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Schreiben von Heinz Keßler an Egon Krenz, 13. November 1989

Schreiben von DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler an SED-Generalsekretär Egon Krenz, 13. November 1989

Schreiben des Ministers für Nationale Verteidigung, Heinz Keßler, an Egon Krenz vom 13.11.1989


[mit der Anlage: Abschrift eines Fernschreibens des Chefs des Stabes der Westgruppe der Streitkräfte der UdSSR, W. Fursin, an Generaloberst Fritz Streletz, 12.11.1989]

Abschrift

MINISTERRAT
DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
MINISTERIUM FÜR NATIONALE VERTEIDIGUNG
Der Minister

Berlin, den 13. 11. 1989
Tgb.-Nr.: A-278 /89

Generalsekretär des Zentralkomitees der
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und
Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates
der Deutschen Demokratischen Republi
Genossen Egon K r e n z

Werter Genosse K r e n z !

Als Anlage beigefügt gestatte ich mir, Dir ein Schreiben des Chefs des Stabes der Westgruppe der Streitkräfte der UdSSR, Genossen Generalleutnant F u r s i n , zu übersenden, der sich entsprechend unserer Bitte an die bei der Westgruppe der Streitkräfte der UdSSR akkreditierten Militärverbindungsmissionen gewandt hat. Aus dem Schreiben ist ersichtlich, daß
  • die Westalliierten Verständnis für die Entscheidung der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik bezüglich der veränderten Regelungen des grenzüberschreitenden Verkehrs von Bürgern der DDR nach der BRD und BERLIN (West) zeigen und
  • erforderliche Maßnahmen für Sicherheit und Ordnung unterstützen.
Wir werden auch weiterhin mit dem Oberkommandierenden der Westgruppe der Streitkräfte der UdSSR, Genossen Armeegeneral S n e t k o w , ein enges Zusammenwirken, insbesondere in dieser komplizierten Periode, gewährleisten.

Ich bitte um Kenntnisnahme.

Mit sozialistischem Gruß
H. Keßler
Armeegeneral

Anlage


Abschrift eines Fernschreibens
des Chefs des Stabes der Westgruppe der Streitkräfte der UdSSR



Stellvertreter des Ministers
für Nationale Verteidigung der DDR
und Chef des Hauptstabes
der Nationalen Volksarmee
Genossen Generaloberst Fritz S t r e l e t z
BERLIN

Werter Genosse Generaloberst!

Ich teile Ihnen mit, daß entsprechend einer Bitte des Ministers für Nationale Verteidigung der DDR, Armeegeneral Heinz K e ß l e r , der Stab der Westgruppe über die beim Oberkommandierenden der Westgruppe der Streitkräfte akkreditierten ausländischen Militärverbindungsmissionen
  • das Oberkommando der USA-Landstreitkräfte Europa sowie
  • die Oberkommandos der britischen und französischen Streitkräfte in Deutschland
aufgerufen hat, sich aus den Ereignissen herauszuhalten, die mit der Entscheidung der Regierung der DDR für eine veränderte Regelung des grenzüberschreitenden Verkehrs von Bürgern der DDR nach der BRD und BERLIN (West) im Zusammenhang stehen, und diese als Akt eines souveränen Staates zu betrachten.

Eine diesbezügliche Erklärung des Stabes der Westgruppe ist den Chefs der Missionen am Sonntag, dem 12. 11. 1989, um 09.15 Uhr fernmündlich mitgeteilt worden.
Die Missionschefs haben die unverzügliche Weiterleitung dieser mündlichen Erklärung an ihre Stäbe bestätigt.

Um 13.30 Uhr wurden die Chefs der akkreditierten ausländischen Militärverbindungsmissionen nach POTSDAM in die Abteilung Internationale Verbindungen des Stabes der Westgruppe der Streitkräfte der UdSSR gerufen, wo ihnen die Erklärung des Oberkommandos der Westgruppe zu den Ereignissen an der Grenze der DDR zur BRD und zu BERLIN (West) überreicht wurde.

Darin äußert das Oberkommando der Westgruppe der Streitkräfte der UdSSR den Wunsch, daß die Oberkommandos
  • der britischen Streitkräfte in Deutschland,
  • der USA-Landstreitkräfte Europa und
  • der französischen Streitkräfte in Deutschland
die von der DDR-Regierung getroffenen Maßnahmen verständnisvoll als Akt eines souveränen Staates betrachten mögen,
  • sich jeglicher Einmischung in diese Ereignisse enthalten und
  • die erforderlichen Schritte unternehmen werden zur Wahrung der öffentlichen Ordnung in ihren Zuständigkeitsbereichen,
  • um etwaigen Störungen der Ordnung und Mißverständnissen vorzubeugen, die die Situation in der DDR ebenso wie in der BRD und BERLIN (West) komplizieren könnten.
Im Auftrage des Oberkommandos der britischen Streitkräfte in Deutschland erklärte der Chef der britischen Mission, daß alle Fragen des Aufenthaltes von DDR-Bürgern in BERLIN (West) und in der BRD ausschließlich von Zivilbehörden behandelt werden.
Die britischen Armeeangehörigen seien angewiesen, sich aus den Ereignissen völlig herauszuhalten.

Der Chef der US-amerikanischen Mission erklärte im Namen seines Oberkommandos, daß die USA-Truppen ihrer normalen Arbeit nachgingen, während Vertreter des Oberkommandos der USA mit Amtspersonen in BERLIN (West) und in der BRD zusammenwirken, um jene bei der Lösung auftretender Fragen erforderlichenfalls zu unterstützen.

Gleichzeitig gab er zu verstehen, daß das USA-Oberkommando Einwände erheben würde, falls Armeeangehörige der NVA der DDR BERLIN (West) besuchen sollten.

Der Chef der französischen Mission erklärte, daß er die Haltung des USA-Oberkommandos voll und ganz unterstütze.

Am Ende der Zusammenkunft wurde den Chefs der akkreditierten ausländischen Militärverbindungsmissionen erklärt, daß ungeachtet des veränderten Grenzübergangsregimes an der DDR-Grenze zu BERLIN (West) es den Mitgliedern der akkreditierten ausländischen Militärverbindungsmissionen nach wie vor nur erlaubt sei, die militärische Fahrbahn an der Grenzübergangsstelle „Glienicker Brücke" zu benutzen.

Mit kommunistischem Gruß

12. 11. 1989 W. Fursin
Generalleutnant

Quelle: BA-Militärarchiv Freiburg, Strausberg AZN 32666, Bl. 240-43.
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