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NVR-Befehl Nr. 10/89: Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in der Hauptstadt der DDR, Berlin, 1. November 1989

NVR-Befehl Nr. 10/89: Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in der Hauptstadt der DDR, Berlin, 1. November 1989

Abschrift

DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK
NATIONALER VERTEIDIGUNGSRAT
DER VORSITZENDE

Befehl Nr.: 10 / 89
des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik
über
Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in der Hauptstadt der DDR, Berlin
vom 01. 11. 1989


Im Zusammenhang mit der weiterbestehenden komplizierten sicherheitspolitischen Lage und zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in der Hauptstadt der DDR, BERLIN, sind auf der Grundlage
  • meiner Ausführungen auf der 9. Tagung des Zentralkomitees der SED und vor den Abgeordneten der Volkskammer der DDR sowie
  • der Ergebnisse der Beratung mit dem 1. Sekretären der Bezirksleitungen der SED am 27.10.1989
die erforderlichen politisch-ideologischen, führungsmäßigen und organisatorisch-technischen Maßnahmen einzuleiten, um jederzeit und kurzfristig der sicherheitspolitischen Lage in der Hauptstadt der DDR, BERLIN, allseitig Rechnung tragen zu können.

Zur Erfüllung dieser Aufgabenstellung

BEFEHLE ICH:

  1. Auf der Grundlage des Status der Einsatzleitungen der Deutschen Demokratischen Republik haben
    • die Bezirksleitung BERLIN und
    • die Kreiseinsatzleitungen der Stadtbezirke
    mit sofortiger Wirkung
    die erhöhte Führungsbereitschaft in ihren stationären Objekten ständig aufrechtzuerhalten.

  2. Die Arbeitsorgane der Vorsitzenden und die Führungsorgane der Mitglieder dieser Einsatzleitungen sind weiterhin ständig durch leitende Kader zu besetzen.
    Die bisher gesammelten Erfahrungen sind in den Einsatzleitungen durch die jeweiligen Vorsitzenden gründlich auszuwerten und in der weiteren Arbeit zu berücksichtigen.

  3. Die politisch-ideologische Arbeit ist darauf zu konzentrieren, bei allen Kommunisten feste politische Standpunkte herauszubilden und die kämpferische Haltung unserer Genossen auszuprägen mit dem Ziel, unsere Partei wieder in die politische und ideologische Offensive zu führen.
    Der begonnene, offene und freimütige Dialog ist auf allen Ebenen weiterzuführen. Dabei ist zu sichern, daß durch sachliche und offensive Diskussionen unserer Genossen sozialismusfeindlichen Auffassungen entschieden entgegengewirkt wird.

  4. Der Vorsitzende der Bezirksleitung und die Vorsitzenden der Kreiseinsatzleitungen der Hauptstadt der DDR, BERLIN, haben alle für ein offensives Reagieren auf provokatorische Aktionen vorzusehenden Handlungen vorausschauend abzustimmen und ein ununterbrochenes enges Zusammenwirken zu sichern.
    Dabei sind die politische Lage in der Hauptstadt der DDR, BERLIN, bzw. in den Stadtbezirken unablässig zu analysieren sowie die erforderlichen politisch-ideologischen und politisch-operativen Maßnahmen zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit festzulegen.

  5. Der aktive Einsatz politischer Kräfte und Mittel erfolgt nur bei Gewaltanwendung der Demonstranten gegenüber den eingesetzten Sicherheitskräften bzw. gegenüber Objekten auf Befehl des Vorsitzenden der Bezirkseinsatzleitung.

  6. Durch die Bezirkseinsatzleitung sind die erforderlichen Maßnahmen vorzusehen, damit Demonstranten nicht in das Grenzgebiet eindringen. Im Falle eines solchen Eindringend sind die Demonstranten durch Anwendung körperlicher Gewalt daran zu hindern, daß es in der Hauptstadt der DDR, BERLIN, zu Grenzdurchbrüchen nach BERLIN (West) kommt. In besonders gefährdeten Abschnitten sind zusätzlich zu den eingesetzten Grenzposten Diensthundeführer einzusetzen.

  7. Die Anwendung der Schusswaffe im Zusammenhang mit möglichen Demonstrationen ist grundsätzlich verboten.

  8. Meldungen an den Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates sind zu erstatten
    • bei Gefährdung der staatlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Hauptstadt der DDR, BERLIN,
    • bei schwerwiegenden besonderen Vorkommnissen bzw. Zusammenstößen.
  9. Dieser Befehl tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft und hat Gültigkeit bis auf Widerruf.

  10. Der Befehl Nr. 8/89 des Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates der DDR wird aufgehoben.
Berlin, den 1.11.1989
Unterschrift Egon Krenz

Quelle: Sächsischer Landtag, Minderheitenvotum des Abgeordneten Arnold und der Fraktion Bündnis 90/Grüne zu Drs. 1/4773: Schlussbericht des Sonderausschusses zur Untersuchung von Amts- und Machtmissbrauch infolge SED-Herrschaft, Anlagen, Bl. 1671-1673.
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