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Abkommen zwischen der Regierung der BRD und der Regierung der UdSSR über einige überleitende Maßnahmen, 9. Oktober 1990

Abkommen zwischen der Regierung der BRD und der Regierung der UdSSR über einige überleitende Maßnahmen, 9. Oktober 1990

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin Nr. 123, 17.10.1990, S.1281-1294.



Abkommen


zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland
und der Regierung
der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
über einige überleitende Maßnahmen



Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland und die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken -

IM HINBLICK auf die Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands,

UNTER BEZUGNAHME auf den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs sowjetischer Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland,

BEZUGNEHMEND auf den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Entwicklung einer umfassenden Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik,

DAVON AUSGEHEND, daß die beiderseits anerkannten Prinzipien des Vertrauensschutzes für die zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken geschlossenen Vereinbarungen wichtiges Element für die Fortentwicklung der Zusammenarbeit unter Anpassung an marktwirtschaftliche Bedingungen sind,

IN DEM VERSTÄNDNIS, daß dieses Abkommen einen weiteren konkreten Beitrag im Rahmen der internationalen Bemühungen zur Entwicklung der Zusammenarbeit in Europa leistet, der sich im Einklang mit den positiven europäischen Prozessen befindet -

SIND wie folgt ÜBEREINGEKOMMEN:

Artikel 1



(1) Die Vertragsparteien stimmen darin überein, daß die sowjetische Seite auf der Grundlage der entsprechenden Verträge mit der Bundesrepublik Deutschland die Kosten und Aufwendungen trägt, die mit dem befristeten Aufenthalt der sowjetischen Truppen, ihrer Mitglieder und deren Familienangehörigen
  • im Gebiet der Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nach dem Stand vom 3. Oktober 1990
  • und dem im Sinne dieses Abkommens gleichgestellten Gebiet der folgenden Stadtbezirke des Bundeslandes Berlin: Mitte. Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Treptow, Köpenick, Lichtenberg, Weißensee, Pankow, Marzahn, Hohenschönhausen, Hellersdorf nach dem Stand vom 3. Oktober 1990,
im folgenden „Aufenthaltsgebiet" genannt, verbunden sind.

(2) Die Vertragsparteien sind übereingekommen, im Zusammenhang mit der Einführung der Deutschen Mark als gesetzlichem Zahlungsmittel in dem Aufenthaltsgebiet der sowjetischen Truppen einen besonderen DM-Überleitungsfonds für die Jahre 1991 bis 1994 einzurichten. Dieser Fonds dient der Bezahlung von Ausgaben für den Unterhalt und Abzug der sowjetischen Truppen, die sich befristet im Aufenthaltsgebiet befinden.

Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland wird für diesen Fonds im Hinblick auf den Abzug der sowjetischen Truppen, der etappenweise spätestens bis zum Ende des Jahres 1994 beendet wird, in dem Zeitraum 1991 bis 1994 einen Gesamtbetrag von 3000 Millionen Deutsche Mark zur Verfügung stellen.

Im Jahre 1991 wird von diesem Gesamtbetrag ein Teilbetrag von 1200 Millionen Deutsche Mark bereitgestellt. Der verbleibende Rest des Gesamtbetrages wird auf die Jahre 1992 bis 1994 verteilt. Die Jahresbeträge 1992 bis 1994 werden jeweils im vierten Quartal des vorhergehenden Kalenderjahres von der sowjetischen Seite beantragt.

Die Höhe der monatlich auszuzahlenden Beträge vom Gesamtbetrag eines Kalenderjahrs wird zwischen den zuständigen Stellen der Vertragsparteien vereinbart.

(3) Zur Deckung der Aufwendungen in Deutscher Mark, die die sowjetische Seite im Zusammenhang mit dem Unterhalt ihrer Truppen selbst trägt, gewährt die deutsche Seite in zwei Tranchen einen zinslosen Finanzkredit in Höhe von insgesamt 3000 Millionen Deutsche Mark. Die erste Tranche in Höhe von 2000 Millionen Deutsche Mark wird im Oktober 1990, die zweite Tranche in Höhe von 1000 Millionen Deutsche Mark am 1.10. 1991 der sowjetischen Seite zur Verfügung gestellt. Die Tilgung der jeweiligen Kredittranche wird nach Ablauf von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme in Höhe des entsprechenden Betrags erfolgen. Das Verfahren für die Gewährung und Tilgung des Kredits wird in einem gesonderten Kreditvertrag geregelt.

4) Der DM-Überleitungsfonds wird von einer von der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken eingesetzten Stelle verwaltet.

Artikel 2



(1) Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland stellt für den etappenweise erfolgenden Abzug der sowjetischen Truppen aus dem Aufenthaltsgebiet 1000 Millionen Deutsche Mark zur Deckung von Transportkosten zur Verfügung. Sie leistet bei Bedarf im Rahmen dieser Summe technische Hilfe durch Bereitstellung von Schienentransportkapazitäten und -leistungen zu den für die deutschen Streitkräfte geltenden Konditionen für den endgültigen Abzug der sowjetischen Truppen und ihres Vermögens bis zur sowjetischen Grenze oder deutschen Seehäfen, einschließlich Umschlagkosten und Hafengebühren, entsprechend Anlage 1 Ziffer VI des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

(2) Die Festlegung der Jahresbeträge und die Auszahlung der monatlichen Beträge vom Gesamtbetrag eines jeden Kalenderjahres wird zwischen den zuständigen Stellen der Vertragsparteien vereinbart.

