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Tätigkeitsbericht der West-Berliner Schutzpolizei für den Monat März 1962

Tätigkeitsbericht der West-Berliner Schutzpolizei für den Monat März 1962

S 1 – 1/62
Berlin, den 6. April 1962
App. 2922

Vertraulich!
Verschlossen!

An den
Herrn Polizeipräsidenten in Berlin


Betr.: Tätigkeitsbericht des S für den Monat M ä r z 1962

I. Sicherheits- und Ordnungsdienst der Schutzpolizei

1. Zusammenfassung der hauptsächlichsten Ereignisse an Sektor- und Zonengrenze

a) Die östlichen Grenzsperren an der Sektor- und Zonengrenze wurden durch Errichtung von neuen Mauern und Stacheldrahtzäunen, Aufstellen von Spanischen Reitern, Anlegen von Stolperdrähten mit Knallkörpern, Ausheben von Gräben sowie Ausbesserungsarbeiten an eingestürzten Mauern, beschädigten Stacheldrahthindernissen pp. weiter verstärkt.

In Treptow, Elsenstr., Wildenbruchstr. und Kiefholzstr. (SBS), wurden mehrere 1 x 1m große Holztafeln mit der Aufschrift "DDR-Staatsgrenze – Betreten verboten" aufgestellt.

An den Sektorengrenzübergängen Chausseestr., Sandkrugbrücke und Friedrichstr. wurden die dort befindlichen Slalomstrecken ausgebessert bzw. verlegt.

An mehreren Stellen der Sektor- und Zonengrenze (S-Bhf. Gesundbrunnen, Heidekrautbahn, Teltow) rissen östliche Arbeitskolonnen stillgelegte Gleisanlagen ab.

Die S-Bahnlinie Gesundbrunnen – Fürstenbrunn – Spandau verkehrt seit dem 4.3.62 wieder bis zum S-Bhf. Staaken.

Das Zumauern von Fenstern geräumter Grenzhäuser an der Neuköllner Sektor- und Reinickendorfer Zonengrenze wurde fortgesetzt.

Im Zonenrandgebiet in Staaken und Babelsberg wurden weitere Zwangsräumungen durchgeführt. In einigen Fällen wurden die geräumten Häuser von sowjetzonalen bzw. -sektoralen Bautrupps bereits abgerissen.

Am 29.3.62 begannen ca. 20 von Trapo und Grepo bewachte Arbeiter mit dem Zumauern von Unterführungen der Ringbahn an der Schwedter Str. im Verlauf der Sektorgrenze. Als sie zu diesem Zweck Stahlgerüste auf Westberliner Gebiet errichteten, mußten die Bauarbeiten auf Wei¬sung der französischen Gendarmerie solange eingestellt werden, bis die Stahlgerüste wieder von Westberliner Gebiet entfernt waren. Die Maurerarbeiten an den genannten Unterführungen dauern z.Zt. noch an.

Am 31.3.1962 transportierten Kräfte der Bereitschaftspolizei Steine und Betonplatten, die beim Einsturz einer östlichen Sperrmauer in Reinickendorf, Klemkestr., auf West-Berliner Gebiet gefallen waren, unter Sicherung von französischer Gendarmerie und EKdo-Kräften ohne Zwischenfälle ab.

Zur besseren Kennzeichnung des Grenzverlaufes auf dem Niederneuendorfer See wurden dort im Auftrage des Senators für Verkehr und Betriebe nach Absprache mit dem sowjetzonalen Wasserstraßenhauptamt Berlin Grenzpfähle gesetzt. Am 20.3.62 wurden diese Arbeiten eingestellt, da ein Streifenboot der Grepo ihre Fortführung verhinderte. Ein Hinweis auf die Absprache zwischen Senat und Wasserstraßenhauptamt führte zu keinem Erfolg. Um Zwischenfälle zu vermeiden, wurden die Arbeiten zunächst abgebrochen.

