Material > Dokumente > 1989 > Mai > Schreiben von DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler an Erich Honecker zur Demontage des Grenzsignalzaunes zwischen Ungarn und Österreich, 6. Mai 1989

Schreiben von DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler an Erich Honecker zur Demontage des Grenzsignalzaunes zwischen Ungarn und Österreich, 6. Mai 1989

Schreiben von DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler an Erich Honecker zur Demontage des Grenzsignalzaunes zwischen Ungarn und Österreich, 6. Mai 1989

Abschrift

MINISTERRAT
DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
MINISTERIUM FÜR NATIONALE VERTEIDIGUNG
DER MINISTER

Berlin, den 06.05.1989
Tgb.-Nr. A-118/89

Generalsekretär des Zentralkomitees der
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und
Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates
der Deutschen Demokratischen Republik
Genossen Erich H o n e c k e r


Werter Genosse H o n e c k e r!

Entsprechend einem Beschluß des Politbüros des Zentralkomitees der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei vom 28. Februar 1989 zur Veränderung des Systems der Grenzsicherung gegenüber der Republik ÖSTERREICH wurde am 02. Mai 1989 mit der planmäßigen Demontage des Grenzsignalzaunes an der Staatsgrenze der Ungarischen Volksrepublik zu ÖSTERREICH begonnen.

In diesem Zusammenhang gestatte ich mir, Dir auf der Grundlage der uns vorliegenden Angaben zu melden:

Die an 4 von insgesamt 8 Grenzübergangsstellen der Ungarischen Volksrepublik zur Republik ÖSTERREICH demonstrativ begonnene Demontage von je einem Kilometer des Signalzaunes soll nach ungarischer Auffassung sowohl
  • den Beitrag UNGARNs zum Prozeß der europäischen Entspannung als auch
  • die gut nachbarlichen Beziehungen zu ÖSTERREICH besonders hervorheben.
Der Grenzsignalzaun verläuft in 1,5 bis 2,5 km Entfernung zur Grenzlinie. In diesem Streifen leben in 25 kleineren Siedlungen etwa 4.200 Einwohner.

Bis zum Abschluß der Demontage Ende 1990 sollen wöchentlich 4 bis 4,5 km des insgesamt 260 km langen Signalzaunes abgebaut werden.

Ein Schema im Zusammenhang mit dem Beginn der Abbauarbeiten des Grenzsignalzaunes habe ich mir erlaubt als Anlage beizufügen. [1]

Die Kosten für die Abbauarbeiten, die durch die Grenztruppen unter Einbeziehung örtlicher Wirtschaftseinrichtungen, Räte und Einwohner erfolgen, werden sich voraussichtlich auf 35 – 40 Millionen Forint (ca. 5 – 5,7 Mio. Mark) belaufen. Als Ausgleich für die geleistete Arbeit erhalten die Unternehmen die demontierten Materialien, deren wert je Kilometer ca. 225.000 Forint bzw. 32.000 Mark betragen soll.

Der Beschluß zur Veränderung des Grenzsicherungssystems sieht weiterhin die Realisierung solcher Maßnahmen vor, wie:
  • Erhöhung der Intensität des Streifendienstes unter verstärktem Einsatz von für den Grenzdienst ausgebildeten Diensthunden,
  • Erweiterung des Netzes von Beobachtungstürmen und Fernmeldestellen,
  • erhöhter Einsatz berittener Grenzstreifen in schwer passierbarem Gelände sowie
  • effektivere Einbeziehung der Bevölkerung des grenznahen Raumes in die Grenzsicherung.
Eine erste Einschätzung über den Stand der Realisierung der eingeleiteten Maßnahmen soll auf der in der zweiten Hälfte dieses Monats vorgesehenen Sitzung des Ministerrates der Ungarischen Volksrepublik vorgenommen werden, um zu gewährleisten, daß die Staatsgrenze der Ungarischen Volksrepublik zu Österreich auch weiterhin gesichert wird.

Zugleich ist zu erwarten, daß vom Ministerrat der Ungarischen Volksrepublik zur Durchsetzung des Politbürobeschlusses entsprechende Verordnungen erlassen werden. Bei Vorliegen näherer Angaben würde ich Dir unverzüglich Meldung erstatten.

Ich bitte um Kenntnisnahme.

Mit sozialistischem Gruß
(Unterschrift)
H. Keßler
Armeegeneral

Anlage [2]

Quelle: BA-MA, Strausberg AZN 32665, Bl. 78/79.
[1] Auf die Wiedergabe dieses Schemas wird hier verzichtet. [2] Auf die Wiedergabe der Anlage – siehe Fn. 1 – wird hier verzichtet.
Zum Seitenanfang