Artikel 3



(1) Die deutsche Seite gewährt der sowjetischen Seite mit dem Ziel der partiellen Erstattung der Kosten, die der sowjetischen Seite bei und nach Abzug der sowjetischen Truppen aus dem Aufenthaltsgebiet entstehen, Unterstützung bei der Durchführung eines besonderen Zivilwohnungsbauprogramms im europäischen Teil der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken für die abziehenden sowjetischen Truppen, das von sowjetischer Seite für die Jahre 1991 bis 1994 mit dem Ziel der Errichtung von vier Millionen Quadratmeter Wohnfläche projektiert ist.

(2) Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland stellt für die Finanzierung dieses Programms in den Jahren 1991 bis 1994 insgesamt 7800 Millionen Deutsche Mark zur Verfügung. Diese Mittel sind ausschließlich zweckgebunden für Wohnungsbauprojekte im europäischen Teil der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in Form der Erweiterung von Städten und stadtähnlichen Siedlungen sowie für die Errichtung von vier Hausbaukombinaten in den Jahren 1991/92 mit einer Jahreskapazität von je 100 000 Quadratmeter Wohnfläche einzusetzen.

Das Verfahren der Einzahlung der von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland bereitgestellten Mittel und das Verfahren ihrer Inanspruchnahme wird von den Vertragsparteien in einem gesonderten Protokoll so geregelt, daß das vorstehend angeführte Programm in dem genannten Zeitraum erfüllt werden kann.

(3) Im Rahmen des von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland bereitgestellten Finanzvolumens und von Eigenbeiträgen der sowjetischen Seite können verschiedene Varianten des schlüsselfertigen Wohnungsbaus, der Errichtung und Modernisierung von Fertigungskapazitäten für Häuser und Baustoffe und der Lieferung von Baumaschinen, Vorrichtungen und Baustoffen durchgeführt werden. Ziel des Programms ist es, eine möglichst hohe Anzahl von Wohnungen durch kostengünstige Gestaltung zu bauen, indem insbesondere eine Anbindung an bereits vorhandene Infrastrukturen erfolgt und alle örtlichen Zulieferungs- sowie Fertigungsmöglichkeiten genutzt werden.

(4) Die sowjetische Seite gewährleistet die rechtzeitige Durchführung des Programms, einschließlich jedweder zuverlässiger Planung und der Beibringung der erforderlichen Genehmigungen. Sie bestimmt die sowjetische Organisation, die als Auftraggeber auftreten wird.

(5) Es wird ein gemeinsamer Lenkungsausschuß errichtet, der auf Ebene der zuständigen Minister mindestens alle sechs Monate einmal zusammentrifft. Der Ausschuß und die ihm angehörenden Minister persönlich haben die Aufgabe, den Fortschritt und den erfolgreichen Abschluß des Programms unter Berücksichtigung der Zielsetzung dieses Abkommens zu fördern.

Artikel 4



(1) Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland wird die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken im Rahmen ihrer Möglichkeiten bei der Verwirklichung von Maßnahmen der Ausbildung und Umschulung der in die Reserve entlassenen Mitglieder der aus dem Aufenthaltsgebiet in die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken abziehenden sowjetischen Truppen sowie ihrer zurückkehrenden Ehegatten und Kinder zur Integration in das Arbeitsleben unterstützen.

(2) Diese Unterstützung soll an bestehende Programme und Projekte der Zusammenarbeit, in erster Linie an das vorgesehene Wohnungsbauprogramm, anknüpfen. Die Maßnahmen sollen die Einführung und Entwicklung der Marktwirtschaft und des Unternehmertums fördern, insbesondere in prioritären Bereichen der Volkswirtschaft.

(3) Alle Programme und Projekte für die Ausbildung und Umschulung werden soweit wie möglich auf der Grundlage vorhandener, nötigenfalls in neuen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung von Fach- und Führungskräften in der Regel auf dem Gebiet der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken durchgeführt.

(4) Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland stellt für die Durchführung dieser Maßnahmen in den Jahren 1991 bis 1994 200 Millionen Deutsche Mark zur Verfügung.

(5) Die Einzelheiten der Durchführung der Ausbildungs- und Umschulungsprogramme werden in gesonderten Vereinbarungen festgelegt auf der Grundlage einer von sowjetischer Seite erstellten Analyse der Berufs- und Qualifikationsstrukturen der aus dem Aufenthaltsgebiet abziehenden Mitglieder der sowjetischen Truppen und ihrer zurückkehrenden Ehegatten und Kinder sowie der am sowjetischen Arbeitsmarkt nachgefragten Qualifikationen im Rahmen einer zu diesem Zweck von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken gebildeten gemischten Arbeitsgruppe.

