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„Ruhiges Wohnen nach Umzug", Neues Deutschland, 27. September 1961

„Ruhiges Wohnen nach Umzug", Neues Deutschland, 27. September 1961

Ruhiges Wohnen nach Umzug


Provokationen machten das Leben an Staatsgrenze unmöglich



Berlin (ND). 140 Familien sind am vergangenen Sonntag aus der Bernauer Straße umgezogen. Die ständigen Provokationen aufgewiegelter Rowdys und bestellter Kameramänner unter dem Schutz gezogener Pistolen der Frontstadtpolizei hatten ihnen das Wohnen an dieser Stelle unserer Staatsgrenze unmöglich gemacht.

Sämtliche Familien haben in anderen Wohngegenden Berlins zumindest gleichwertige oder noch bessere Wohnungen erhalten.

Frau Helga Franke aus der Bernauer Straße fand in der Zionskirchstraße 3 eine renovierte Wohnung. Sie erklärte: „Ich habe mit meinem Mann und meinen beiden Kindern eine schöne Wohnung bekommen, was wollen wir mehr?"

Die Familie Herbert Seibelt bezog in der Scharnhorststraße 34 ebenfalls eine renovierte Wohnung mit bunten Decken, hübschen Tapeten, frisch gestrichenen Fenstern und Türen. „ich habe gestaunt, besser hätten Spediteure eines Speditionsgeschäftes auch nicht arbeiten können", urteilte Herr Seibelt über die Umzugshelfer. Um 13 Uhr war das gesamte Mobiliar ohne jeglichen Schaden in der neuen Wohnung.

Die Familien Franke und Seibelt zählen laut Frontstadtpresse zu den „2000 Deportierten" und „opfern", die angeblich in Auffanglagern untergebracht sind und von denen niemand weiß, wann und wo sie eine neue Wohnung bekommen.

Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Frankes, Seibelts und alle übrigen atmen auf, weil sie in ihren neuen Wohnungen die Frontstadtatmosphäre weit hinter sich wissen.

Durch den Umzug dieser Familien aus der Bernauer Straße wurde dem Frontstadtmob die Möglichkeit genommen, Gesundheit und Leben der Einwohner weiterhin zu gefährden.

Quelle: Neues Deutschland, 27.9.1961.
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