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Todesopfer

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Klaus Brueske: MfS-Foto vom Grab auf dem städtischen Friedhof Lübars; Aufnahme um 1975

Klaus Brueske

geboren am 14. September 1938 erschossen am 18. April 1962

am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße
an der Sektorengrenze zwischen Berlin-Mitte und Berlin-Kreuzberg

Brueske, Klaus

Klaus Brueske, erschossen an der Berliner Mauer: Foto der West-Berliner Polizei vom Fluchtwagen, 18. April 1962
„Sterbend fuhr er sie in die Freiheit", titelt am nächsten Tag eine West-Berliner Zeitung. [21] Ganz anders stellen sich die Umstände, die zum Tod von Klaus Brueske geführt haben, aus Sicht der DDR-Presse dar. „Beim Grenzdurchbruch erschossen", meldet das „Neue Deutschland" und fährt fort: „Am 18. April 1962 wurde ein gewisser Klaus Brueske beim gewaltsamen Grenzdurchbruch, wobei er das Leben von Angehörigen der Grenzsicherungsorgane aufs äußerste gefährdete, erschossen." [22]

Klaus Brueske ist am 14. September 1938 als fünftes von acht Geschwistern in Berlin geboren und lebt bis zu seinem Tod im Stadtbezirk Friedrichshain, der seit 1945 zum sowjetischen Sektor gehört. Nachdem er eine Maurerlehre abgebrochen hat, wird er Kraftfahrer. Seit Januar 1961 arbeitet er wie sein Vater bei der AEG im Westteil der Stadt und pendelt als so genannter Grenzgänger zwischen Ost und West. Während sein Vater am 13. August 1961 in West-Berlin bleibt, will Klaus Brueske sein vertrautes Umfeld im Ostteil der Stadt nicht aufgeben. Im gleichen Betrieb, in dem sein älterer Bruder arbeitet, findet er eine neue Anstellung als Kraftfahrer. [23] Doch in den folgenden Wochen und Monaten wächst in seinem Freundeskreis die Unzufriedenheit mit der Situation in der DDR. Klaus Brueske und seine Freunde beginnen, sich über Fluchtmöglichkeiten auszutauschen und die Sperranlagen auszukundschaften. Nach und nach nimmt der Plan Konturen an, am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße mit einem LKW durchzubrechen. Schließlich wollen sich nicht weniger als sieben junge Männer an der Fluchtaktion beteiligen. [24] [25]

Klaus Brueske: Foto der West-Berliner Polizei von der Mauer, an der der LKW im Westen zum Halten kam
Als die sieben Jugendlichen das Lokal verlassen, werden sie unerwartet von einem Volkspolizisten angesprochen. Der Polizist scheint zwar keinen Verdacht zu schöpfen. Trotzdem beschließen sie, sich vorübergehend zu trennen und zu einem späteren Zeitpunkt am LKW wieder zusammenzukommen. Zur vereinbarten Zeit sind sie jedoch nur noch zu dritt. Nach kurzer Wartezeit fahren sie ohne die anderen los. Klaus Brueske setzt sich ans Steuer, Lothar M. nimmt auf dem Beifahrersitz Platz und Peter G. legt sich auf die voll beladene Pritsche.

Es ist schon nach Mitternacht, als die jungen Männer mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h auf den Grenzübergang zurasen. Während der LKW die erste und die zweite Schlagbaumschranke durchbricht, gibt ein Grenzposten zwei gezielte Feuerstöße ab, insgesamt 14 Schuss. Mehrfach getroffen, passiert das Fahrzeug in hohem Tempo die Grenzlinie und kommt erst zum Stehen, als es auf der West-Berliner Seite an eine Grundstücksmauer prallt. [26] Mit Schussverletzungen und Prellungen werden die drei Flüchtlinge in das nahe gelegene Urban-Krankenhaus gebracht. Doch für Klaus Brueske kommt jede Hilfe zu spät. Er hat, wie aus dem Obduktionsbericht hervorgeht, zwei Nackendurchschüsse erlitten, die zwar nicht sofort tödlich waren, aber dazu führten, dass er die Kontrolle über das Fahrzeug verlor, beim Aufprall mit Sand überschüttet wurde und daran qualvoll erstickte. [27]

Der Grenzposten, der die Schüsse abgab, muss sich 40 Jahre später für diese Tat verantworten. Er wird im April 1994 des Totschlags in Tateinheit mit versuchtem Totschlag schuldig gesprochen und zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. [28]

Klaus Brueske: Foto der West-Berliner Polizei vom Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße, 18. April 1962
Bei den DDR-Behörden zieht die Fluchtaktion von Klaus Brueske, Peter G. und Lothar M. als „besonders krasser Fall eines Grenzdurchbruches" umfassende Untersuchungen nach sich. Die Ermittlungen bewegen sich in zwei Richtungen. Zum einen gelten sie dem Geschehen am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße. Während die Schüsse auf die Flüchtlinge mit Verweis auf die Befehlslage ausdrücklich gerechtfertigt werden, wird die Anordnung der Sperranlagen als unzulänglich kritisiert. Die Einrichtung einer Slalomstrecke soll dazu beitragen, Durchbrüche von Fahrzeugen in Zukunft zu verhindern. In den folgenden Tagen und Wochen werden Instandsetzungs- und Umbauarbeiten ausgeführt.

Zum anderen geraten die Ost-Berliner Freunde und Angehörigen von Klaus Brueske ins Visier der Ermittler. Die Wohnung des Toten wird von Stasi-Mitarbeitern durchsucht, Arbeitskollegen und Geschwister werden verhört. Als sich herausstellt, dass sein älterer Bruder in das Fluchtvorhaben eingeweiht war, wird er wegen des Verdachts der „Mitwisserschaft" vier Monate lang in Untersuchungshaft genommen. An der Beisetzung von Klaus Brueske, die in West-Berlin auf dem städtischen Friedhof Lübars stattfindet, dürfen weder seine Mutter noch seine Geschwister teilnehmen. Nachdem im Dezember 1965 am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße mit Heinz Schöneberger ein weiteres Todesopfer zu beklagen ist, errichtet die West-Berliner „Arbeitsgemeinschaft 13. August" dort im März 1966 ein Holzkreuz. Neben dem Kreuz werden Fotografien von Klaus Brueske und Heinz Schöneberger aufgestellt. [29] Am Jahrestag des Mauerbaus finden seither Gedenkfeiern an diesem Mahnmal statt. [30]

Text: Christine Brecht

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