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Erklärung des Politbüros des ZK der SED, Neues Deutschland, 12. Oktober 1989

Erklärung des Politbüros des ZK der SED, Neues Deutschland, 12. Oktober 1989

Erklärung des Politbüros des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands



Unmittelbar noch dem 40. Jahrestag der DDR wenden wir uns an die Arbeiterklasse, an die Genossenschaftsbauern, an die Wissenschaftler, Künstler und alle Geistesschaffenden, an die Jugend, an die Angehörigen der Schutz- und Sicherheitsorgane, an alle Bürger der Deutschen Demokratischen Republik. Das Politbüro des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands dankt allen, die den Sozialismus auf deutschem Boden geschaffen haben und den 40. Jahrestag der DDR durch gute Leistungen und Taten vorbereiteten.

Unsere sozialistische Deutsche Demokratische Republik ist das Werk des ganzen Volkes. Sie ist durch die Arbeit ihrer Bürger, der lebenserfahrenen Generationen und der Jugend gewachsen, durch ihr Mitreden, Mithandeln, Mitentscheiden und Mitverantworten. Gemeinsam haben wir die sozialistische Republik errichtet, und gemeinsam haben wir ihre Existenz als Arbeiter-und-Bauern-Macht in harten Prüfungen verteidigt. Wir sind und bleiben entschiedene Kämpfer für den Frieden.

Mit guten Freunden und Kampfgefährten konnten wir den 40. Jahrestag der Gründung der DDR festlich begehen. Die Anwesenheit vieler Gäste aus der ganzen Welt zeugt von dem geachteten Platz unseres Landes in der Völkergemeinschaft. Erneut wurde das feste Bündnis mit der Partei Lenins und den Völkern der Sowjetunion bekräftigt, was in der Teilnahme des Generalsekretärs des Zentralkomitees der KPdSU und Vorsitzenden des Obersten Sowjets der UdSSR, Genossen M. S. Gorbatschow, zum Ausdruck kam. Ihre Verbundenheit mit dem sozialistischen deutschen Friedensstaat bekundeten der Präsident der Volksrepublik Polen, W. Jaruzelski, der Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, M. Jakes, sowie führende Repräsentanten der anderen sozialistischen Bruderländer.

Der politische Wille unserer Partei, ein für alle zukunftssicheres Leben aufzubauen, wurde in den vier Jahrzehnten Deutsche Demokratische Republik zum bewußten Wollen von Millionen Werktätigen in Stadt und Land. In diesem Miteinander hat sich unsere Republik entwickelt. Dieses Miteinander ist unsere Stärke.

Der Sozialismus braucht jeden. Er hat Platz und Perspektive für alle. Er ist die Zukunft der heranwachsenden Generationen. Gerade deshalb läßt es uns nicht gleichgültig, wenn sich Menschen, die hier arbeiteten und lebten, von unserer Deutschen Demokratischen Republik losgesagt haben. Viele von ihnen haben die Geborgenheit der sozialistischen Heimat und eine sichere Zukunft für sich und ihre Kinder preisgegeben. Sie sind in unserem Land aufgewachsen, haben hier ihre berufliche Qualifikation erworben und sich ein gutes Auskommen geschaffen. Sie hatten ihre Freunde, Arbeitskollegen und Nachbarn. Sie hatten eine Heimat, die sie brauchte und die sie selbst brauchen. Die Ursachen für ihren Schritt mögen vielfältig sein. Wir müssen und werden sie auch bei uns suchen, jeder an seinem Platz, wir alle gemeinsam.

Viele von denen, die unserer Republik in den letzten Monaten den Rücken gekehrt haben, wurden Opfer einer großangelegten Provokation. Wiederum bestätigt sich, daß sich der Imperialismus der BRD mit einem sozialistischen Staat auf deutschem Boden niemals abfinden wird, Verträge bricht und das Völkerrecht mißachtet. Mit dem 40. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik glaubten imperialistische Kräfte den geeigneten Zeitpunkt gefunden zu haben, um mit einer haßerfüllten Kampagne ihrer Massenmedien Zweifel am Sozialismus und seiner Perspektive zu verbreiten. Sie wollen von der Hauptfrage unserer Zeit, der Sicherung des Friedens, ablenken. Das Interesse am gemeinsamen Ringen der Völker um die Lösung globaler Probleme soll geschwächt werden. Nicht zuletzt will man die eigene Reformunfähigkeit und Reformbedürftigkeit in den Hintergrund drängen. Großdeutsche Träume, gespeist aus altrevanchistischen und neofaschistischen Quellen, haben keine Chance. Demagogie, Abwerbung, Erpressung sind keine neuen Methoden. Die Geschichte der Beziehungen beider deutscher Staaten beweist es. Und auch das Ziel ist nicht neu, mit der Beseitigung des Sozialismus auf deutschem Boden die Friedensordnung in Europa zu verändern. Völkerrechtswidrig mischt sich die BRD in die inneren Angelegenheiten der DDR ein, maßt sich eine „Obhutspflicht" über die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik an. Indem die BRD die Nachkriegsordnung in Frage stellt, sagt sie sich von der gemeinsamen Verantwortung los, alles zu tun, damit von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgeht. Das ist in unserer Zeit In höchstem Maße friedensstörend.

Wir werden auch künftig nicht zulassen, daß die Macht der Arbeiter und Bauern, daß die Werte, Ideale und Errungenschaften des Sozialismus angetastet werden. Das gebietet uns unsere Verantwortung für die sichere Gegenwart und Zukunft unseres Volkes. Das sind wir nicht zuletzt den Hunderttausenden deutschen Revolutionären, den aufrechten deutschen Patrioten, den Millionen Opfern des deutschen Faschismus und Militarismus schuldig. Das erwarten unsere Freunde im Warschauer Vertrag und in aller Welt von uns.

