Todesopfer > Schröter, Klaus

MfS-Bericht über den Fluchtversuch von Klaus Schröter

6. November 1963

Bericht (Leichensache)

Am 4.11.1963 gegen 04.00 Uhr, versuchte eine männliche Person schwimmend von Reichstagsufer Ecke Luisenstraße die Staatsgrenze nach Westberlin zu durchbrechen. Nachdem der Grenzverletzer von den Grenzposten erkannt und aufgefordert wurde an Land zu schwimmen, befolgte er diese Aufforderung nicht, so daß nach Abgabe eines Warnschusses das Feuer auf ihn eröffnet werden mußte.

Gegen 07.40 Uhr am gleichen Tage ist der Grenzverletzer von einem Taucher der Feuerwehr tot aus dem Spandauer Schiffahrtskanal geborgen worden.

Die zwischenzeitlich eingeleitete Kontrolle der Grenzsicherungsanlage ergab, daß der Grenzverletzer höchstwahrscheinlich zuvor mittels einer Drahtschere an der Marschallbrücke Sicherungsanlagen beschädigte.

Die Drahtschere, eine Aktentasche, in der sich eine Kombizange befand, sowie ein Fahrrad wurden sichergestellt. Die geborgene Leiche war mit einer vollständigen Tauchausrüstung bekleidet; die Sauerstoffzufuhr erfolgte aus Preßluftbehältern.

Nach der Bergung der Leiche wurde diese zum Schauhaus des Instituts für Gerichtsmedizin in Berlin-Mitte überführt. An Hand der bei sich geführten Unterlagen wurde der Tote als
    Schröter, Klaus
    geb. am 21.2.1940 in Friedersdorf
    wohnhaft: Berlin N 113, (...)
    zul. Ingenieur im VEB Starkstromanlagenbau (Kraftwerkabteilung)
identifiziert.

Am 5. November 1963 war Oberleutnant H(...) (Abt. IX) bei der Leichenbesichtigung, die Prof. Dr. P(...) vornahm, zugegen. Da die Tauchausrüstung einige fingerkuppengroße Risse aufwies und ein Projektil sichergestellt werden konnte, wurde vorerst angenommen, daß Schröter nach einem Brustschuß ertrunken sei.

Am Hinterkopf war eine ca. 7 cm lange und etwa 0,7 cm breite Platzwunde feststellbar.

[...]

Letztere Feststellung ließ die Möglichkeit offen, daß der Tod durch Ertrinken und nicht durch die Schußverletzung eintrat. Eine Sektion wurde daher zur endgültigen Klärung von Prof. P(...) für erforderlich gehalten.

Prof. P(...) führte noch am gleichen Abend in Gegenwart von Oberleutnant H(...) die Sektion selbst durch.

Dabei wurde im wesentlichen festgestellt, daß Schröter in Wirklichkeit nur einen Streifschuß am Hinterkopf aufzuweisen hatte.

Der angenommene Brustschuß bestätigte sich bei der Sektion nicht.

Demzufolge ist die Todesursache Ertrinken, der eine Hirnprellung, verursacht durch den Streifschuß, vorausging.

Der Sterbefall wurde vom Rat des Stadtbezirks Berlin-Mitte am 6. November 1963 beurkundet.

Aus der Urkunde geht lediglich hervor, daß Schröter am 4. November 1963, 04.30 Uhr, in Berlin-Mitte verstorben ist.

Auskunftssperre wurde veranlaßt.

Die bisherigen Ermittlungen zur Person ergaben, daß Schröter von September 1954 bis August 1958 Lehrling und Elektromonteur im VEB Filmfabrik Agfa-Wolfen war. Anschließend besuchte er eine Ingenieur-Schule und nahm am 1. September 1961 im VEB Starkstromanlagenbau seine Tätigkeit als Ingenieur auf.

In letzter Zelt war bei ihm keine gesellschaftspolitische Betätigung zu verzeichnen. Anfänglich arbeitete er jedoch aktiv innerhalb der Freien Deutschen Jugend mit. In Berlin N 113, (...) bewohnte Schröter allein eine Einzimmerwohnung, die mit modernen Möbeln ausgestattet ist.

Von den Hausbewohnern wurde er als höflicher aber zurückgezogen lebender Mensch eingeschätzt, bei dem bisher keine Frauenbekanntschaften bemerkt worden sind. Es wurde ferner ermittelt, daß er einen Bruder in Westdeutschland und weitere Angehörige in (...) hat.

Bisherige Ermittlungen zu seinen im (...) wohnhaften Angehörigen ergaben, daß seine Mutter Rentnerin und sein Bruder als Hilfsarbeiter im Braunkohlenwerk "Einheit" tätig ist.

[...]

Es ist geplant:

1. Aussprache mit der Mutter mit dem Ziel, daß sie auf die Leiche ihres Sohnes Klaus verzichtet.

2. Die Bestattung durch Oberleutnant (...) regeln zu lassen.

3. Da ein Bruder des Schröter in Westdeutschland wohnhaft ist, Postkontrolle veranlassen.

4. Die bei dem Toten vorgefundenen Unterlagen auf Adressenmaterial gründlich zu überprüfen und dieses der Arbeitsgruppe Staatsgrenze zur operativen Auswertung zuzuleiten.


Oberleutnant

Quelle: BStU, MfS, AS 754/70, Bd. 2, Nr. 4, Bl. 4-6
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