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Tätigkeitsbericht der West-Berliner Schutzpolizei für den Monat Dezember 1961

Tätigkeitsbericht der West-Berliner Schutzpolizei für den Monat Dezember 1961

S 1-1/61
Berlin, den 5. Januar 1962
App. 2922

Vertraulich!
Verschlossen!

An den
Herrn Polizeipräsidenten in Berlin


Betr.: Tätigkeitsbericht des S für den Monat D e z e m b e r 1961

I. Sicherheits- und Ordnungsdienst der Schutzpolizei

1. Zusammenfassung der Ereignisse an der Sektor- und Zonengrenze

a) Am 3.12.61, gegen 18.00 Uhr, wurden an allen 7 Grenzübergangsstellen von sowjetsektoralen Arbeitskommandos unter Vopo-Bewachung an den bereits vorhandenen Grenzsperren Verstärkungsarbeiten (Errichtung von Panzersperren und zusätzlichen Betonmauern) durchgeführt und im Laufe des 4.12.61 abgeschlossen.

Am 8.12.61 brachten Arbeitskommandos der Vopo an den 7 Grenzübergangsstellen Schlagbäume an.

Der Ausbau der östlichen Grenzsperren entlang den übrigen Stellen der Sektor- und Zonengrenze wurde durch Ausheben von Laufgräben, Anlage von Erdbunkern und Umpflügen von "Sicherungsstreifen" sowie Errichtung von Beobachtungstürmen fortgesetzt. (Allein vom 13.8. bis 31.12.61 wurden 53 Türme errichtet, so daß sich ihre Gesamtzahl z.Zt. auf 87 erhöht hat.)

Seit dem 13.12.61 wurden – mit Ausnahme an den Weihnachtsfeiertagen – von sowjetsektoraler Seite entlang der Sektor- und Zonengrenze, z.T. durch Großraumlautsprecher, Musik- und Hetzsendungen in Richtung West-Berlin ausgestrahlt.

Die Anzahl der durch Vopo an der Sektor- und Zonengrenze fest montierten Lautsprecher beträgt z.Zt. 215 Stück.

b) Auf dem Bahngelände, Nähe Bhf. Gesundbrunnen, begannen am 4.12.61 sowjetsektorale Arbeitskräfte in Anwesenheit von Trapo mit dem Abriß von in Nähe des Wasserturmes gelegenen Bauten. Die Arbeiten dauern an.

Seit dem 5.12.61 wurde die Eisenbahnstrecke in Höhe Finkenkruger Weg durch Herausreißen von Schienen und Errichtung mehrerer Stacheldrahtzäune von östlicher Seite unterbrochen. Der Interzonenzug Hamburg – Berlin verkehrt seitdem über Griebnitzsee – Wannsee.

c) Am 5.12.61, gegen 20.50 Uhr, durchfuhr ein aus Richtung Oranienburg-Falkensee kommender Dampfzug den Endbahnhof Albrechtshof (SBZ), passierte die Zonengrenze in Höhe Finkenkruger Weg und hielt auf West-Berliner Gebiet in Höhe Leuthinger Weg. Heizer und Lokführer hatten die Flucht gemeinsam verabredet. Von den 25 Passagieren meldeten sich 18 Personen als Flüchtlinge in West-Berlin. 7 Personen kehrten freiwillig in die SBZ zurück. Der Dampfzug wurde später durch eine sowjetzonale Lok in die SBZ zurückgeschoben.

Am 9.12.61, gegen 16.15 Uhr, begaben sich vier männliche West-Berliner in Staaken, Seeburger Weg, an die Zonengrenze, um sich angeblich die sowjetzonalen Absperrmaßnahmen anzusehen. Hierbei wurden sie von Angehörigen der Grepo angesprochen. Als sie ohne Reaktion ihren Weg entlang der Grenze fortsetzten, wurden sie von den Grepo mit Maschinenpistolen beschossen. Sie warfen sich zunächst zu Boden und versuchten, dem Feuerbereich der Grepo zu entkommen. Während dies zwei der Beteiligten gelang, wurden die anderen beiden von Grepo auf West-Berliner Gebiet festgenommen und in die SBZ verbracht. Einer von ihnen ist durch die Schüsse vermutlich verletzt worden. Die Grepo gab ca. 100 Schuß in Richtung West-Berlin ab.

Am 9.12.61, gegen 19.00 Uhr, begaben sich drei weibliche und drei männliche Personen in Staaken, Berg- Ecke Hauptstraße, an die Zonengrenze, um durch Zerschneiden der Stacheldrahtzäune einer Frau aus der SBZ die Flucht zu ermöglichen. Als die drei männlichen Personen bereits 2 der vorhandenen 3 Stacheldrahtzäune durchschnitten hatten, wurden sie plötzlich von Angehörigen der Grepo mit Maschinenpistolen beschossen. Als sie daraufhin wieder West-Berliner Gebiet erreichen wollten, brach der 20-jährige Student Dieter Wohlfahrt (österreichischer Staatsangehöriger), Wilmersdorf, Hildegardstr. 20 wohnhaft gewesen, etwa 8 m vor der Zonengrenze auf dem Gebiet der SBZ zusammen. Eingetroffene Schutzpolizeikräfte und britische MP, die den tödlich getroffenen W. bergen wollten, wurden von der Grepo unter Androhung des Schußwaffengebrauchs daran gehindert. Gegen 20.30 Uhr wurde W. von 2 Grepo in die SBZ geschleift und abtransportiert. Insgesamt wurden ca. 20 Schuß von der Grepo abgegeben.

d) Am 17.12.61 wurde durch den Regierenden Bürgermeister mit einer Kundgebung im Humboldthain, an der ca. 10.000 Personen teilnahmen, die Aktion "Licht an die Mauer" eingeleitet. Die Veranstaltung verlief ohne Zwischenfälle.

e) In 13 Fällen warfen Vopo gegen Schutzpolizeibeamte, winkende West-Berliner sowie gegen Senats-Lautsprecherwagen 107 Tränengaswurfkörper (TW) auf West-Berliner Gebiet. Schutzpolizeibeamte warfen daraufhin etwa die gleiche Anzahl TW in den Sowjetsektor zurück. Außerdem warfen Vopo in 19 Fällen Steine, Eisstücke, Flaschen und sonstige Gegenstände über die Sperrmauer.

f) Der Interzonenverkehr verlief unbehindert.

[...]

Quelle: Polizeihistorische Sammlung des Polizeipräsidenten in Berlin
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