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Antwortnote der Westmächte auf die Note der Sowjetunion vom 23. August 1961

Antwortnote der Westmächte auf die Note der Sowjetunion vom 23. August 1961

Nachdrückliche Warnung


Note der britischen Regierung an Moskau — Die Luftkorridore

    Die britische Regierung sandte als Antwort auf die sowjetische Note vom 23. August 1961 (vgl. BULLETIN Nr. 159 vom 26. August 1961) am 26. August folgende Note an die Sowjetregierung:
Die Regierung der Sowjetunion erhebt in ihrer Note gegen die Benutzung der Luftkorridore nach Berlin durch die westlichen Alliierten Einspruch. Die Regierung Ihrer Majestät muß nachdrücklich gegen die Behauptung protestieren, daß die Zwecke, für die die Westalliierten die Luftkorridore benutzen, unter die Zuständigkeiten der Sowjetunion fallen.

Diese Korridore wurden 1945 durch Beschluß des Viermächte-Kontrollrats als eine Einrichtung gegründet, durch die das unbeschränkte Zugangsrecht nach Berlin auf dem Luftwege von den Westmächten ausgeübt werden kann. Der Benutzung durch die Flugzeuge der Westmächte ist niemals irgendeine Beschränkung auferlegt worden. Die Regierung Ihrer Majestät wird die Regierung der Sowjetunion deshalb für jede Beeinträchtigung der Sicherheit dieser Flugzeuge in den Korridoren verantwortlich machen.

Die Regierung der UdSSR beschuldigt in ihrer Note die Westmächte der Verletzung des Viermächteabkommens von 1945, insbesondere wegen „ihrer aktiven Duldung der Einmischung der Behörden der Bundesrepublik in die Angelegenheiten West-Berlins und der Benutzung des Territoriums der Stadt für internationale Provokationen ...". Sie fordert, „daß die britische Regierung, die zur Zeit Besatzungsfunktionen in West-Berlin ausübt, Schritte unternimmt, um die illegalen und provokativen Aktionen der Bundesrepublik in dieser Stadt zu unterbinden".

Dieses Verlangen ist zuallermindest überraschend. In Wirklichkeit haben die Behörden Ostdeutschlands seit der Nacht vom 12. zum 13. August mit Einvernehmen der Sowjetunion, wie die vom 18. August datierte Note der Sowjetregierung erkennen läßt, nicht aufgehört, einseitige Maßnahmen zu ergreifen, die genau die Viermächte-Vereinbarungen und die Bewegungsfreiheit innerhalb der Stadt Berlin verletzen. Zuerst errichteten sie Barrikaden, die von Tag zu Tag verstärkt wurden, um den Verkehr von Ost nach West zu stoppen und dem zunehmenden Flüchtlingsstrom tatsächlich ein Ende zu bereiten.

Seit einigen Tagen haben dieselben Behörden versucht, einseitige und willkürliche Kontrollen über den Zugang von Einwohnern West-Berlins und der Bundesrepublik nach Ost-Berlin einzuführen, und sie haben soeben die Bewegungsmöglichkeiten der Alliierten von West nach Ost auf einen einzigen Punkt beschränkt. Überdies ist es den Einwohnern Ost-Berlins, die in West-Berlin arbeiteten, versagt worden, ihrer Arbeit nachzugehen.

Wenn es „illegale und provokative Aktionen" gibt, dann sind es bestimmt die der Behörden Ostdeutschlands. Wenn es — wie die am 17. Juli der Sowjetregierung überreichte britische Note erklärt — eine Krise in Berlin gibt, dann ist diese bestimmt das Werk der Sowjetunion. Stieg nicht die Zahl der Flüchtlinge beträchtlich von dem Tage an, an dem die Sowjetregierung die bevorstehende Gefahr der Verwirklichung ihres Planes für einen separaten „Friedensvertrag" und für eine „Freie Stadt" offenkundig werden ließ?

Die Sowjetregierung protestiert gegen die Anwesenheit von Persönlichkeiten aus der Bundesrepublik in West-Berlin, wie zum Beispiel des Bundestagspräsidenten Gerstenmaier, des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Krone, des SPD-Vorsitzenden Ollenhauer, des FDP-Vorsitzenden Mende und anderer.

Die Regierung Ihrer Majestät versteht die Haltung der Sowjetregierung nicht. West-Berlin hat eine Vielzahl von Bindungen zur Bundesrepublik, die in keiner Weise mit dem Viermächtestatus Berlins unvereinbar sind. Diese Beschuldigungen sind um so unzulässiger, als die Sowjetunion ebenso wie die ostdeutschen Behörden seit langer Zeit und noch ganz vor kurzem versucht haben, Ost-Berlin vollständig in Ostdeutschland einzuverleiben, indem sie es von der Außenwelt isolieren und versuchen, es zur Hauptstadt Ostdeutschlands zu machen.

Die fundamentale Tatsache ist, daß ganz Berlin einen Viermächtestatus hat. Die britische Regierung stellt fest, daß die Sowjetregierung die Rechte und Verantwortlichkeiten der Westmächte in Berlin ausdrücklich anerkennt. Im Gegensatz zur Sowjetregierung haben sich die Westmächte immer sehr darum bemüht, daß der Sonderstatus der Stadt als Ganzes im Einklang mit den Viermächte-Vereinbarungen geschützt und bewahrt wird.

Die Westmächte haben zu diesem Zweck Maßnahmen und Vorkehrungen getroffen, und die Sowjetregierung ist sich dessen wohl bewußt. Die Regierung Ihrer Majestät Ist, wie immer, bereit, alle legitimen Beschwerden, die die Sowjetunion vorbringen mag, zu prüfen, aber die Behauptungen in der sowjetischen Note sind falsch.

Daher ist es Sache der Sowjetunion und nicht der Regierung Ihrer Majestät, Maßnahmen zu ergreifen, um den Zustand der Spannung und Unruhe, der in Berlin entstanden ist, zu bereinigen. Die ganze Welt wird über die kaum verhüllte Aggressionsdrohung gegen die alliierten Luftwege von und nach West-Berlin besorgt sein. Die Regierung Ihrer Majestät muß der Sowjetunion eine nachdrückliche Warnung erteilen, daß die Beeinträchtigung des freien Zugangs nach Berlin durch die Sowjetregierung oder ihr ostdeutsches Regime die ernstesten Konsequenzen haben würde, für die sie die volle Verantwortung tragen würde.

Gleichlautende Noten wurden auch von den Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich an die Sowjetregierung gesandt.

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 160, 29.8.1961, S.1537.
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