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Schreiben des sowjetischen Stadtkommandanten von Berlin an die westlichen Stadtkommandanten, 18. August 1961

Schreiben des sowjetischen Stadtkommandanten von Berlin an die westlichen Stadtkommandanten, 18. August 1961

Im Zusammenhang mit Ihrem Schreiben vom 15. August 1961 bin ich beauftragt, folgendes mitzuteilen:

Wie bereits mehrfach betont, mischt sich die Kommandantur der Garnison der sowjetischen Truppen in Berlin nicht in die Angelegenheiten der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik ein. Die Frage, in der Sie sich an mich wenden, gehört voll und ganz zur Kompetenz der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik. Die Maßnahmen an der Grenze der DDR mit Westberlin werden von der Regierung der DDR in Verwirklichung des für jeden souveränen Staat üblichen Rechts auf Schutz seiner legitimen Interessen durchgeführt. Jeder Staat errichtet an seinen Grenzen das Regime, welches er für notwendig und den Umständen entsprechend hält. Darum sind Ihre Bemerkungen in Verbindung mit dieser Maßnahme völlig unangebracht.

Es versteht sich, daß den Kommandanten der Sektoren der USA, Großbritanniens und Frankreichs in Westberlin die Gründe, die die Einführung einer wirksamen Kontrolle an der Grenze mit Westberlin notwendig machen, gut bekannt sind. Es wurde mehrfach darauf hingewiesen, daß sich in Westberlin unter dem Schutz der Besatzungsbehörden über 80 Diversions-, Wühl- und Spionageorganisationen festgesetzt haben und ihre Wühltätigkeit gegen die DDR, die UdSSR und die anderen sozialistischen Staaten durchführen. Den Kommandanten sind zweifellos auch solche Tatsachen wie die bekannt, daß westdeutsche Revanchisten und Militaristen mit Flugzeugen aus der Bundesrepublik durch die Luftkorridore nach Westberlin zur Teilnahme an Kundgebungen eingeschleust werden, sowie alle möglichen Versuche der Regierung der Bundesrepublik, Westberlin in die Sphäre ihrer Kriegsvorbereitungen einzubeziehen. Hinreichend bekannt ist auch die Rolle, die Westberlin in den Plänen der Bundesrepublik und der NATO-Länder zur Untergrabung der Wirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik und für die Durchführung einer feindlichen und Hetzpropaganda gegen die Länder des sozialistischen Freundschaftsbundes zugedacht ist. Die Politiker der Bundesrepublik bezeichnen Westberlin offen als "Frontstadt", die dazu berufen ist, den friedlichen Aufbau in der DDR und anderen sozialistischen Ländern zu stören.

Dies alles geschah trotz der mehrfachen ernsten Warnungen vor den Folgen solcher feindseligen Handlungen. Seitens der Behörden der USA, Großbritanniens und Frankreichs wurde nichts unternommen, um der Ausnutzung des Territoriums Westberlins für derartige unzulässige internationale Provokationen ein Ende zu setzen.

Es ist völlig natürlich, daß die Deutsche Demokratische Republik genötigt war, angesichts einer solchen provokatorischen Tätigkeit der revanchistischen und militaristischen Kreise Maßnahmen zu ergreifen, die auf die Unterbindung einer solchen Tätigkeit gerichtet sind. Diese Maßnahmen bezwecken den Schutz der Interessen aller Staaten des sozialistischen Freundschaftsbundes, wie das diese Staaten in ihrem gemeinsamen Aufruf an die Deutsche Demokratische Republik erklärten.

Wie in der Erklärung der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages gesagt wurde, tragen die revanchistisch-militaristischen Kreise der deutschen Bundesrepublik sowie die Westmächte, welche Besatzungsfunktionen in Westberlin ausüben, voll und ganz die Verantwortung für die entstandene Lage und gewisse Unbequemlichkeiten, unter denen ein Teil der Bevölkerung im Zusammenhang mit diesen Schutzmaßnahmen zu leiden hat. Folglich tragen auch Sie, Herr Kommandant, als Person, die an der Spitze einer Besatzungsmacht steht, diese Verantwortung. Deswegen lehne ich die in Ihrem Schreiben vom 15. August dargelegten Ansprüche als völlig unbegründet ab.

Quelle: Dokumente zur Deutschlandpolitik IV/7 (1961), S. 138/39
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