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Erklärung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, 2. Mai 1990

Erklärung der Regierung der Bundesrepublik Deutschen Demokratischen Republik, 2. Mai 1990

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin Nr. 50, 3.5.1990



Einigung über die Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion


Erklärung von Bundesminister Seiters in Bonn

Der Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Rudolf Seiters, gab am 2. Mai 1990 vor der Bundespressekonferenz in Bonn folgende Erklärung ab:

Die Regierungen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland haben heute morgen Einigung erzielt über einen wichtigen Kernbereich des von uns angestrebten Staatsvertrags zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, nämlich über die entscheidenden Punkte der Währungsumstellung, die zum 1. Juli 1990 erfolgen soll.

Wir haben, wie Sie wissen, am 23. April unser Angebot unterbreitet. Wir haben auch in der Debatte des Deutschen Bundestages am vergangenen Freitag angekündigt, daß wir eine Einigung über die wesentlichen Punkte der Währungsumstellung bis Anfang Mai erreichen wollten.

Diese Ankündigung halten wir ein. Die Koalitionsrunde hat sich gestern abend in Bonn mit den Vorschlägen der Expertengespräche befaßt, heute morgen hat das Kabinett der DDR getagt.

Ich habe gemeinsam mit Herrn Dr. Tietmeyer die Ergebnisse der Verständigung vorzutragen.

Ich will noch einmal herausstellen: Was die DDR und die Bundesrepublik Deutschland jetzt vereinbaren, ist getragen von der Verantwortung gegenüber der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in beiden Teilen Deutschlands und der Stabilität der D-Mark. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung, und wir stimmen in der Zielsetzung überein, das will ich nachdrücklich unterstreichen: schnelle Einführung der Sozialen Marktwirtschaft - das ist die Voraussetzung, daß sich die Lebens- und Beschäftigungsbedingungen der Menschen in der DDR verbessern -, Stabilität der D-Mark, Solidität der Staatsfinanzen und soziale Ausgewogenheit.

Wir haben immer davon gesprochen, daß wir eine Regelung anstreben, die für beide Seiten akzeptabel ist unter wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten. Und daher ist auch diese schnelle Einigung über die Punkte der Währungsumstellung sehr wichtig, damit die Menschen spüren, daß wir unsere Ankündigungen wahrmachen und das wir unser Wort halten. Denn gegenseitiges Vertrauen ist ein entscheidender Faktor auch für die weiteren Schritte auf dem Wege zur deutschen Einheit.

Wir sind überzeugt davon, daß die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion - bei allen Schwierigkeiten, die ohne jede Frage damit verbunden sind, bei einem gigantischen Unternehmen, was die Umstellung einer über 40 Jahre gewachsenen planwirtschaftlichen sozialistischen Zentralwirtschaft zu einer Sozialen Marktwirtschaft innerhalb von wenigen Wochen und Monaten bedeutet - große Chancen eröffnet für die Menschen in beiden Teilen Deutschlands.

In der Erklärung der beiden Regierungen heißt es, daß sie beabsichtigen, in Wahrnehmung der gemeinsamen Aufgabe der beiden deutschen Staaten und auf dem Weg zur deutschen Einheit, den Staatsvertrag zu schließen, der am 1. Juli in Kraft treten soll.

Erklärung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland beabsichtigen in Wahrnehmung der gemeinsamen Aufgabe der beiden deutschen Staaten und auf dem Weg zur deutschen Einheit, einen Staatsvertrag zur Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zu schließen. Dieser Vertrag soll am 1. Juli 1990 in Kraft treten.

Teil dieses Vertrages ist die Umstellung der Mark der DDR auf D-Mark. Über die wesentlichen Punkte dieser Währungsumstellung haben beide Seiten Einigkeit erzielt.

