Todesopfer > Mehr, Joachim

Bericht der DDR-Grenztruppen über den Fluchtversuch und die Erschießung von Joachim Mehr

3. Dezember 1964

VERTRAULICHE VERSCHLUßSACHE !

Betr.: Verhinderung eines schweren Grenzdurchbruches mit Anwendung der Schußwaffe, tödlichem Ausgang eines Grenzverletzers und Schußverletzungen am rechten und linken Bein des zweiten Grenzverletzers im Abschnitt der 4.Kp. GR - 36.

Bezug: Sofortmeldung vom 03.13.1964

Am 03.12.1964, gegen. 02.10 Uhr, versuchten zwei Personen aus Berlin die Staatsgrenze im Abschnitt der 4. Kompanie Pq: 3884/5 a in Richtung Westberlin zu durchbrechen. Beide Personen hatten sich mit einem Motorroller aus Berlin kommend bis S-Bahnbrücke Hohenneuendorf entlang des S-Bahn-Bogens der Grenze genähert, wobei der Motorroller an der S-Bahnbrücke Hohenneuendorf zurückgelassen wurde. (Pq:3885/2 a) im Abschnitt waren eingesetzt Pq: 3885/7 a auf dem B-Turm Sold. M(...), Christian als Postenführer, geb. (...)42, NVA 04.05.64, Mitglied der FDJ. Der Gefr. N(...), Dieter als Posten, geb. (...)43, NVA 08.11.63. Zur Führung des Zuges in der Grenz Sicherung Ufw. K(...), Klaus. Stellv. des Zugführers, geb. (...)39, NVA 03.05.63. Posten Sold. M(...), Harald, geb. (...)43, NVA 04.05.64. Der eingesetzte Grenzposten auf dem B-Turm handelte lt. Kampfauftrag. Gegen 02.10 Uhr stellte der Soldat M(...) das schnelle Annähern von zwei Personen aus dem Dunkeln in die Lichtstraße fest. Beide Personen liefen im Laufschritt auf die GSA zu. Er gab seinen Posten den Befehl das IMG schußfertig zu machen. Da sich der IMG-Gurt verklemmte schoß er selbst einen kurzen Feuerstoß als Warnung vor die Grenzverletzer auf den 10-m-KS. Anschließend führte er gezieltes Feuer aus seiner MPi, wobei er 30 Schuß insgesamt verschoß. Beide Grenzverletzer brachen unmittelbar vor der Drahtsperre zusammen. Er gab seinen Posten den Befehl den B-Turm zu verlassen, das IMG schußfertig zu machen und sich in den Rücken der Grenzverletzer zu begeben. Er selbst folgte unmittelbar seinem Posten. Beim Eintreffen am Tatort traf gleichzeitig auf westlichem Gebiet aus Richtung Duepo-KP kommend Pq: 3884 / 7 b ein VW-Bus ein, aus dem mehrere Personen ausstiegen, die Waffen durchluden und einen Scheinwerfer auf die Grenzverletzer richteten. Dabei fielen die Worte: "Kriecht durch die Sperre, wir dürfen nicht in die Sperre rein!" Der Postenführer rief daraufhin die Grenzverletzer an: "Liegenbleiben!" Zumgleichen Zeitpunkt trafen noch zwei Fahrzeuge auf westlichem Gebiet ein. Erkannt wurden ca 8 Personen (Duepo). Ein Grenzverletzer versuchte in Richtung Sperre weiterzukriechen, daraufhin schoß der Ufw. K., der sich dem Tatort von rechts genähert hatte, aus dem Kfz.-Sperrgraben einen kurzen Feuerstoß ( 2 Schuß) auf den Grenzverletzer, Er organisierte die weiteren Handlungen des Grenzpostens. Um 02.24 Uhr erfolgte die Meldung des Vorkommnisses von der Grenze zum Führungspunkt der Kompanie.

02.25 Uhr wurde in der Kompanie Grenzalarm ausgelöst. 02.40 Uhr traf die Alarmgruppe in Stärke von 1/2/7 am Ort der Handlung ein.

02.45 Uhr erfolgte die Vorausmeldung an den OvD des GR. Gegen 02.55 Uhr wurden durch Oltn. A(...) 4 Nebelkörper - gelb - geworfen und unter Ausnutzung des Nebels beide Grenzverletzer in den Kfz.-Sperrgraben gezogen. Da der Gegner auf westlichem Gebiet die eigenen Handlungen zur Bergung der Grenzverletzer durch Beschimpfen und Ableuchten mit Scheinwerfern behinderte, wurde der Befehl an die Alarmgruppe gegeben: "Fertigmachen zur Gruppensalve!" Nach Durchladen der Waffen, begab sich der Gegner in Deckung und die Grenzverletzer wurden ins Hinterland abtransportiert. Die eigenen Grenzposten wurden aus dem Kfz.-Sperrgraben ca 30 m ins rückwärtige Gebiet in Deckung zurückgeführt. Der Tatort wurde durch drei Grenzposten, unter Leitung der Oberoffz. Aufklärung des GR, abgesichert.

Gegen 03.00 Uhr wurde dem Hans-Jürgen K(...), geb. (...).41 in Berlin, wohnhaft Berlin N 113, Rodenbergstr. 108, Beruf Heizungsinstallateur, verheiratet, 1 Kind, erste Hilfe geleistet. (Schußverletzungen an beiden Beinen). Personalien des Toten:

Joachim Mehr, geb. 03.04.45, wohnhaft Berlin N 58,
(...) ledig, Beruf Tischler.

Maßnahmen:
- Sicherung des Tatortes durch drei Grenzposten und einen SPW im Hinterhalt unter Führung der Oberoffiziers Aufklärung, Einsatz des Fotografen zur Sicherung von Spuren und Anfertigung von Fotomaterial;

- weitere Bearbeitung durch BVMfS Potsdam;

- Auswertung des versuchten Grenzdurchbruches vor dem gesamten Personalbestand des Verbandes, wobei besonders das aktive Handeln der Grenzposten herausgearbeitet werden muß;

- Auswertung des versuchten schweren Grenzdurchbruches mit Zugführern und Stellvertretern der Zugführer zur Klärung von Führungsfragen. Termin der Auswertung 05.12.1964.

- Erarbeitung eines Gefechtsbeispieles für das GAR 40, Termin: 07.12.1964;

Die an der Verhinderung des schweren Grenzdurchbruches beteiligten Armeeangehörigen wurden durch mich mit Befehl Nr.: 49/64 befördert bzw. belobigt;

/G(...)/

- Oberstleutnant -

Quelle: BArch, VA-07/6012, Bl. 198-200
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