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Mündliche Botschaft Michail Gorbatschows an Präsident François Mitterrand, Premierminister Margaret Thatcher und Präsident George Bush, 10. November 1989

Mündliche Botschaft Michail Gorbatschows an Präsident François Mitterrand, Premierminister Margaret Thatcher und Präsident George Bush, 10. November 1989

Abschrift

13.11.1989
4 Ex.

Mündliche Botschaft Michail Gorbatschows an Präsident François Mitterrand, Premierminister Margaret Thatcher und Präsident George Bush



Ausgehend von der ziemlich extremen Situation, die gegenwärtig im Zusammenhang mit den Ereignissen in der DDR, ihrer Hauptstadt und Berlin (West) entstanden ist, und unter Hinweis auf die nach meiner Überzeugung richtigen und zukunftsträchtigen Beschlüsse der neuen Führung der DDR habe ich soeben dem Kanzler der BRD, Helmut Kohl, eine mündliche Botschaft übermittelt. Ich erachte es für notwendig, auch Sie über deren Inhalt zu informieren.

Laut vorliegenden Meldungen soll heute in Berlin (West) ein Meeting stattfinden, an dem offizielle Vertreter aus der BRD und Berlin (West) teilnehmen werden. Parallel dazu ist auch ein Meeting in der Hauptstadt der DDR geplant. Bei den gegenwärtig faktisch offenen Grenzen und den gewaltigen Menschenströmen in beiden Richtungen kann eine chaotische Situation mit unübersehbaren Folgen entstehen.

Ich habe an Kanzler Helmut Kohl appelliert, er möge die notwendigen und äußerst dringlichen Maßnahmen treffen, damit eine Komplizierung und Destabilisierung der Situation nicht zugelassen wird.

Unser Botschafter in Berlin wurde angewiesen, sofort Kontakt mit den Vertretern der Administrationen der drei Mächte in Berlin (West) aufzunehmen. Ich hoffe, daß auch Sie Ihrem Vertreter entsprechende Weisungen erteilen, damit die Ereignisse nicht einen Verlauf nehmen, der nicht wünschenswert wäre.

Insgesamt möchte ich hervorheben, daß gegenwärtig in der DDR tiefe und bedeutsame Veränderungen vor sich gehen. Wenn aber in der BRD Erklärungen laut werden, die auf ein Anheizen der Emotionen im Geiste der Unversöhnlichkeit gegenüber den Nachkriegsrealitäten, d.h., der Existenz zweier deutscher Staaten, abzielen, dann können solche Erscheinungen politischen Extremismus nicht anders eingeschätzt werden denn als Versuche, die sich jetzt in der DDR dynamisch entwickelnden Prozesse der Demokratisierung und Erneuerung aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens zu untergraben. Mit Blick auf die Zukunft kann dies eine Destabilisierung der Lage nicht nur im Zentrum Europas, sondern auch darüber hinaus nach sich ziehen.

Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß all dies Ihr Verständnis findet.

Quelle: SAPMO-BA, DY 30/IV 2/2.039/319, Bl. 20/21.
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