Sie haben sich dabei von der gemeinsamen Zielsetzung leiten lassen, die Lebens- und Beschäftigungsbedingungen der Menschen zu verbessern. Dies setzt voraus, daß
  • die Stabilität der D-Mark und die Solidität der Staatsfinanzen gewährleistet bleiben, sowie
  • die Wirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik durch Einführung der Sozialen Marktwirtschaft rasch wettbewerbsfähig gemacht und modernisiert werden kann.
  1. Es ist vorgesehen, die Währungsumstellung nach Inkrafttreten des Staatsvertrages zum 2. Juli 1990 vorzunehmen.

  2. Löhne, Gehälter, Stipendien, Mieten, Pachten und Renten sowie andere wiederkehrende Versorgungszahlungen (z. B. Unterhaltszahlungen) werden im Verhältnis 1 : 1 umgestellt. Bei Löhnen und Gehältern werden die Bruttobeträge vom 1. Mai 1990 zugrunde gelegt.

  3. Das Rentensystem in der DDR wird dem Rentensystem in der Bundesrepublik Deutschland angepaßt. Das bedeutet, daß die meisten Renten in D-Mark höher liegen werden als heute in Mark der DDR. Sofern sich in Einzelfällen ein niedrigerer Betrag gegenüber der bisherigen Rente in Mark der DDR ergibt, wird sichergestellt, daß der bisherige Rentenbetrag in D-Mark gezahlt wird.

  4. Durch in der Deutschen Demokratischen Republik zu schaffende rechtliche Regelungen werden sich insbesondere für Bezieher niedriger Renten und für Studenten ergebende soziale Härten ausgeglichen. Die DDR wird dies im Rahmen ihrer finanziellen Eigenverantwortung und unter Beachtung ihrer gesamten Finanzlage regeln.

  5. Sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten werden grundsätzlich im Verhältnis 2:1 umgestellt.

  6. Personen mit ständigem Wohnsitz In der Deutschen Demokratischen Republik können im Verhältnis 1 :1 folgende Beträge pro Kopf (Bargeld und Bankguthaben) tauschen:
    • Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr - 2 000 Mark
    • Personen im Alter von 15 bis zum vollendeten 59. Lebensjahr - 4 000 Mark
    • Personen ab dem 60. Lebensjahr - 6 000 Mark
    Darüber hinausgehende Betrage werden 2 : 1 umgestellt, vorbehaltlich Ziffer 9.

    Nach einer Bestandsaufnahme des volkseigenen Vermögens und seiner Ertragsfähigkeit sowie nach seiner vorrangigen Nutzung für die Strukturanpassung der volkseigenen Unternehmen und für die Sanierung des Staatshaushalts wird die Deutsche Demokratische Republik nach Möglichkeit vorsehen, daß den Sparern zu einem späteren Zeitpunkt für den bei der Umstellung 2 : 1 reduzierten Betrag ein verbrieftes Anteilsrecht am volkseigenen Vermögen eingeräumt werden kann.

  7. Guthaben von natürlichen oder juristischen Personen oder Stellen, deren ständiger Wohnsitz oder Sitz sich außerhalb der Deutschen Demokratischen Republik befinden, werden 3 : 1 umgestellt, soweit die Guthaben nach dem 31. Dezember 1989 entstanden sind.

  8. Der Umtausch ist nur möglich über Konten bei Geldinstituten in der Deutschen Demokratischen Republik, auf die auch die umzustellenden Bargeldbeträge einzuzahlen sind.

  9. Es werden geeignete Vorkehrungen getroffen, um Umgehungen und Mißbrauche zu unterbinden, z. B. durch die Festlegung von Stichtagen.

  10. Der seit dem 1. Januar 1990 geltende Umtauschkurs von D-Mark in Mark der DDR von 1 : 3 beträgt ab sofort 1 : 2.

  11. Die Bedingungen der Währungsumstellung sind vereinbart. In den folgenden Gesprächen werden weitere Einzelheiten des beabsichtigten Staatsvertrages geklärt.

  12. Verpflichtungen der DDR gegenüber anderen Staaten genießen Vertrauensschutz.


Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 50, 3.5.1990
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