Todesopfer > Göring, Peter

Peter Göring: Dokumentation der 1. Grenzbrigade des DDR-Innenministeriums

Mai 1962

Vertrauliche Verschlußssache

Ermordung des Unteroffiziers Peter Göring

während des Grenzdienstes am

23. Mai 1962

im Abschnitt der II. Grenzabteilung (GR-33)

durch Westberliner Banditen

[...]

Spitzenmeldung

Betr. Verbrecherische Provokation westberliner Polizeikräfte mit Anwendung der Schußwaffe gegen eigene Grenzsicherungskräfte.

I. Personalien:
1.)
Name: Göring, Peter
geb. am: 28.12.1940 in Dresden
soz. Herk.: Arbeiter
Beruf: Gußputzer
Familienst. ledig
Organis.: FDJ
Dienstgr. Gefreiter
Dienststllg. Posten
Einheit: 4.Zug, 2.Kp., III.GA
zuversetzt:
VP seit: 19.04.1960
vereidigt:
Westverwandtschaft:

2.)
Name: L(...), Karl
geb. am: (...) 1940 (...)
soz. Herk.: Arbeiter
Beruf: Stahlwerker
Familienst. ledig
Organis.: FDJ
Dienstgr. Unteroffizier
Dienststllg. Pioniergruppenführer
Einheit: 4.Zug, 2.Komp., III.GA
zuversetzt: KPP Dahlwitz-Hoppegarten
VP seit: 10.11.1959
Westverwandtschaft: 1 Onkel in Fürstenfeldberg
vereidigt: 22.12.1959

II. Sachverhalt:

Gegen 17.35 Uhr bemerkten die Grenzposten Kühlhaus – Invalidenfriedhof das eine männliche Person den Kanal in Richtung Westberlin überschwimmt. Durch beider Posten wurde das Feuer eröffnet und vermutlich getroffen. Der Grenzverletzer trieb in Richtung Westufer ab. Da unsere Posten nicht feststellen konnten ob die Person verletzt oder teuschte wurde nochmals das Feuer eröffnet.

Der Grenzverletzer erreichte das westliche Ufer und blieb auf dem Treppenausstieg liegen. Die auf westberliner Seite erschienenen Stupos versuchten den Grenzverletzer zu bergen. Als unsere Posten das zweite Mal das Feuer eröffnet hatten, eröffneten die in Stellung gegangenen Stupos das Feuer auf unsere Grenzposten. Dabei wurde der Gefr. Göring, Peter und Uffz. L(...), Karl durch die Stupos beschossen.

Der Gen. Göring wurde tötlich verletzt. Der Gen. L(...) erhielt einen Oberschenkeldurchschuß.

III. Entschluß des Kommandeurs:

- Uffz. L(...) in das VP.-Krankenhaus überführt.
- MUK verständigt.
- Einsatz des Reservezuges, sowie eines SPW und Wasserwerfers.
- Kommandeur der 1. Grenzbrigade am Ort.
- Befehl an Kommandeure I.-VI. GA verstärkte Beobachtungen zu führen und Offiziersstreifen einzusetzten.
- Untersuchungskommission gebildet.
- Verständigung erfolgte lt. Tabelle.

S(...) - Hauptmann -

[...]

Berlin, den 24.5.1962

N 2 – Meldung

Betr.: Mord zum Nachteil des Gefr. Peter Göring, 28.12.40 in Dresden geboren, in Luchau Nr. 16, Krs. Dippoldiswalde, wohnhaft gewesen, Dienststelle: I. Grenzbrigade, 3. Abteilung, VP seit 19.4.60, FDJ seit Juni 1961, und versuchter Mord zum Nachteil des Uffz. Karl L(...), (...), Dienststelle: I. Grenzbrigade, 3. Abteilung, VP seit 10.11.59, SED seit 1961, FDJ seit 1959.

Am Mittwoch, den 23.5.1962, gegen 17.35 Uhr, wurde von den Grenzposten der I. Grenzbrigade, 3. Abteilung, an der Staatsgrenze in Berlin N 4, Scharnhorststr. im Grenzabschnitt zwischen Invaliden- und Kielerstr. (Nähe Invalidenfriedhof) festgestellt, daß eine unbekannte jugendliche männliche Person nach Überwindung der Grenzbefestigung den Spandauer Schiffahrtskanal durchschwamm und versuchte das Westberliner Ufer zu erreichen. Nach Abgabe von Warnschüssen wurden auf den im Wasser schwimmenden Grenzverletzer gezielte Schüsse abgegeben. Nach den gezielten Schüssen wurde von der Westberliner Polizei auf die Grenzposten gezieltes Feuer eröffnet. Der Gefr. Göring erlitt dabei folgende Verletzungen:

1.) Durchschuß durch das 3. Fingerglied des rechten Zeigefingers
2.) Durchschuß an der linken Schulter, Einschußstelle in Höhe des Schultergelenkes von vorn
3.) Steckschuß, Einschußöffnung linke Seite des Rückens in Nierengegend.


