Protokoll über die Dienstbesprechung (im Ministerium für Staatssicherheit), 11. August 1961
Protokoll über die Dienstbesprechung im Ministerium für Staatssicherheit, 11. August 1961Streng vertraulich
Berlin, den 18.8.1961
Protokoll über die Dienstbesprechung (im Ministerium für Staatssicherheit) am 11.8.1961
Beginn: 18.00 Uhr
Ende: 19.50 Uhr
Anwesend: siehe Anwesenheitsliste (Anlage 1)
Tagesordnung: Auswertung der Ergebnisse der Volkskammersitzung vom 11.8.1961
Einleitend verlas der Genosse Minister Mielke den Beschluß der Volkskammer über den Abschluß eines Friedensvertrages und die Lösung des Westberlin-Problems.
In diesem Zusammenhang müssen die Reden der Genossen Stoph und Ebert studiert und ausgewertet werden.
Auf welche Erscheinungen müssen wir in den nächsten Tagen besonders achten:
- Wir müssen alle Provokationen, die von Westberlin ausgehen, unterbinden und ihre Zerschlagung organisieren. Gegen die Republikflucht werden Maßnahmen getroffen, wobei besonders der Ring um Berlin der Schwerpunkt sein wird.
- In den Bezirken gibt es eine Zunahme der Festnahmen besonders solcher Elemente, die provokatorische Reden und Hetze führen. Offene Feinde müssen bekämpft, und es darf nicht ausgewichen werden. Es zeigt sich, daß der Gegner konzentriert in einer Richtung wirkt. Obwohl keine organisatorischen Verbindungen zwischen den einzelnen feindlichen Elementen oder Gruppen bestehen, wirken sie nach einem einheitlichen Plan.
- Unter allen Schichten der Bevölkerung haben unzufriedene und auch negative Diskussionen zugenommen. Diese Entwicklung muß ständig verfolgt werden.
Teilweise treten solche Argumente auf wie,
Friedensvertrag bringt keine Bändigung des deutschen Militarismus;
Durchführung "Freier Wahlen";
Auflösung der Nationalen Volksarmee;
Revidierung der Oder-Neiße-Friedensgrenze.
Es ist zu erkennen, daß die feindlichen Elemente bestimmte äußere Anlässe für ihre Diskussionen nehmen, und zum Teil spielen sie sich als Vertreter von Meinungsgruppen auf. Hinter diesen Argumenten steckt eine gewisse Organisiertheit des Feindes.
Ein Teil der Angehörigen der Intelligenz treten offen negativ auf. Aus den bürgerlichen Parteien treten Elemente hervor, die sich gegen die positive Haltung ihrer Parteiführungen wenden.
Solchen Kräften muß offensiv entgegengetreten werden. - Es gibt auch eine verstärkte mündliche und schriftliche Hetze gegen Funktionäre. Teilweise spielen Rückkehrer und Erstzuziehende eine führende Rolle in dieser Beziehung.
Überfälle und terroristische Handlungen nehmen zu.
Das Bandenunwesen ist statistisch gesehen zurückgegangen. Aber wir müssen die Veränderung ihrer Haltung erkennen und entsprechende Schlußfolgerungen ziehen. - Obwohl die Anzahl der Arbeitsniederlegungen zurückgegangen ist, muß diese ernsthafte Erscheinung genau beobachtet werden.
In den LPG ist noch nicht alles in Ordnung. Es wirken noch in vielen Fällen die feindlichen Losungen. - Es gibt ebenfalls noch eine Reihe Delikte in Bezug auf illegalen Waffen- und Munitionsbesitz.
- In den Bezirken gibt es noch eine Reihe Besonderheiten, die ebenfalls beachtet werden müssen. In Berlin ist eine Besonderheit das Grenzgängertum.
- Heute treten wir in einen neuen Abschnitt der tschekistischen Arbeit ein. Dieser neue Abschnitt erfordert die Mobilisierung jedes einzelnen Mitarbeiters der Staatssicherheit.
In der jetzigen Periode wird sich erweisen, ob wir alles wissen und ob wir überall verankert sind. Jetzt müssen wir beweisen, ob wir die Politik der Partei verstehen und richtig durchzuführen in der Lage sind.
Der neue Abschnitt unserer Arbeit wird auch die Festigkeit unserer Republik zeigen.
Größte Wachsamkeit üben, höchste Einsatzbereitschaft herstellen und alle negativen Erscheinungen verhindern. Kein Feind darf aktiv werden, keine Zusammenballung darf zugelassen werden.
- Wenn in den nächsten Tagen entscheidende Maßnahmen beschlossen werden, muß jegliche Feindtätigkeit verhindert werden. Darum müssen wir in den Kreisen und Bezirken die genaue Übersicht über die Lage, besonders die feindlichen Kräfte, kennen. Die Kontrolle über die feindlichen Kräfte ist von größter Bedeutung.
