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„Wir appellieren an Euer Gewissen. Auszüge aus einem Brief von Soldaten der NVA an die Angehörigen der Bundeswehr", Sächsische Zeitung, Dresden, 23. Oktober 1961

"Wir appellieren an Euer Gewissen. Auszüge aus einem Brief von Soldaten der NVA an die Angehörigen der Bundeswehr", Sächsische Zeitung, Dresden, 23. Oktober 1961

Wir appellieren an Euer Gewissen


Auszüge aus einem Brief von Soldaten der Nationalen Volksarmee an die Angehörigen der Bundeswehr



Soldaten der Bundeswehr!

In den letzten Tagen und Wochen sind wir von westdeutschen und Westberliner Bürgern gefragt worden:

„War das denn richtig, was ihr am 13. August getan habt? War es denn nötig, daß ihr mit euren Schützenpanzerwagen und sogar mit Panzern an der Grenze auffahren mußtet? Habt ihr nicht damit dem Frieden einen schlechten Dienst erwiesen?" Diese Bürger - Arbeiter, Hausfrauen, Kaufleute und Journalisten - sagten uns, daß auch Euch diese und ähnliche Fragen bewegen.

Wir sind der festen Überzeugung und wissen, daß diese Maßnahmen der Deutschen Demokratischen Republik, die mit der vollen Unterstützung der Warschauer Vertragsstaaten durchgeführt wurden, goldrichtig waren. Als wir am 13. August auf Posten zogen, haben wir dies nicht nur in unserem eigenen, sondern auch in Eurem Interesse getan. Wir haben mitgeholfen, unserer ganzen Nation den Frieden zu sichern. Wir haben mit unseren Stiefeln die Fackel ausgetreten, die der Lunte schon bedrohlich nahe war.

Ihr fragt, warum wir sogar Panzer aufgefahren haben. Es war notwendig, denen, die die Existenz unserer Nation bedrohen, die Euch ins Massengrab jagen wollen, einmal die gepanzerte Faust zu zeigen.

Wir halten nach wie vor alle unsere Verständigungsvorschläge aufrecht, aber wir lassen uns auch nicht an der Nase herumführen.

In Bonn hetzt man gegen den Friedensvertrag. Aber sagt selbst: Wenn man den Frieden ehrlichen Herzens erstrebt, kann man doch nicht gegen den Friedensvertrag sein. Die Militaristenclique ist dagegen, weil sie Krieg will. Deshalb versuchen sie, den Friedensvertrag und die Regelung der Westberlinfrage zu verhindern. Überhört ja nicht, daß sie auch heute noch der Welt mit dem „äußersten Risiko", dem Kernwaffenkrieg, drohen, um ihre schändlichen Pläne noch kurz vor Toresschluß zu verwirklichen.

Verwechselt uns aber nicht mit denen, die die rechte Wange hinhalten, wenn sie auf die linke geschlagen werden. In einem solchen Falle schlagen wir zurück, und zwar unter Einsatz aller uns zur Verfügung, stehenden modernsten technischen Kampfmittel!

Damit es niemand überhört: Wer unsere Republik auch nur anzutasten wagt, der begeht bewußt Selbstmord. Vergeßt niemals, daß wir nicht allein sind. Uns zur Seite steht in sozialistischer Waffenbrüderschaft die Sowjetarmee, die sich seit ihrem Bestehen als unbesiegbar erwiesen hat.

Kameraden! Es ist an der Zeit, die Fronten zu klären. Ihr müßt wissen, wohin Ihr gehört, auf welcher Seite Ihr steht. Die Barrikade hat nun einmal zwei Seiten, und man kann nur auf einer stehen. Steht Ihr auf der Seite derer, die einen Friedensvertrag und damit den Frieden wollen - oder steht Ihr auf der Seite jener, die den Friedensvertrag verhindern, die den Krieg auslösen wollen, - also auf der Seite der Militaristen? Hier oder dort - das ist die alles entscheidende Frage, das ist heute der Prüfstein für jeden Deutschen.

Wir werfen Euch nicht mit den Militaristen, mit dem Klüngel der Revanchepolitiker, der Rüstungsmilliardäre und der Generale des Todes in einen Topf. Aber wir appellieren an Euer Gewissen. Wenn Ihr Euer Schicksal mit dem der Militaristen verknüpft, dann müßt Ihr unweigerlich mit ihnen Niederlage und Untergang teilen. Begreift endlich, daß Ihr Euch nicht wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen dürft.

Bleibt nicht bei einem bloßen Lippenbekenntnis zum Frieden stehen. Wer heute den Frieden will, der muß aktiv dafür eintreten. Versteckt Euch nicht hinter der oft gebrauchten Floskel, daß Ihr als „kleine Leute" nichts tun könntet. Ihr könnt es. Wenn sich alle, die man bei Euch so geringschätzig als „kleine Leute" bezeichnet, zusammenschließen, dann stellen sie eine unüberwindliche Kraft dar, die in unserer Deutschen Demokratischen Republik einen festen Rückhalt hat.

Die Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere des 1. Mot-Schützen-Regiments der Nationalen Volksarmee

Quelle: Sächsische Zeitung, Dresden, 23.10.1961.
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