Die letztgenannte Verletzung ist ursächlich für den Tod, Göring verstarb am Tatort. Eine gerichtlich – medizinische Obduktion wurde durchgeführt.

Der Uffz. L(...) erhielt einen Oberschenkeldurchschuß und befindet sich im VP-Krankenhaus.

Von den Grenzposten wurden nach den bisherigen Feststellungen auf den Grenzverletzer insgesamt 121 Schuß aus den Dienstwaffen MPi Kalaschnikow abgegeben. Der Grenzverletzer wurde von der Westberliner Polizei geborgen. Sein Zustand ist nicht bekannt. In der Nähe des Tatortes wurde ein Campingbeutel mit diversen Bekleidungsstücken gefunden. Aufgrund eines FS der BdVP Erfurt kann angenommen werden, daß es sich bei dem Grenzverletzer um den 14-jährigen Schüler Wilfried T (...), handeln könnte. Genaue Ermittlungen darüber werden z. Zt. durch die BdVP Erfurt geführt. Weitere Bearbeitung durch die MUK des PdVP Berlin. Ermittlungsverfahren wird eingeleitet.

Leiter der MUK 1 (...)

[...]

An den
Stellvertreter des Ministers
für Auswärtige Angelegenheiten
Genossen Staatssekretär Otto Winzer
Berlin

Werter Genosse Staatssekretär!

Entsprechend der getroffenen Festlegung überreiche ich Ihnen den Bericht über die schwere Grenzprovokation am 23.5.1962.

(Maron)

Anlage: Bericht und Lageskizze

Bericht zur schweren Grenzprovokation am 23.5.1962, gegen 17.30 Uhr

Am 23.5.1962, gegen 17.30 Uhr, versuchte der Oberschüler

T(...), Wilfried
geboren (...) 1947,
(...)

im Abschnitt zwischen Invaliden-Friedhof und dem Regierungskrankenhaus in der Scharnhorststraße, ca. 200 m nördlich der Sandkrug-Brücke, die Grenze in Richtung Westberlin zu durchbrechen.

Der Aufforderung des Grenzpostens „Halt, stehen bleiben – Deutsche Grenzpolizei!" kam der Grenzverletzer nicht nach. Er versuchte sich der Festnahme durch Flucht in Richtung Westberlin zu entziehen. Beim Überschreiten des Kontrollstreifens durch den Grenzverletzer wurde ein Warnschuß abgegeben. Unter Nichtbeachtung der Warnungen versuchte der Grenzverletzer schwimmend das westliche Ufer zu erreichen. Durch die Nachbarposten und den verfolgenden Grenzposten wurden zur Erreichung der Festnahme auf den Grenzverletzer entsprechend den Schußwaffengebrauchsbestimmungen gezielte Schüsse abgegeben, ohne Westberliner Gebiet zu verletzen.

Der Grenzdurchbruch wurde von der Westpolizei vom West-KPP Invalidenstraße beobachtet, von wo aus ein Funkstreifenwagen in Richtung der Durchbruchstelle zur Deckung des Grenzdurchbruches fuhr. Zum gleichen Zeitpunkt versammelten sich an dieser Stelle mehrere Westpolizisten, Zöllner und ca. 50 Zivilpersonen.

Zur Verhinderung der Festnahme des Grenzverletzers, der sich noch im Wasser auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik befand, wurden von westlicher Seite auf unsere Grenzposten gezielte Schüsse abgegeben.

Dabei wurden der

U-Offz. Göring, Peter
geboren am 28.12.1941, getötet und der


U-Offz. L(...), Karl
geboren am (...) 1942, schwer verletzt.


Die Personalien des Grenzverletzers konnten durch das Auffinden eines Campingbeutels ermittelt werden.

Die Tatortskizze mit genauem Grenzverlauf wird in der Anlage beigefügt.

Quelle: BArch, VA-07/8400
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