Todesopfer > Schöneberger, Heinz

Heinz Schöneberger: MfS-Bericht über die gescheiterte Flucht(hilfe)aktion

26. Dezember 1965

Streng geheim!

Informationsbericht

Am 26.12.1965 gegen 0.45 Uhr wurden von der HPF an der Grenzübergangsstelle Berlin-Mitte, Heinrich-Heine-Straße beim Versuch, mit einem Personenkraftwagen vom Typ Ford Taunus 17 Mn, polizeiliche Kennzeichen GAN-N 495 gewaltsam die Staatsgrenze nach Westberlin zu durchbrechen, festgenommen:
    1. SCHÖNEBERGER, H(...)
    geb. am (...) in (...)
    wohnhaft: Dortmund-(...)
    zuletzt Bauhilfsarbeiter bei der Firma Bühring, Dortmund

    2. P(...), Monika
    geb. am (...) in (...)
    wohnhaft: (...) zuletzt (...)

    3. R(...), Christel
    geb. am (...) in (...)
    wohnhaft: (...) zuletzt (...)
Die festgenommenen Personen wurden gegen 04.00 Uhr der Hauptabteilung IX übergeben, die gegen
    SCHÖNEBERGER, H(...)
ein Ermittlungsverfahren wegen eines Verbrechens gemäß § 17 und § 21 StEG, und gegen
    P(...), Monika und
    R(...), Christel
ein Ermittlungsverfahren wegen Vergehen gegen den § 8 des Paßgesetztes einleitete und Haftbefehle beantragte.

Der Bruder des SCHÖNEBERGER, H(...)
    SCHÖNEBERGER, Heinz
    geb. am 7.6.1938 in Wagten
    wohnhaft: Dortmund- Schüren, (...)
    zuletzt Bauarbeiter
versuchte, als er vom Zollkontrolleur zum Intensivkontrollplatz (K 2 – Platz) eingewiesen wurde, mit dem Personenkraftwagen gewaltsam die Grenzsicherungsanlagen nach Westberlin zu überwinden. Während sein Bruder, SCHÖNEBERGER, H(...), zurückgeblieben war, fuhr er, einen anderen zur Kontrolle wartenden westdeutschen streifend, mit 40 – 45 Km/h gegen den Schlagbaum, der das Fahrzeug stark beschädigte und zum Halten brachte. SCHÖNEBERGER, Heinz flüchtete daraufhin zu Fuß in Richtung Westberlin. Dabei wurde er von Wachposten der NVA/Grenze durch gezielte Schüsse schwer verletzt, konnte aber auf Westberliner Gebiet entkommen.

Die bisherige Untersuchung ergab, daß es sich bei dem nach Westberlin entkommenen SCHÖNEBERGER, Heinz um den Anführer des Grenzdurchbruches, bei dem die zwei festgenommenen DDR-Bürgerinnen ausgeschleust werden sollten, handelt.

SCHÖNEBERGER, Heinz, der im Juni 1961 aus Westdeutschland in die DDR verzog, diese im Juli des gleichen Jahres wieder illegal verließ und acht Wochen später erneut in die DDR übersiedelte, ist bereits

[...]

Bei dem Beschuldigten SCHÖNEBERGER, H(...)

[...]

Beide reisten laut Überprüfung der ASR in dieser Zeit mehrfach in die Hauptstadt der DDR ein und lernten dabei Mitte November dieses Jahres die DDR-Bürgerinnen P(...), Monika und R(...), Christel aus Berlin-Prenzlauer Berg kennen, zu denen sie freundschaftliche Beziehungen aufnahmen und die sie zu ehelichen beabsichtigten. Im Verlaufe von drei Zusammenkünften im November 1965 zwischen den genannten Personen in der Hauptstadt der DDR, die teilweise in der Wohnung von P(...)s Schwester (...) stattfanden, forderten die Gebrüder SCHÖNEBERGER die P(...) und R(...) auf, mit nach Westdeutschland zu kommen, um dort die Ehe zu schließen. Damit erklärten sich diese, den Versprechen der SCHÖNEBERGERS glaubend, einverstanden.

Zum Zwecke ihrer Ausschleusung planten Heinz und H(...) SCHÖNEBERGER, gefälschte westdeutsche Personaldokumente zu beschaffen oder zu versuchen, zwei westdeutsche Bürgerinnen mit in die Hauptstadt der DDR zu bringen, ihnen dort die Personalpapiere zu entwenden und mittels dieser Dokumente den Beschuldigten den illegalen Grenzübertritt zu ermöglichen, der zur Weihnachten dieses Jahres zur Durchführung gelangen sollte. Über Einzelheiten der Realisierung dieser Vorhaben wurde nicht gesprochen.

