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„Konstruktives, freimütiges Gespräch beim Vorsitzenden des Staatsrates", Neues Deutschland, 7. März 1978

„Konstruktives, freimütiges Gespräch beim Vorsitzenden des Staatsrates", Neues Deutschland, 7. März 1978

Erich Honecker empfing den Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR unter Leitung seines Vorsitzenden, Bischof D. Dr. Albrecht Schönherr / Beziehungen der Kirchen zum Staat von Sachlichkeit, Vertrauen und Freimütigkeit geprägt / Gemeinsames Engagement für die humanitäre Sache der Erhaltung und Sicherung des Friedens

Berlin (ADN). Der Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vorsitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik, Erich Honecker, empfing am 6. März 1978 den Vorstand der Konferenz der evangelischen Kirchenleitungen in der Deutschen Demokratischen Republik unter Leitung seines Vorsitzenden, Bischof D. Dr. Albrecht Schönherr, zu einem Antrittsbesuch. An der Begegnung im Amtssitz des Staatsrates nahmen weiter die Mitglieder des Vorstandes Bischof Dr. Dr. Werner Krusche, Präsident Kurt Domsch, Frau Christina Schultheiss und Präses Siegfried Wahrmann teil. Ferner war der Leiter des Sekretariats des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, Oberkonsistorialrat Manfred Stolpe, anwesend.

In einem konstruktiven und freimütigen Gespräch erörterten der Vorsitzende des Staatsrates und die leitenden Persönlichkeiten der evangelischen Kirchen gemeinsam interessierende Fragen.



Erich Honecker erläuterte die auf Frieden, Sicherheit und Entspannung gerichtete Politik der DDR. Dementsprechend sei die DDR bestrebt, in brüderlicher Verbundenheit mit der Sowjetunion und den anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft konstruktiv zur Lösung der internationalen Probleme beizutragen. Besondere Bedeutung messe sie der Verwirklichung der Schlußakte von Helsinki als Ganzes bei.

Erich Honecker würdigte das Friedensengagement, zu dem sich die Kirchen gemäß den christlichen Maximen der Achtung vor dem Leben und des Dienstes am Nächsten gerufen wissen. Ihr Eintreten für die Erhaltung des Friedens, für Entspannung und Völkerverständigung könne man nur mit Befriedigung aufnehmen. Insbesondere sei die große Bedeutung des Beitrages der Kirchen zur Beendigung des Wettrüstens, zum Verbot der Massenvernichtungsmittel, vor allem der Neutronenwaffe, zu unterstreichen. „Für uns und gewiß auch für Sie ist es beunruhigend", sagte Vorsitzende des Staatsrates, „daß trotz der Fortschritte in der Entspannung das Wettrüsten von imperialistischer Seite ständig forciert wird.

Darum halten wir die bevorstehende Sondertagung der UNO über die Abrüstung für sehr wichtig. Wir denken, daß auch die Kirchen hier ein Feld weiterer aktiver Mitwirkung sehen. Der Ruf der ganzen friedliebenden Menschheit geht nicht nach neuen Waffen, sondern nach Beendigung des Wettrüstens und nach Abrüstung."

Der Vorsitzende des Staatsrates brachte seine Wertschätzung für die humanitäre Hilfe der Kirchen in der DDR an notleidende und um ihre Befreiung kämpfende Völker zum Ausdruck. Dadurch werde dem edlen Anliegen ein Dienst geleistet, Rassismus und Neokolonialismus aus dem Leben der Menschheit zu verbannen. Tatkräftig unterstütze die DDR den Kampf der Völker für Freiheit, Unabhängigkeit und Fortschritt, für den Aufbau ihres neuen Lebens.

Innenpolitisch verfolge die DDR unbeirrbar den Kurs des Wachstums, des Wohlstands und der Stabilität weiter. Vorrangiges Bestreben sei es, daß die Menschen unseres Landes in Frieden leben können und ihnen die Früchte ihres Fleißes sowohl in materieller als auch in kultureller Hinsicht zugute kommen. „Den Kirchen als Kirchen Im Sozialismus", so betonte Erich Honecker, „öffnen sich heute und künftig viele Möglichkeiten des Mitwirkens an diesen zutiefst humanistischen Zielen. Wir gehen von der Beteiligung aller Bürger am Werk des Sozialismus aus, das im gesellschaftlichen wie im individuellen Interesse liegt."

Dafür seien die Wertschätzung und großzügige Unterstützung der diakonischen Arbeit der Kirchen durch unsere staatlichen Organe ein deutlicher Ausdruck. Die Arbeit, die in kirchlichen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens geleistet werde, diene gesamtgesellschaftlichen Interessen. Sinnvoll füge sie sich in das Grundanliegen des Sozialismus ein, alles für das Wohl Menschen zu tun. Auch weiterhin werde diese Tätigkeit materiell und durch die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte unterstützt.

An seine Erklärung am 29. Oktober 1976 vor der Volkskammer erinnernd, erklärte der Vorsitzende des Staatsrates, daß unsere sozialistische Gesellschaft jeden Bürger, unabhängig von Alter und Geschlecht, Weltanschauung und religiösem Bekenntnis Sicherheit und Geborgenheit bietet. Sie gibt ihm eine klare Perspektive und die Möglichkeit, an der Zukunft mitzubauen, seine Fähigkeiten und Talente, seine Persönlichkeit voll zu entfalten. Wie Erich Honecker betonte, stellen die Gleichberechtigung und Gleichachtung aller Bürger, ihre uneingeschränkte Einbeziehung in die Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft eine Norm dar, welche die zwischenmenschlichen Beziehungen prägt und für alle verbindlich ist. Dementsprechend stehe in der DDR Jedem Bürger, gerade auch jedem Jugendlichen, der Weg zu hoher Bildung, beruflicher Ausbildung und Entwicklung offen.