Die wichtigsten Objekte müssen ausreichend gesichert sein. Die notwendigen Alarmmaßnahmen sind einzuleiten. - Über die eigenen Kräfte muß der notwendige Überblick vorhanden sein. Über die abgewiesenen Maßnahmen ist Vollzug zu melden.
- In den Einsatzleitungen muß das Zusammenwirken der beteiligten Kräfte garantiert sein.
- Durch die Organe, die in den bewaffneten Kräften arbeiten, muß die Zuverlässigkeit und Kampfbereitschaft gesichert werden. (Entsprechende Einsatzpläne sind sofort aufzustellen.) Zu den Offizieren der bewaffneten Organe muß enger Kontakt hergestellt werden.
- Über die Objekte müssen genaue Übersichten vorhanden sein. Zur Sicherung der Schwerpunkte sind entsprechende Maßnahmepläne auszuarbeiten.
In den Betrieben, die durchgehend arbeiten, muß gesichert sein, daß keine Störungen auftreten können.
Es ist festzulegen, welche Kräfte werden wo eingesetzt.
Die Stimmung der Beschäftigten ist zu analysieren und die Zusammensetzung der Beschäftigten nochmals zu untersuchen, um die richtigen politisch-operativen Maßnahmen treffen zu können.
Es muß die genaue Übersicht über die Besetzung der Schlüsselpositionen vorhanden sein. Unter Umständen müssen negative Kräfte für einige Zeit aus ihren Bereichen herausgelöst werden. - Wer mit feindlichen Losungen auftritt, ist festzunehmen. Feinde sind streng und in der jetzigen Zeit schärfer anzupacken.
Feindliche Kräfte sind sofort ohne Aufsehen unter Anwendung entsprechender Methoden festzunehmen, wenn sie aktiv werden. - Die Abteilungen IX müssen stark und einsatzfähig sein. Es sind entsprechende Gruppen für bestimmte Aufgaben einzusetzen.
- Von den verschiedensten Linien sind operative Einsatzgruppen für spezielle Einsätze aufzustellen.
- Alle Linien müssen mit ihren Agenturen so arbeiten, daß die Arbeiter für die Lösung der neuen Aufgaben begeistert und mobilisiert werden.
Darüber hinaus müssen die IM so eingesetzt werden, daß wir genau wissen, wie sich die Lage entwickelt, oder wo besondere Schwerpunkte auftreten können. - Auf der Linie der HA XIII sind ganz besondere Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. Durch uns muß gesichert werden, daß alle Arbeiten, die im Rahmen der Aktion zu erfüllen sind, störungslos verlaufen.
Über das Zusammenwirken mit der Transportpolizei ist ein genauer Einsatzplan aufzustellen. - Maßnahmepläne zur schnellen und wirksamen Bekämpfung der Untergrundtätigkeit sind aufzustellen (besonders Kirche, Presse, Jugend beachten).
- Durch die Abt. M und Abt. 26 sind Maßnahmen zu treffen, um besonders hinsichtlich der Stimmung der Bevölkerung Aufschlüsse zu bekommen.
Durch die Abt. N und Abt. XI sind alle Nachrichtenmittel in einsatzbereiten Zustand zu versetzen. - Durch die HA PS und das Wachregiment sind alle erforderlichen Mittel zur Sicherung der Partei- und Regierungsobjekte einzusetzen. Beide Einheiten haben entsprechende Pläne aufzustellen.
- Durch alle Linien im Bereich der Westgrenze der DDR sind Maßnahmen zur Aufklärung durchzuführen.
- Es ist die qualifizierte Informationsarbeit zu sichern. Die Information muß sachlich sein und nicht übertreiben.
Für alle Einheiten sind jetzt sofort die Einsatzpläne auszuarbeiten und das Zusammenwirken aller Linien ist zu sichern.
Die gesamte Aktion erhält die Bezeichnung
"R o s e".
Nach den Ausführungen des Genossen Minister Mielke sprachen die Genossen Oberst Szinda, Generalmajor Weikert, Oberstltn. Richter, Oberst Kistowski, Oberst Knoppe, Major Opitz, Oberst Kraus, Oberstltn. Michelberger, Oberstltn. Mittig und Oberst Schneider.
Alle sprachen knapp zu Problemen in ihren Bezirken.
Abschließend betonte der Genosse Minister nochmals, daß alle Probleme gründlich zu durchdenken und die richtigen politisch-operativen Schlußfolgerungen zu ziehen sind.
In der anschließenden kurzen Besprechung mit den Leitern der Einheiten des Ministeriums gab der Genosse Minister Mielke einige spezielle Weisungen. (Einsatzpläne für alle Linien, Mitarbeiter so einteilen, daß sie immer sofort erreichbar sind)
[Unterschrift]
(Ludwig)
Major
gefertigt: 2 Exemplare
1. Ex. Genosse Minister Mielke
2. Ex. Ablage, Sekretär des Kollegiums
Quelle: BStU, MfS-SdM 1557