Artikel 5



1) Mit der Auszahlung der in den Artikeln 1, 2, 3 und 4 dieses Abkommens festgelegten Beträge hat die deutsche Seite ihre Leistungen im Zusammenhang mit der Finanzierung der Kosten des befristeten Aufenthalts und des etappenweise erfolgenden Abzugs der sowjetischen Truppen, des Wohnungsbauprogramms und der Umschulung erfüllt.

(2) Die Vertragsparteien können im Laufe der Durchführung dieses Abkommens einvernehmlich Umschichtungen zwischen den in den Artikeln 1, 2, 3 und 4 genannten Beträgen vornehmen, die den Zielen dieses Abkommens nicht widersprechen dürfen. Die für den Wohnungsbau vorgesehenen Summen werden nicht gekürzt.

Artikel 6



(1) Die Vertragsparteien sind sich darin einig, daß entsprechend dem Abkommen zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der DDR und der UdSSR vom 18. Juli 1990 der Saldo in Transferrubel festgestellt wird, der sich auf den laufenden Konten der Internationalen Bank für Wirtschaftliche Zusammenarbeit gebildet hat.

(2) Die Vertragsparteien werden bis zum 30. Juni 1991 ein Verfahren zur Umrechnung des in Absatz 1 genannten Saldos in Deutsche Mark oder eine andere konvertible Währung vereinbaren. Die Vertragsparteien beginnen auf dieser Basis Verhandlungen über eine Schuldenregelung dahingehend, daß daraus in den kommenden fünf Jahren der sowjetischen Seite keine übermäßigen zusätzlichen finanziellen und wirtschaftlichen Belastungen entstehen, sowie darüber, wie diese Schuld nach Ablauf dieser Frist getilgt wird.

Artikel 7



(1) Die Vertragsparteien kommen überein, daß die Bestimmung des Bestands und des Wertes der mit Mitteln der sowjetischen Seite gebauten und auf den den sowjetischen Truppen im Aufenthaltsgebiet zur Nutzung zugewiesenen Liegenschaften zurückbleibenden unbeweglichen Vermögenswerte der sowjetischen Truppen, deren Besitzer die sowjetische Seite ist, durch eine eigens einzusetzende deutsch-sowjetische Kommission erfolgen soll. Sie bestimmt auch die Art und Weise der Verwertung dieser Vermögenswerte.

(2) Dabei geht die Kommission von folgendem aus:
  1. Die Verwertung der Vermögenswerte erfolgt zu Bedingungen des Marktes. Dabei werden Vorschläge der sowjetischen Seite geprüft. Ist der Vermögenswert für die deutschen Behörden von Interesse, erfolgt die Wertermittlung nach den für die Bundesbehörden geltenden Vorschriften.

  2. Die Kommission entscheidet auch über mögliche Schadensersatzansprüche und andere mögliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Nutzung der zu übergebenden Liegenschaften.

  3. Die Kommission arbeitet auf paritätischer Grundlage und gibt sich eine Geschäftsordnung.
(3) Soweit der Betrag der nach Absatz 2 Buchstabe a ermittelten Restwerte den Betrag der nach Absatz 2 Buchstabe b ermittelten Schäden übersteigt, erhält die sowjetische Seite den überschießenden Betrag. Soweit die Schäden die Restwerte übersteigen, ist die Differenz der deutschen Seite zu erstatten. Die finanzielle Abrechnung einschließlich Zinsen soll durchgeführt werden, sobald die Vermögenswerte verwertet und alle mit ihrer Nutzung zusammenhängenden Schäden reguliert worden sind.

(4) Bis zur Übergabe gemäß Artikel [8] des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzugs sowjetischer Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stehen die Liegenschaften den sowjetischen Truppen zu den geltenden Bedingungen zur weiteren Nutzung zur Verfügung.

Artikel 8



(1) Die Geschäftstätigkeit der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut wird mit Wirkung vom 1. Januar 1991 eingestellt. Die Liquidation erfolgt in Übereinstimmung mit dem Abkommen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Fortsetzung der Tätigkeit der SDAG Wismut vom 7. Dezember 1962.

(2) Die gemeinsame Arbeitsgruppe der Aktionäre der SDAG Wismut erarbeitet ein Verfahren zur Regelung der Fragen, die im Zusammenhang mit der Einstellung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft auftreten, auf der Grundlage der sich auf die SDAG Wismut beziehenden geltenden Vertragsdokumente und legt beiden Regierungen ihre Vorschläge vor.

Artikel 9



Dieses Abkommen tritt an dem Tag in Kraft, an dem die Regierung der Bundesrepublik Deutschland und die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken einander mitgeteilt haben, daß die erforderlichen innerstaatlichen Voraussetzungen für sein Inkrafttreten erfüllt sind.

GESCHEHEN zu Bonn am 9. Oktober 1990

in zwei Urschriften, jede in deutscher und russischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.

Für die Regierung der Bundesrepublik Deutschland
Dr. Theo Waigel

Für die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
Wladislaw P. Terechow

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 123, 17.10.1990, S.1281-1294.
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