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Abschlußkommuniqué der Tagung des NATO-Ministerrates in Oslo, 8. bis 10. Mai 1961

Abschluss-Kommunique über die Tagung des NATO-Ministerrates in Oslo, 10. Mai 1961

Seitdem sich die Atlantischen Staaten vor 12 Jahren in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen zusammenschlossen, um ihre gemeinsame Verteidigung zu sichern, hat ihr Bündnis den Frieden und die Freiheit gewahrt. Die Drohung, die sie zum Zusammenschluß veranlaßte, ist jedoch heute nicht nur militärischer Art, sondern hat auch weltweite politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und psychologische Aspekte.

Das Nordatlantische Bündnis bedroht niemanden. Es wird niemals zur Aggression benützt werden. Es will den Krieg und die Kriegsursachen ausschalten. Aber es ist entschlossen, das Recht seiner Völker auf ein Leben in Freiheit zu verteidigen. In der heutigen Welt sind die Einheit und die Stärke des Atlantischen Bündnisses für den Frieden und das Überleben der Freiheit lebenswichtig. Seine gemeinsamen Hilfsquellen - im moralischen wie im materiellen - werden dieser Aufgabe voll gerecht. Im festen Vertrauen auf ihre Stärke, auf die Willenskraft ihrer Völker und die Wahrheit der von ihnen vertretenen Ideale bekennen sich die15 Atlantischen Staaten weiterhin zum Aufbau einer Welt, frei von der falschen Doktrin und Praxis des ständigen und unausweichlichen Konflikts.

Während ihrer Tagung prüften die Minister die Entwicklung der internationalen Lage. Angesichts der verstärkten Bemühungen des kommunistischen Blocks, Konflikte anzustiften und auszubeuten und seine Herrschaft auf ein immer größeres Gebiet auszudehnen, bekräftigen die Minister ihre Entschlossenheit, dieser Herausforderung zu begegnen. Die Atlantischen Staaten sind bereit, ihren Beitrag zur Erlangung einer gerechten und billigen Regelung offener politischer Fragen zu leisten. Sie bedauern das Fehlen einer entsprechenden sowjetischen Bereitschaft.

Die Minister stellen mit Bedauern fest, daß in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands keine Fortschritte erzielt worden sind. Sie bekräftigen ihre Überzeugung, daß eine friedliche und gerechte Lösung des Deutschen Problems einschließlich Berlins nur auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts gefunden werden kann. Hinsichtlich Berlins unterstrichen sie erneut ihre in der Erklärung vom 16. Dezember 1958 dargelegte Entschlossenheit, die Freiheit Westberlins und seiner Bevölkerung zu wahren. In Bezug auf die oft wiederholte Drohung der Sowjetunion, einen Separatfriedensvertrag zu unterzeichnen, bekräftigten sie die Worte in der Erklärung von 1958, daß ‚die Aufkündigung der interalliierten Vereinbarungen über Berlin durch die Sowjetunion in keiner Weise die anderen Vertragspartner ihrer Rechte berauben oder die Sowjetunion ihrer Verpflichtungen entbinden kann'. Stufenweise Abrüstung unter wirksamer internationaler Kontrolle ist und bleibt eines der Hauptziele der Regierungen der Bündnispartner.

Der Rat gibt daher der Hoffnung Ausdruck, daß die Aufnahme von Konsultationen mit der UdSSR durch die USA mit dem Ziel, zu einem gegenseitig annehmbaren Verfahren zu kommen, die Wiederaufnahme von Verhandlungen gegen Ende Juli gestatten wird. Er war sich einig, daß die Haltung der Mitglieder des Bündnisses, die an den Abrüstungsgesprächen teilnehmen, in enger Konsultation im Nordatlantikrat entwickelt werden soll. Hinsichtlich der Genfer Verhandlungen über die Einstellung von Atomversuchen nahm der Rat zustimmend zur Kenntnis, daß die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich den Entwurf eines umfassenden Vertrages vorgelegt haben (siehe 9035 B), der eine Grundlage für die Einigung darstellt. Er bedauert, daß die negative Haltung der sowjetischen Regierung neue Schwierigkeiten aufgeworfen hat, und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß diese Regierung sich alsbald einem wirksamen Abkommen als einem ersten und bedeutsamen Schritt auf dem Wege zur Abrüstung anschließen wird.

Die Aufgabe, den weniger entwickelten Gebieten der Welt bei der Hebung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu helfen, stellt eine der wesentlichen Herausforderungen unserer Zeit dar. Die Mitgliedstaaten des Atlantischen Bündnisses greifen diese Herausforderung gerne auf. In ihrer Prüfung der Weltlage maßen die Minister dieser Frage einen hohen Vorrang bei. Mit Befriedigung nahmen sie von dem großen Ausmaß der Hilfeleistungen der freien Welt Kenntnis - im Verhältnis dazu ist die vom Ostblock gewährte Hilfe winzig - und bekräftigen ihre Entschlossenheit, ihre Bemühungen zu verstärken.

Die Minister erörterten die Probleme der langfristigen Planung innerhalb des Bündnisses im nichtmilitärischen Bereich auf der Grundlage eines Berichts des Ständigen Rates, der sich mit der zukünftigen Entwicklung und der Aufgabe der ‚Allianz auf den Gebieten der Politik, der Wirtschaft, der zivilen Notstandsplanung' und anderen befaßt. Ausgehend von diesem Bericht erteilten sie dem Ständigen Rat Richtlinien für die Stärkung des Zusammenhalts der Allianz. Der Rat stellte fest, daß auf dem Wege zur größeren Zielstrebigkeit und besseren Abstimmung der Aktionen der Mitgliedstaaten große Fortschritte erzielt wurden. Er betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer engen, laufenden und freimütigen Konsultation, um die wachsende Einheit des Atlantischen Bündnisses wirksam werden zu lassen. Die Minister fordern den Ständigen Rat auf, in enger Zusammenarbeit mit den Militärbehörden seine Prüfung aller Aspekte der militärischen Gesamtstruktur des Bündnisses fortzusetzen mit dem Ziel, die Abschreckungs- und Verteidigungskraft der Allianz zu verbessern. Sie ersuchten den Rat, ihnen diese Untersuchungen nach Fertigstellung unverzüglich vorzulegen und der Ministertagung im Dezember zu berichten.

Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Minister den Wirtschaftsproblemen Griechenlands und der Türkei. Unter Beachtung des bedeutsamen Beitrages dieser beiden Länder zur gemeinsamen Verteidigung prüften die Minister Mittel und Wege zur Unterstützung der Bemühungen Griechenlands und der Türkei mit dem Ziel, die Entwicklungsprogramme zu beschleunigen und den Lebensstandard ihrer Völker zu heben.

Quelle: Archiv der Gegenwart, 31. Jahrgang 1961, 11. Mai 1961, S. 9079
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