Todesopfer > Schultz, Egon

Egon Schultz: Bericht der Abteilung für Sicherheitsfragen des SED-Zentralkomitees an Stasi-Minister Mielke

30. Oktober 1964

Werter Genosse Mielke!

Im Auftrage des Mitgliedes des Politbüros, Genossen Honecker, untersuchte die Abteilung für Sicherheitsfragen beim ZK einige nähere Umstände im Zusammenhang mit dem Mord an Unteroffizier Egon Schultz durch Westberliner Terroristen.

Bei der Überprüfung dieser Vorkommnisse und der Einschätzung der Handlungen wurden eine Reihe von Schwächen festgestellt, die offensichtlich den tragischen Ausgang dieser Operation begünstigt haben.

Um in Zukunft Handlungen des Gegners mit einem solchen Ausgang weitgehendst zu vermeiden, wurden auf der Grundlage der Ergebnisse der geführten Überprüfung durch den Genossen Honecker folgende Schlußfolgerungen und Vorschläge als verbindlich bestätigt:
    1. Die operative Absicherung der Staatsgrenze nach Westberlin durch die Organe des Ministeriums für Staatssicherheit ist von einer Stelle aus zu organisieren und zu führen.

    2. Um auf dem gebiet des Zusammenwirkens zwischen den Kräften des Ministeriums für Staatssicherheit, der Stadtkommandantur Berlin und der Volkspolizei an der Staatsgrenze nach Westberlin eine feste Ordnung zu schaffen, ist durch die zuständigen Minister eine gemeinsame Direktive zu erarbeiten, deren Entwurf bis zum 20.11.64 dem Mitglied des Politbüros und Sekretär des Nationalen Verteidigungsrates, Genossen Honecker, vorzulegen ist.

    Diese Direktive müßte unter anderem solche Fragen regeln wie:

    - das Zusammenwirken der genannten Organe in normalen und besonderen Lagen;

    - ihre Verantwortlichkeit;

    - den regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen ihnen.

    3. Durch das Ministerium für Staatssicherheit, die Stadtkommandantur Berlin und das Präsidium der Volkspolizei sind die Ausbildungspläne hinsichtlich der spezifischen Besonderheiten der Sicherung der Staatsgrenze in einer Großstadt zu überprüfen und zu präzisieren sowie untereinander abzustimmen.

    Zur Befähigung der Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere, unter allen Bedingungen die Grenze erfolgreich zu sichern, sind konkrete Lagen in die Ausbildung aufzusuchen und teilweise gemeinsam zu üben.

    Durch das Ministerium für Nationale Verteidigung und das Ministerium für Staatssicherheit sind gemeinsam Maßnahmen einzuleiten, um in kurzer Zeit dafür die entsprechende Ausbildungsbasis auf einem dafür geeigneten Übungsplatz zu schaffen.

    4. Durch das Ministerium für Staatssicherheit und das Ministerium für Nationale Verteidigung ist zu überprüfen, ob die vorhandene Spezialtechnik (zur Aufklärung von Tunnelbauten, Funkverbindungen u.a.) ausreicht. Es sind Maßnahmen einzuleiten, die gewährleisten, das Grenzgebiet und die Aktionen des Gegners unter Anwendung der modernsten Technik unter Kontrolle zu bringen.

    5. Dem Minister für Staatssicherheit und dem Minister für Nationale Verteidigung wird empfohlen, dieses Vorkommnis in allen dafür in frage kommenden Dienstzweigen und unter Beachtung der unterbreiteten Vorschläge auszuwerten und für eine durchgreifende Verbesserung der Arbeit in dieser Richtung an der Staatsgrenze nach Westberlin Sorge zu tragen.
Um die Vorschläge zu realisieren, ist es erforderlich, daß Du Dich mit dem Minister für Nationale Verteidigung und dem Minister des Innern in Verbindung setzt, um gemeinsame Maßnahmen zu treffen.

Mit sozialistischem Gruß

B(...)

Quelle: BArch, DY/30/IV, AZ 12/82, Bl. 16-18
Zum Seitenanfang