Erst zwei Tage nach der Grenzschließung, am 15. August 1961, protestieren die West-Alliierten beim sowjetischen Stadtkommandanten, Oberst A. J. Solowjew, gegen die "illegalen" Absperrmaßnahmen. Eine Forderung, die Abriegelung aufzuheben und den Stacheldraht wieder zu beseitigen, enthält der Protestbrief nicht. Kühl weisen die Sowjets den Protest als "vollständig unangebrachte" Einmischung in Maßnahmen der DDR-Regierung zurück.
Schreiben der westlichen Stadtkommandanten von Berlin an den sowjetischen Stadtkommandanten in Berlin, 15. August 1961
Note der Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten an die Regierung der UdSSR, 17. August 1961
Note der Regierung der UdSSR an die Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten, 18. August 1961
Die Berliner fühlen sich vom Westen im Stich gelassen. Der Regierende Bürgermeister Willy Brandt bringt dies in einem Brief an den amerikanischen Präsidenten zum Ausdruck: "Berlin erwartet mehr als Worte, Berlin erwartet politische Aktionen." Nur durch eine militärische Aktion, so Kennedys ernüchternde Antwort, könne die offensichtlich von der Sowjetunion getragene Entscheidung, die Grenze zu schließen, rückgängig gemacht werden. Eine Sperrung der Zugangswege nach Berlin als nächster Schritt der Sowjetunion und der DDR würde die West-Alliierten vor die Frage stellen, ob sie zur Verteidigung ihrer Berlin-Rechte einen Atomkrieg riskieren sollen. Im engsten Kreis soll Kennedy gesagt haben: „Keine besonders angenehme Lösung, aber eine Mauer ist verdammt viel
besser als ein Krieg.“
Erst in den nächsten Monaten schält sich allmählich heraus, dass Chruschtschow auf sein Ultimatum und seine Maximalziele verzichtet und sich mit der Unterbindung des Flüchtlingsstroms begnügt. Chruschtschow wird keinen separaten Friedensvertrag mit der DDR abschließen und die Kontrolle über die Zugangswege nach Berlin in sowjetischen Händen behalten.
Neben Empörung, Resignation und Verzeiflung gibt es in Teilen der DDR-Bevölkerung auch Zustimmung zum Mauerbau. Die Fluchtbewegung in den Westen und die Einkäufe von West-Berlinern im Ostteil der Stadt – bei einem Schwarzmarktkurs der D-Mark zur Ostmark von eins zu sechs – haben das Gefühl entstehen lassen, dass „etwas passieren muss“. In dieser Sicht kann die Grenzschließung die Chance eröffnen, in eine neue Phase ungestörten wirtschaftlichen Aufschwungs und sozialistischen Aufbaus eintreten zu können. Ist die innere Stabilisierung erreicht, so die Hoffnung, verschwindet die Mauer eines Tages von ganz alleine.
Doch die SED-Führung verschwendet in den kommenden Jahrzehnten keinen Gedanken daran, ein politisches System einzuführen, dass die Mauer überflüssig gemacht hätte. Im Gegenteil: Wegen der vielen Fluchtversuche konzentriert sich die SED-Spitze darauf, die Abriegelung beständig zu perfektionieren. Die Mauer ist – und bleibt bis 1989 – eine Existenzbedingung der DDR.