Deshalb Ist es das Gebot der Stunde, daß sich alle, deren Handeln von politischer Vernunft und humanistischem Verantwortungsbewußtsein gegenüber den Menschen unseres Landes bestimmt ist, deutlich abgrenzen von jenen, die die Bürger für konterrevolutionäre Attacken zu mißbrauchen trachten. Die Probleme der weiteren Entwicklung des Sozialismus in der DDR lösen wir selbst — im sachlichen Dialog und im vertrauensvollen politischen Miteinander.

Die sozialistische Arbeiter-und-Bauern-Macht ist von niemandem erpreßbar. Wer bewußt die Konfrontation sucht und schürt, der hat nicht die Interessen des Volkes im Sinn, der beeinträchtigt das gesellschaftliche Leben und verfolgt sehr eigennützige politische Ziele. Wer verantwortungslos Ruhe und Ordnung stört, der muß sich fragen lassen, wessen Geschäft er betreibt und für wen er bereit ist, die Sicherheit von Bürgern, ihrer Familien und nicht zuletzt ihrer Kinder aufs Spiel zu setzen.

Das Politbüro weiß sich mit der großen Mehrheit unseres Volkes in seinem Handeln einig. Es sind Millionen Menschen, die mit ihrer angestrengten Arbeit, mit ihren Initiativen und Vorschlägen ebenso wie unsere marxistisch-leninistische Partei für einen Sozialismus wirken, der allen gleiche Rechte und gleiche Chancen einräumt, aber natürlich auch gleiche Pflichten auferlegt. An diesem Willen unseres Volkes, an der Kraft unserer einheitlich und geschlossen handelnden Partei, am Bündnis aller in der Nationalen Front und im Demokratischen Block vereinten Kräfte unseres Landes wird auch in Zukunft jeder Versuch der Gegner scheitern, den Sozialismus in unserer Heimat, der Deutschen Demokratischen Republik, zu beseitigen.

Die SED hat ihren XII. Parteitag einberufen. Wie der Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, in seiner Festanprache zum 40. Jahrestag erklärte, sind alle Bürger der Deutschen Demokratischen Republik aufgerufen, Gedanken und Vorschläge einzubringen, wie wir den Sozialismus in unserer Republik in den 90er Jahren weiter voranbringen.

Gemeinsam wollen wir über alle grundlegenden Fragen unserer Gesellschaft beraten, die heute und morgen zu lösen sind. Gemeinsam wollen wir Antwort finden, wie wir die nicht leichten Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts im Sinne der humanistischen Ideale des Sozialismus bestehen können. Gemeinsam wollen wir unser Vaterland so gestalten, daß die wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse jedes einzelnen entsprechend seinen Leistungen immer besser erfüllt werden können. Es geht um die Weiterführung der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Es geht um wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und ihren Nutzen für alle, um demokratisches Miteinander und engagierte Mitarbeit, um gute Warenangebote und leistungsgerechte Bezahlung, um lebensverbundene Medien, um Reisemöglichkeiten und gesunde Umwelt. Es geht um den Beitrag unserer Republik für die Sicherung des Friedens in der Welt. Es geht buchstäblich um alles, was dem Wohl des Volkes dient. Gemeinsam wollen wir in einer starken sozialistischen DDR die Schwelle zum nächsten Jahrtausend überschreiten.

Mit der nächsten Tagung des Zentralkomitees werden wir unserer Partei und dem gesamten Volk im Sinne unserer strategischen Konzeption von Kontinuität und Erneuerung dafür unsere Vorschläge unterbreiten. Sie beruhen auf den tausendfach geführten Diskussionen in den Parteiorganisationen der SED, auf den Vorschlägen und Überlegungen, die uns von den Werktätigen aus allen Teilen der Republik zugegangen sind. Alle Meinungsäußerungen und Vorschläge für einen attraktiven Sozialismus in der DDR sind dafür wichtig. Wir stellen uns der Diskussion.

Wir haben dafür alle erforderlichen Formen und Foren der sozialistischen Demokratie. Wir rufen auf, sie noch umfassender zu nutzen. Doch wir sagen auch offen, daß wir gegen Vorschläge und Demonstrationen sind, hinter denen die Absicht steckt, Menschen irrezuführen und das verfassungsmäßige Fundament unseres Staates zu verändern. Die Deutsche Demokratische Republik — das sind die Bürgerinnen und Bürger, die im demokratischen Bündnis unter Führung der SED diesen Staat zu ihrem Wohl geschaffen haben. DDR, Sozialismus und Frieden, Demokratie und Freiheit gehören für immer zusammen. Nichts und niemand kann uns davon abbringen.

Mehr denn je ist jetzt die vertrauensvolle Zusammenarbeit nötig, um auf die Fragen, die viele beschäftigen und alle betreffen, gemeinsame Antworten zu finden — Antworten, die uns allen nutzen. Sie können nicht in der kapitalistischen Vergangenheit gefunden werden. Der Sozialismus auf deutschem Boden steht nicht zur Disposition. Das Volk der Deutschen Demokratischen Republik hat sich für immer für den Sozialismus entschieden. Gehen wir in diesem Sinne gemeinsam an die Arbeit und lassen uns von der Erfahrung leiten, daß der Sozialismus nur das Werk aller sein kann. Unser Arbeitsplatz bleibt unser Kampfplatz für Sozialismus und Frieden.

Quelle: Neues Deutschland, 12.10.1989.
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