regierung der Vereinigten Staaten sieht die von den ostdeutschen Behörden ergriffenen Maßnahmen als illegal an. Sie erklärt erneut, daß sie den Anspruch, daß der sowjetische Sektor Berlins einen Teil der sogenannten „Deutschen Demokratischen Republik" bildet und daß Berlin auf deren Territorium liegt, nicht akzeptiert. Ein solcher Anspruch stellt in sich bereits eine Verletzung des in dem Abkommen über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin [3] feierlich gegebenen Wortes der UdSSR dar. Außerdem kann die Regierung der Vereinigten Staaten den ostdeutschen Behörden das Recht nicht zugestehen, ihre bewaffneten Streitkräfte zum Betreten des sowjetischen Sektors zu ermächtigen.

Die ostdeutschen Behörden geben selbst zu, daß die von ihnen soeben ergriffenen Maßnahmen durch die Tatsache veranlaßt wurden, daß eine immer größere Zahl von Einwohnern Ostdeutschlands dieses Gebiet zu verlassen wünscht. Die Gründe für diese Massenflucht sind bekannt. Es sind ganz einfach die inneren Schwierigkeiten in Ostdeutschland.

Nach den Worten einer Erklärung der Mächte des Warschauer Paktes, die am 13. August veröffentlicht wurde, zu schließen, sind die in Frage stehenden Maßnahmen den ostdeutschen Behörden durch diese Mächte empfohlen worden. Die Regierung der Vereinigten Staaten stellt fest, daß die Mächte, die sich mit der UdSSR durch die Unterzeichnung des Warschauer Paktes zusammengeschlossen haben, sich dadurch auf einem Gebiet einmischen, auf dem sie keinerlei Kompetenz haben.

Es muß bemerkt werden, daß diese Erklärung feststellt, die von den ostdeutschen Behörden getroffenen Maßnahmen seien „im Interesse des deutschen Volkes selbst" erfolgt. Es ist schwer, eine Basis für eine solche Erklärung zu finden oder zu begreifen, warum es Aufgabe der Mitglieder des Warschauer Paktes sein sollte, darüber zu entscheiden, was die Interessen des deutschen Volkes sind. Es ist offensichtlich, daß die Deutschen und besonders diejenigen, deren Bewegungsfreiheit gewaltsam eingeschränkt worden ist, nicht dieser Ansicht sind. Dies würde sich ganz eindeutig zeigen, wenn es allen Deutschen gestattet würde, eine freie Wahl zu treffen, und wenn das Prinzip der Selbstbestimmung ebenfalls im sowjetischen Sektor Berlins und in Ostdeutschland Anwendung finden würde.

Die Regierung der Vereinigten Staaten protestiert feierlich gegen die oben erwähnten Maßnahmen, für die sie die sowjetische Regierung verantwortlich macht. Die Regierung der Vereinigten Staaten erwartet, daß die sowjetische Regierung diesen illegalen Maßnahmen ein Ende setzt. Diese einseitige Verletzung des Vier-Mächte-Status von Berlin kann die bestehenden Spannungen und Gefahren nur vergrößern.

Quelle: Dokumente zur Deutschlandpolitik IV/7 (1961), S. 70/71
[1] Vgl. das Vier-Mächte-Kommuniqué vom 4. Mai 1949 über die Beendigung der Blockade von Berlin; Do-kumente zur Deutschlandpolitik III/2 (1956), 436, Anm. 23. [2] Vgl. den Auszug aus dem Kommuniqué vom 20. Juni 1949 über die 6. Tagung des Rates der Außenminister in Paris; Dokumente zur Deutschlandpolitik III/2 (1956), 436, Anm. 24. [3] Gemeint ist das Protokoll vom 12. September 1944 zwischen Großbritannien, der UdSSR und den Vereinigten Staaten über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von „Groß-Berlin“ sowie das ergänzende Abkommen vom 14. November 1944. Für Textangaben vgl. S. 13, Anm. 1 und 2.
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