Dienstvorschrift 30/10 des Ministeriums für Nationale Verteidigung zur „Organisation und Führung der Grenzsicherung in der Grenzkompanie", 14. Dezember 1967
Dienstvorschrift 30/10 des Ministeriums für Nationale Verteidigung zur "Organisation und Führung der Grenzsicherung in der Grenzkompanie", 1. Mai 1967Abschrift
(Auszug)
Die DV-30/10 "Organisation und Führung der Grenzsicherung in der Grenzkompanie" wird erlassen und tritt mit Wirkung vom 01. 05. 1967 in Kraft. Gleichzeitig damit tritt die DV-30/10 "Vorschrift über die Organisation und Führung der Grenzsicherung in der Grenzkompanie", Ausgabe 1964, außer Kraft und ist zu vernichten.
Berlin, den 14. 12. 1966
Minister für Nationale Verteidigung
H o f f m a n n
Armeegeneral
[...]
XI. Der Gebrauch der Schußwaffe
- Von der Schußwaffe darf nur Gebrauch gemacht werden
- auf Befehl des Ministers für Nationale Verteidigung bei Einsätzen zum Schutz der Deutschen Demokratischen Republik,
- auf Befehl des Vorgesetzten, des Wachhabenden und des Postenführers bei Angriffen auf Einheiten und Grenzposten, wenn die Anwendung der Schusswaffen zur Selbstverteidigung, soweit andere Mittel nicht oder nicht mehr ausreichen, bzw. zur Brechung bewaffneten Widerstandes notwendig ist,
- während der Grenzsicherung auf eigenen Entschluß des Vorgesetzten, um offenen Ungehorsam oder Widerstand eines Unterstellten zur Wiederherstellung der militärischen Ordnung und Disziplin zu brechen,
- auf eigenen Entschluß durch Wachen und Grenzposten sowie andere zeitweilige oder ständige Waffenträger, wenn andere Mittel nicht oder nicht mehr ausreichen, um
- Handlungen, die eindeutig auf Verrat der Arbeiter-und-Bauern-Macht gerichtet sind, zu unterbinden,
- Verbrecher, insbesondere Spione, Saboteure, Agenten und Provokateure, die der vorläufigen Festnahme bewaffneten Widerstand entgegensetzen oder flüchten, unschädlich zu machen,
- einen unmittelbar drohenden oder gegenwärtigen Angriff auf Anlagen der bewaffneten Kräfte und andere staatliche, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Einrichtungen, auf sich selbst oder andere Personen erfolgreich zu verhindern bzw. abzuwenden (entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen über Notwehr und Notstand). [1]
- zur vorläufigen Festnahme, zur Gefangennahme oder Vernichtung bewaffneter Personen und bewaffneter Banditengruppen, die in das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik eingedrungen sind bzw. die Staatsgrenze zur Deutschen Demokratischen Republik zu durchdringen versuchen, wenn sie die Aufforderung zum Ablegen der Waffen nicht befolgen oder sich ihrer vorläufigen Festnahme oder Gefangennahme durch Bedrohung mit der Waffe oder Anwendung derselben zu entziehen versuchen,
- zur Abwehr bewaffneter Angriffe bzw. Überfälle auf das Territorium der Deutschen Demokratischen Republik, auf die Bevölkerung im Grenzgebiet, auf Grenzposten oder Angehörige anderer bewaffneter Kräfte der Deutschen Demokratischen Republik im Grenzgebiet,
- zur vorläufigen Festnahme von Personen, die sich den Anordnungen der Grenzposten nicht fügen, indem sie auf den Anruf "Halt - Grenzposten - Hände hoch!" oder nach Abgabe eines Warnschusses nicht stehenbleiben, sondern offensichtlich versuchen, die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik zu durchbrechen, und keine andere Möglichkeit zur vorläufigen Festnahme besteht,
- zur vorläufigen Festnahme von Personen, die mittels Fahrzeugen aller Art die Staatsgrenze eindeutig zu durchbrechen versuchen, nachdem sie vorschriftsmäßig gegebene Stoppzeichen der Grenzposten unbeachtet ließen oder auf einen Warnschuß nicht reagierten bzw. nachdem sie die Straßensperren durchbrochen, beiseite geräumt oder umfahren haben und andere Möglichkeiten zur vorläufigen Festnahme der betreffenden Personen nicht mehr gegeben sind.
- es zur Abwehr eines plötzlichen tätlichen Angriffs, der mit anderen Mitteln nicht abgewendet werden kann, sowie zur Brechung bewaffneten Widerstandes erforderlich ist,
- eine unmittelbare Gefahr für das Leben anderer Personen, das eigene Leben oder für den Bestand der Grenzsicherungsanlagen, von Anlagen der anderen bewaffneten Kräfte sowie staatlicher, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Einrichtungen eintreten würde und die Gefahr mit anderen Mitteln nicht abgewendet werden kann.
- dadurch das Leben oder die Gesundheit anderer Personen erheblich gefährdet wird (z.B. auf stark belebten Straßen, in vollbesetzten Gaststätten usw.),
- die Umstände, die den Gebrauch der Schußwaffe rechtfertigen, nicht oder nicht mehr vorliegen (z.B. wenn kein unmittelbar drohender Angriff vorliegt oder dieser mit anderen Mitteln abgewehrt werden kann, wenn der Widerstand inzwischen gebrochen ist usw.).
- gegenüber Angehörigen ausländischer Armeen und Militärverbindungsmissionen,
- gegenüber Angehörigen diplomatischer Vertretungen,
- gegenüber Kindern,
- zur Signalgebung (außer Leuchtpistole).
(2) Ist der Ort des Vorfalls vom Gegner einzusehen, oder sind Anzeichen von Provokationen bzw. Menschenansammlungen jenseits der Staatsgrenze festzustellen, ist der Getötete bzw. sind die Getöteten an einem vom Gegner nicht einsehbaren Ort unterzubringen oder zu bergen, ohne dabei die Spuren am Ort des Vorfalls zu verwischen.
Quelle: Riemer 1995, S. 107 ff.
[1]
§§ 53 und 54 des Strafgesetzbuches lauten:
"Notwehr – § 53 –
(1) Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung durch Notwehr geboten war.
(2) Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
(3) Die Überschreitung der Notwehr ist nicht strafbar, wenn der Täter in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Verteidigung hinausgegangen ist."
"Notstand – § 54 –
Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung, außer dem Falle der Notwehr, in einem unverschuldeten, auf andere Weise nicht zu beseitigenden Notstand zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben des Täters oder eines Angehörigen begangen worden ist."
"Notwehr – § 53 –
(1) Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung durch Notwehr geboten war.
(2) Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
(3) Die Überschreitung der Notwehr ist nicht strafbar, wenn der Täter in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Verteidigung hinausgegangen ist."
"Notstand – § 54 –
Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung, außer dem Falle der Notwehr, in einem unverschuldeten, auf andere Weise nicht zu beseitigenden Notstand zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben des Täters oder eines Angehörigen begangen worden ist."