MfS-Vorschlag zur Verschleierung der Todesumstände von Dieter Beilig
2. Oktober 1971 (Auszug)
[...]Information
zur Grenzprovokation in Berlin-Mitte, Brandenburger Tor am 2. Oktober 1971
Am 2. Oktober 1971, gegen 09.15 Uhr, näherte sich der Westberliner Bürger
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Beilig, Dieter
geb. am 5. September 1941 in Berlin
ohne erlernten Beruf, Arbeitsstelle unbekannt
wohnhaft in Berlin (West) 36 – Kreuzberg,
(...)
Nachdem weitere Westpolizisten Beilig von der Grenzmauer herunterholen wollten, sprang er von dieser in Richtung Hauptstadt der DDR ab und drang in das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik ein. Nachdem er sich etwa 15 bis 20 Meter im Gebiet der DDR-Hauptstadt befand, erfolgte durch zwei Posten der NVA-Grenze die Festnahme Beiligs.
Beilig wurde zunächst in den Südflügel des Brandenburger Tores geführt, um ihn einer Durchsuchung nach Waffen zu unterziehen. Anschließend wurde Beilig von der NVA-Grenze vom Brandenburger Tor zum Führungspunkt der NVA-Grenze, der sich im ehemaligen Gebäude der Akademie der Künste befindet, geführt.
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Mit dem Ziel, diese Grenzprovokation als einen schwerwiegenden Angriff gegen die von der Regierung der DDR in den Verhandlungen mit Vertretern der Regierung der BRD und des Westberliner Senats angestrebte weitere Entspannung der politischen Situation zu entlarven, sind folgende Maßnahmen vorgesehen:
1. Umfassende operative Aufklärung und Ermittlung des Charakters und der Zielsetzung dieser Grenzprovokation und der Auftraggeber, insbesondere zu den Pressefotografen (...) und (...) und der Verbindungen des Beilig zu anderen feindlichen Dienststellen, Organisationen, zu westlichen Publikationsorganen sowie zu extremistischen Kreisen der BRD und Westberlin.
2. Die Provokation, die Festnahme, der erste Fluchtversuch nach der Festnahme und der Abtransport des Beilig in das Krankenhaus der Deutschen Volkspolizei von mehreren Personen auf Westberliner und DDR-Gebiet wahrgenommen wurde, wird zur Abdeckung nachgewiesen, daß Beilig einen Angehörigen der Grenztruppen entwaffnen wollte, wodurch die Anwendung der Schußwaffe notwendig war.
3. Eine Verlagerung der Todeszeit entsprechend den sich aus den weiteren Überprüfungen ergebenden Möglichkeiten beurkunden zu lassen.
4. Die Leiche nach der Obduktion durch das Gerichtsmedizinische Institut in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft unter operativer Absicherung einzuäschern und die Urne zu einem späteren Zeitpunkt in Verbindung mit Gen. Oberstleutnant (...) an die Angehörigen in Westberlin zu übergeben.
5. Die über das Vorkommnis unmittelbar unterrichteten Personen werden durch die zuständigen operativen Diensteinheiten abgesichert.
Leiter der Abteilung
Hähnel
Major
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Quelle: BStU, MfS, HA IX, Nr. 17687, Bl. 44-51