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Schreiben der Stadtkommandanten der drei Alliierten Mächte an den Regierenden Bürgermeister Walter Momper, 2. Oktober 1990

Schreiben der Stadtkommandanten der drei Alliierten Mächte an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Walter Momper, 2. Oktober 1990

Abschrift

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister!

Heute begehen die Berliner mit den Vertretern des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten und Frankreichs in Berlin das Ende einer Ära in der Geschichte dieser großen Stadt und feiern um Mitternacht den Beginn einer neuen. Wir gratulieren Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, und den Bürgern Berlins hierzu.

Heute blicken wir zurück auf den langen und schwierigen Weg, der zur Wiederherstellung der Einheit der Stadt geführt hat. Wir grüßen die vielen tausend Männer und Frauen der Alliierten, die in Berlin professionell und mit Hingabe gedient haben. Damit haben die alliierten Boden- und Luftstreitkräfte im Zusammenwirken mit den Zivilisten dazu beigetragen, den Grundstein für diesen glücklichen Tag zu legen. Sie haben gemeinsam und in Partnerschaft mit den Berlinern die Stadt durch schwere Zeiten gebracht. Einige gaben ihr Leben. Wir werden sie nie vergessen.

Die Verpflichtung unserer drei Länder gegenüber Berlin beruhte auf der Überzeugung, daß Freiheit, Demokratie und das Recht auf Selbstbestimmung gewahrt werden müssen, wo immer und wann immer sie bedroht werden und um jeden Preis. Diese Werte wurden im Laufe der Jahre in Berlin immer wieder in Frage gestellt. Die Alliierten und die Berliner waren jedoch entschlossen, sie nicht preiszugeben oder untergraben zu lassen. Heute möchten wir insbesondere den Berlinern Anerkennung zollen. Sie haben bemerkenswerte Tapferkeit, Tatkraft und einen unerschütterlichen Sinn für Humor bewiesen, Eigenschaften, die sie sogar während der Belastungen der Blockade und im Schatten der unbarmherzigen Berliner Mauer bei gutem Mut hielten. Die Entschlossenheit und Ausdrucksstärke der führenden Politiker Berlins zogen die Aufmerksamkeit der Bürger unserer Länder auf Berlin. Die Worte Ernst Reuters: „Ihr Völker der Welt schaut auf diese Stadt“ bleiben unvergänglich. Heute blickt die Welt auf Berlin und sieht den Triumph der Freiheit und des Geistes.

Es ist die Verschmelzung des alliierten Engagements mit der Willensstärke der Berliner, die - zusammen mit der lebensnotwendigen und großzügigen Unterstützung sowie der Entschlossenheit der Bundesrepublik Deutschland - das Fundament für die Erfüllung unserer Hoffnungen gelegt hat. Daß wir daran beteiligt sein konnten, ist für uns alle auf alliierter Seite eine einzigartige und uns tief erfüllende Erfahrung.

Die Bundesregierung hat darum gebeten, daß die Streitkräfte der Westalliierten für einen begrenzten Zeitraum in Berlin stationiert bleiben. Unsere drei Regierungen haben darin eingewilligt. Die Präsenz dieser Truppen auf dieser neuen Grundlage wird unsere fortdauernde Solidarität mit der Bundesrepublik Deutschland und vor allem mit Berlin und seinen Bürgern bezeugen.

Blickt man in die fernere Zukunft, so sind wir überzeugt, daß unsere drei Länder weiterhin eine starke Bindung an Berlin haben werden. Hierin spiegelt sich die Vielfalt der institutionellen und persönlichen Beziehungen zwischen unseren Völkern und den Berlinern wider, die in all diesen Jahren gewachsen sind und weiter gedeihen. Heute um Mitternacht ist die Aufgabe der Stadtkommandanten erfüllt. Wir drei Stadtkommandanten werden Berlin in Kürze verlassen und dabei Genugtuung empfinden, daß unsere gemeinschaftlichen Bestrebungen zum Erfolg geführt haben. Das Berlin, das wir zurücklassen, wird vereint und frei sein.

Heute nacht werden wir an der Freude aller Berliner und ganz Deutschlands teilhaben, und wir wünschen dieser außergewöhnlichen Stadt und ihren Bürgern für die Zukunft jeden erdenklichen Erfolg.

Quelle: Der Tagesspiegel, 3.10.1990, dok. in: Texte zur Deutschlandpolitik Reihe III/Band 8b – 1990, hrsg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, Bonn 1991, S. 703-704.
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