Der Vorsitzende des Staatrates erklärte zur Situation der Kirchen und der Christen in der DDR, daß die Freiheit der Religionsausübung bei klarer Trennung von Staat und Kirche verfassungsmäßig garantiert und In der Praxis gesichert ist. „Wir bringen hier sehr viel Verständnis auf, und daran halten wir fest."

Die weltweite Anerkennung der DDR habe den Kirchen unseres Landes eine gleichberechtigte aktive Mitarbeit in der Ökumene ermöglicht. Wohl zu schätzen wisse unser Staat die ökumenische Tätigkeit der Kirchen der DDR für Frieden, Entspannung und Völkerverständigung.

Bischof Schönherr führte namens der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR aus, „es gehe beiden Seiten, je von Ihren Voraussetzungen aus um die Verantwortung für die gleiche Welt und für den gleichen Menschen. Und dieser Mensch ist nun einmal immer zugleich Staatsbürger und Träger einer Grundüberzeugung. Weil man den Menschen nicht zerteilen kann, sind solche Begegnungen aller Art nicht nur nützlich, sondern lebensnotwendig. Und Ich darf betonen, daß der Christ seine Existenz als Staatsbürger nicht nur so versteht, daß er die bestehenden Gesetze rein formal beachtet, sondern daß er sich von seinem Glauben her mitverantwortlich sowohl für das Ganze als auch für den Einzelnen und für dessen Verhältnis zum Ganzen weiß."

Bischof Schönherr bezeichnete die Kirche im Sozialismus als Kirche, die dem christlichen Bürger und der einzelnen Gemeinde hilft, daß sie einen Weg in der sozialistischen Gesellschaft in der Freiheit und Bindung des Glaubens finden und bemüht sind, das Beste für alle und für das Ganze zu suchen. Kirche im Sozialismus wäre eine Kirche, die auch als solche, in derselben Freiheit des Glaubens, bereit ist, dort, wo in unserer Gesellschaft menschliches Leben erhalten und gebessert wird, mit vollem Einsatz mitzutun und dort, wo es nötig ist. Gefahr für menschliches Leben abzuwenden zu helfen.

„Menschliches Leben zu erhalten - Gefahren für menschliches Leben abzuwenden: Darum geht es vor allem bei dem Hauptthema unserer Zelt: Erhaltung und Sicherung des Friedens, Abrüstung, Bereitstellung der damit freiwerdenden Potenzen für den Aufbau einer glücklicheren, reicheren, freundlicheren Welt. Dies Ziel wird nur zu erreichen sein, wenn der mühsame Weg der Entspannung mit Geduld und Zielstrebigkeit weiter verfolgt wird, der in Helsinki So verheißungsvoll begonnen hat. Der Ökumenische Rat der Kirchen hat Helsinki ein 'Zeichen der Hoffnung' genannt. Es ist bekannt, daß die Kirchen in der DDR sich von Anfang an der Verwirklichung dieses hohen Zieles gewidmet haben. Sie hoffen mit aller Kraft, daß die hohen Ziele, vor allem Sicherheit und Gewährung der Menschenrechte als Teil der Friedenssicherung sich über Belgrad hinaus schrittweise verwirklichen."

Abschließend äußerte er den aufrichtigen Wunsch, daß durch die Begegnungen und Gespräche zwischen Vertretern des Staates und der Kirche jenes Vertrauen wachsen kann, das die Redlichkeit des anderen nicht In Frage stellt, sondern voraussetzt. Dieses Vertrauen werde sich um so mehr durchsetzen, je mehr die entsprechenden Erfahrungen auf allen Ebenen gemacht werden. „Offenheit und Durchsichtigkeit sind das Barometer des Vertrauens. Das Verhältnis von Staat und Kirche ist so gut, wie es der einzelne christliche Bürger in seiner gesellschaftlichen Situation vor Ort erfährt."

Im Verlaufe des Gesprächs wurden verschiedene Sachfragen erörtert bzw. einer Lösung zugeführt. So unter anderem über kirchliche Sendungen im Rundfunk und Fernsehen, zu Fragen der Seelsorge in Strafvollzugsanstalten und zur Altersversorgung für auf Lebenszeit angestellte kirchliche Mitarbeiter. Kirchlichen Aktivitäten zum Luther-Jubiläumsjahr 1983 wurde Unterstützung staatlicherseits zugesichert.

Abschließend konnten beide Seilen mit Befriedigung feststellen, daß die Beziehungen der Kirchen zum Staat in den letzten Jahren zunehmend von Sachlichkeit, Vertrauen und Freimütigkeit geprägt werden.

Am Gespräch des Generalsekretärs des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vorsitzenden des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik, Erich Honecker, mit dem Vorstand der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen in der Deutschen Demokratischen Republik nahmen ferner teil: Paul Verner, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK, Heinz Eichler, Sekretär des Staatsrates der DDR, Rudi Bellmann, Leiter der Arbeitsgruppe Kirchenfragen des ZK, und Hermann Kalb, Stellvertreter des Staatssekretärs für Kirchenfragen.

Quelle: Neues Deutschland, 7.3.1978.
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