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„Ein Denkmal für ‚Puppe'?" Wie die SED-Presse den getöteten DDR-Flüchtling Günter Litfin diffamiert, Neues Deutschland, 1. September 1961

„Ein Denkmal für ‚Puppe'?" Wie die SED-Presse den getöteten DDR-Flüchtling Günter Litfin diffamiert, Neues Deutschland, 1. September 1961

EIN DENKMAL FÜR "PUPPE"?


Man muß damit rechnen, daß sie „Puppe" in Westberlin ein Denkmal setzen werden. „Puppe" war der eindeutige Spitzname eines Homosexuellen, der in den einschlägigen Westberliner Kreisen gut bekannt war. Der 13. August trennte ihn von seinen „Liebhabern", und in der Hauptstadt der DDR blieb sein Gewerbe aussichtslos. Am 24. August ertappte ihn die Volkspolizei bei verbrecherischen Handlungen unweit des Bahnhofs Friedrichstraße. Seiner Festnahme entzog er sich durch einen Sprung in den Humboldthafen, wobei er den Tod fand.

Im Kreise seiner „Freunde" weinte die „Bild-Zeitung" seitenbreite Tränen greller Druckfarbe. Und der Strom der Tränen schwoll noch an, als am 29. August ein nachweislich in Westdeutschland zweimal vorbestrafter Schläger der Volkspolizei zu entkommen versuchte, weil man ihn wegen eines neuen Deliktes festnehmen wollte.

Wie gesagt, der Homosexuelle und der Schläger werden in Westberlin gefeiert, wie Menschen, denen man sonst Denkmäler zu setzen pflegt. Selbst der gewandteste Anwalt würde angesichts eines märchenhaften Honorars nicht solch gefühlvolle Worte des Mitleids und der Unschuld finden, wie die Leute um Lemmer.

Und es würde sich auch schon deshalb kein Anwalt für die beiden finden lassen, weil sie neben ihren nach dem Strafgesetzbuch zu ahndenden Verbrechen, den in aller Welt gefährlichen Versuch unternahmen, die Grenze eines Staates an einer Stelle zu überschreiten, wo für jedermann sichtbar ein Überschreiten nicht möglich ist. Wer dennoch derartige von normalen Menschen nicht benutzte Wege zu den seinen macht, würde nirgendwo in der Welt damit rechnen dürfen, Blumensträuße der Anerkennung überreicht zu bekommen. Daß man in Westberlin anders darüber denkt und sowohl den Homosexuellen als auch den Schläger mit Blumen zu begrüßen gedachte, ändert nichts daran, da jedermann weiß, daß Westberlin und die Auffassungen seiner regierenden Persönlichkeiten von allem abweichen, was sonst in der Wert als Maßstab des üblichen und Normalen gilt...

I.N.

Quelle: Neues Deutschland, 1.9.1961.
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