In der Berichtszeit führten kommunistische Lautsprecherwagen an der Sektor- und Zonengrenze wiederholt Hetz- und Propagandasendungen durch. In einem Teil dieser Sendungen wurden die West-Berliner aufgefordert, sich an den Senat zu wenden, und von ihm die Einstellung der Tätigkeit des "Studios am Stacheldraht" zu fordern. In anderen Sendungen wurden die bereits im Vormonat begonnenen Diffamierungen der West-Berliner Polizei fortgesetzt.

b) An der Sektor- und Zonengrenze kam es in der Berichtszeit zu folgenden besonders erwähnenswerten Zwischenfällen:

Am 15.3.62 lauerten an der Zonengrenze zwischen Frohnau und Heiligensee, in der Nähe des Stolpmünder Weges, mehrere Grepo nach Durchschneiden des dreifachen Stacheldrahtzaunes auf West-Berliner Gebiet einem Streifendienst versehenden Zollbeamten auf und zwangen ihn mit Waffengewalt, den Stacheldrahtzaun zu durchkriechen und sich auf sowjetzonales Gebiet zu begeben. Von hier aus wurde er mit einem Lkw nach Hohenneuendorf abtransportiert, dort eingehend verhört und anschließend wieder nach West-Berlin entlassen.

In den Abendstunden des 6.3.62 forderten an der Grenze am Naturschutzwäldchen in Rudow 3 Grepo einen Grenzdienst versehenden Diensthundeführer der Schutzpolizei unter Androhung des Schußwaffengebrauchs auf, sich 100 m von der Grenze zu entfernen. Der Diensthundeführer reagierte auf diese Aufforderung nicht und setzte seine Streife ungehindert fort.

Am 9.3.62 gaben 2 Grepo an der Zonengrenze zum Bezirk Spandau (Falkenhagener Chaussee) 2 Warnschüsse ab, als sich eine Gruppe von westdeutschen Besuchern der Grenze bis auf einige Meter genähert hatte.

Am 16.3.62 wurden von Schutzpolizeibeamten an der Staakener Zonengrenze mehrere MP-Schüsse wahrgenommen. Anschließend wurde beobachtet, daß in der Nähe der Grenze auf SBZ-Gebiet ein von den Schüssen getroffener Grepo lag. Der Verletzte wurde mit einem Lkw in Richtung Flugplatz Staaken abtransportiert. Es konnte nicht festgestellt werden, ob es sich um einen Fluchtversuch oder Unfall handelte.

Am 11.3.62 barg die Feuerwehr aus dem Teltowkanal in Britz, in Höhe der Späthstraße, einen ca. 20-jährigen toten Grepo in Uniform, der erhebliche Kopfverletzungen aufwies.

Am 19.3.62 versuchten 2 jugendliche West-Berliner an der Zonengrenze Klein-Machnow durch Zerschneiden von Stacheldrahtzäunen Bewohnern der SBZ die Flucht zu ermöglichen. Sie wurden nach ihren Angaben dabei von Grepo entdeckt und mit MP beschossen (ca. 60 Schuß).

Am 27.3.62, gegen 20.50 Uhr, wurde in Neukölln, in dem unmittelbar an der Sektorgrenze stehenden Haus Heidelberger Str. 35, der 27-jährige West-Berliner Heinz Jercha im Hausflur mit Lungendurchschuß aufgefunden. Er wurde dem Urban-Krankenhaus zugeführt, wo ein Arzt den bereits eingetretenen Tod feststellte. Vermutlich wurde J. bei einem Versuch, Bewohnern des Sowjetsektors zur Flucht zu verhelfen, von kommunistischen Sicherungsorganen entdeckt und erschossen.

c) In 11 Fällen warfen Grepo gegen Schutzpolizei- und Zollbeamte sowie gegen winkende West-Berliner 20 Tränengaswurfkörper (TW) auf West-Berliner Gebiet. Von Schutzpolizeibeamten wurde daraufhin etwa die gleiche Anzahl TW in den SBS zurückgeworfen.

d) Der Interzonenverkehr verlief unbehindert.

[...]

Quelle: Polizeihistorische Sammlung des Polizeipräsidenten in Berlin
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