Todesopfer > Jercha, Heinz

MfS-Information über die Fluchthilfeaktion und die Erschießung von Heinz Jercha

28. März 1962

Bericht

Betrifft: Falsches Herangehen bei der Liquidierung eines unterirdischen Ganges und Entweichung eines Verbrechers.

Im Zusammenhang mit der Tunnelanlage Berlin - Treptow, Heidelberger Strasse 75 erhielt der Unterzeichnete, der auf Weisung des Stellvertreter Operativ, Gen. Oberstltn. H(...) in der KD Berlin - Treptow, mitarbeitete, den Auftrag, mit einer Beobachtergruppe, bestehend aus den Gen. Ultn. P(...), Gen. ...... S(...) und den Unterzeichneten, die Beobachtung des Kellereingangs (Ein - und Ausgang von Personen) und der Personenbewegung zu beobachten.

Bis zum 27.3.1962, in den Nachmittagstunden (gegen 16.00 Uhr), wo eine weibliche Person von der Strasse aus durch den grossen Torweg direkt den Keller, in dem sich der Tunnel befand, begab, war bisher nicht besonderes Verdächtiges festgestellt worden.

[...]

Es muß etwa 19. 55 Uhr gewesen sein, als der Unterzeichnete feststellte, dass sieh die Kellertür öffnete, und eine männliche Person, (ca. 25 Jahre alt, 175 cm. groß, dunkles Haar, trug dunkle Kleidung - höchstwahrscheinlich SAKKO - ) aus dem Keller trat. Diese Person ging vorsichtig bis an die Toreinfahrt, kehrte um und verschwand wieder im Keller. Mittels FUNK verständigte ich sofort diese Bewegung, noch während diese Person sich auf dem Hof bewegte. Ca. zwei minuten später erschien wiederum eine männliche Person, ungef. Alter wie die erste, trat aus dem Keller, blieb kurz stehen lief zur Haustür, die jedoch von mir nicht mehr eingesehen werden konnte, ging wieder zurück und verschwand wieder im Keller.

[...]

Eine dieser Personen verblieb im Keller und die andere ging in Richtung Haustür. Nach dieser Funkmeldung nach oben, erhielt ich die Weisung, den Funkverkehr einzustellen. Ich hatte kaum die Meldung abgesetzt, erschien die männliche Person wieder an der Kellertür und ging hinein. Gleich dahinter kamen eine weibliche und eine männliche Person und begaben sich ebenfalls in den Keller.

[...]

Nachdem die genannten Personen im Keller verschwunden waren, erschien wiederum der Pförtner und kontrollierte die Kellertür. Diese Tür war wieder verschlossen. In den darauf folgenden 10 - 15 Minuten konnte ich keine Bewegung mehr feststellen. Während dieser Zeit habe ich die mir zugeteilten zwei Mitarbeiter auf den Hof beordert, mit der Weisung, die ich wiederum durch Funk erhielt, sofort einzugreifen, wenn die gesuchte Person (Schleuser (...)) wieder auftaucht. Für diesem Fall sollten die Genossen die "Messer scharf machen"- gemeint war auf jeden Fall, die Waffen schußbereit zu machen und diese im gegebenen Fall in Anwendung bringen zu können.

[...]

Ca. 10 Minuten später [...] erschien der Gen. Ultn. P(...) wieder im Zimmer

[...]

Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass er ruhig sein soll, da- man ihn sonst auf den Hof hören könnte und er wieder an seinen Platz gehen soll. In diesem Moment wurde die Kellertür wieder von innen leise geöffnet und eine männliche Person stand in der Tür, Gen. P(...) rannte schnell zur Tür, wo bereits der Gen. S(...) stand. Ich sagte noch, auf jeden Fall zu verhindern, dass der Mann in den Keller zurückkommt. Vom Beobachtungspunkt aus konnte ich nur noch sehen, wie diese Person zur Haustür ging.

[...]

Ich wartete darauf, dass sich die beiden Genossen zur Tür begaben; das wäre für mich das Zeichen gewesen, sofort zur Tür zu gehen.

Als ich plötzlich einen Schuß hörte, riß ich das Fenster, dass ich bereits vorher geöffnet und nur angelegt hatte, auf. In diesem Moment wurde die Haustür aufgestoßen und eine männliche Person stürmte heraus. Aus diesem Grunde feuerte ich sofort aus meiner Dienstpistole einen Schuß ab, noch bevor diese Person die zweite oder dritte Stufe erreicht hatte, sprang aus dem Fenster und rannte zur Tür (Kellertür). In diesem Moment erschienen auch mehrere Genossen. Da bekannt war dass der (...) Waffenträger ist, wurde die Kellertür von der Deckung aus aufgestossen. Als erste betraten die Genossen R(...), P(...) und ich den Keller.

Die Tür zum Keller in dem der Tunnel begann, war von innen verriegelt, so dass diese erst mit Gewalt aufgestoßen werden konnte.

[...]

Während des Aufenthaltes im Keller des (...) wurden ganz laut Geräusche und Klopfzeichen gehört, die von der Westseite her kamen. Höchstwahrscheinlich entstanden diese Laute bei der Verbarrikadierung des Tunnels auf der Westseite.

Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass, abgesehen von den anderen Fehlern, die gemacht wurden ein solcher Fehler bezgl. des Abfangens (des Versperrens des Weges nach Westberlin) hätte nicht passieren dürfen.

Ich sehe ein, das dafür in erster Line der Verantwortliche die Hauptlast trägt.

F(...)

Quelle: MfS, HAI Nr. 6086, Bl. 138-141
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