Auf Weisung von SCHÖNEBERGER, Heinz und H(...) schickten ihnen die P(...) und R(...) zur Beschaffung der gefälschten Dokumente Ende November Paßbilder von sich nach Westdeutschland.

Vereinbarungsgemäß reisten die Gebrüder SCHÖNEBERGER mit ihrem Personenkraftwagen am 24.12.1965 wieder in die Hauptstadt der DDR ein und trafen mit Monika P(...) und Christel R(...) in der Wohnung der (...) zusammen.

Im Verlaufe der Unterhaltungen teilten sie ohne Angabe der Ursachen mit, daß weder die Beschaffung falscher westdeutscher Personalpapiere, noch das Mitbringen zweier weiblicher Personen aus Westdeutschland möglich gewesen wäre.

Aus diesem Grunde schlugen sie vor, an den Weihnachtsfeiertagen jeweils eine Person mit dem Personenkraftwagen unter dem Vordersitz versteckt nach Westberlin zu schleusen. Aus diese Weise sollte auch das 18 Monate alte Kind der P(...), nachdem es vorher mit Schlafmittel betäubt worden wäre, ausgeschleust werden.

Auf Grund der Tatsache, daß bei der Ausreise am 24.12.1965 der Innenraum des Personenkraftwagens nicht kontrolliert worden ist und um das größere Risiko einer mehrfachen Schleusungsfahrt auszuschließen, wurde im Beisein der (...) am 25.12.1965 in deren Wohnung beschlossen, am gleichen Abend die R(...) und die P(...) sowie ihr Kind mit dem Personenkraftwagen auszuschleusen.

Im Falle der Entdeckung durch die Kontrollorgane der DDR an der Staatsgrenze wurde durch Heinz SCHÖNEBERGER festgelegt, zu versuchen, ohne Rücksicht auf die Kontrollposten und die im Kontrollbereich weilenden westdeutschen Passanten mit höchster Geschwindigkeit nach Westberlin durchzubrechen.

(...) erklärte sich bereit, das Kind ihrer Schwester, das trotz vorher durch seine Mutter eingeflößter Schlaftabletten nicht zur Ruhe kam, in Pflege zu behalten und es am 26.12.1965 nach durchgeführter Ausschleusung dem Heinz SCHÖNEBERGER zu übergeben, damit dieser es im Sitz des Personenkraftwagens versteckt ebenfalls illegal nach Westberlin schleusen kann.

Gegen die (...), (...) und deren Ehemann der Deutschen Volkspolizei angehörte, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum illegalen verlassen der DDR eingeleitet, das bis zur Klärung aller Umstände mit Haft geführt wird.

Am 25.12.1965 gegen 23.00 Uhr nahmen die Gebrüder SCHÖNEBERGER die zu schleusende R(...) und P(...) im Stadtgebiet von Berlin-Pankow in ihrem Wagen auf und versteckten sie unter dem Vordersitz und hinter der Lehne der Rücksitze.

Danach führen sie zur Grenzübergangsstelle Heinrich-Heine-Straße, wobei Heinz SCHÖNEBERGER das Fahrzeug führte. Nach ihrer Ankunft stoppten sie den Personenkraftwagen und stiegen entsprechend der Aufforderungen der Grenzsicherungskräfte aus dem Wagen. Bei der Kontrolle wurden die auszuschleusenden Personen bemerkt und Heinz SCHÖNEBERGER aufgefordert, mit dem Personenkraftwagen auszuscheren und zur Intensivkontrollstelle zu fahren, während sein Bruder H(...) hinter dem Fahrzeug stehenblieb.

Statt zur Intensivkontrollstelle zu fahren, änderte plötzlich Heinz SCHÖNEBERGER die Fahrtrichtung und versuchte in der bereits angeführten Weise nach Westberlin durchzubrechen.

Durch die HPF wurden in Auswertung dieses Durchbruchversuches zum Teil bereits die entsprechenden Änderungen der Sicherungsmaßnahmen am Grenzkontrollpunkt Heinrich-Heine-Straße eingeleitet, wobei vor allem das Kontroll- und Sicherungssystem zwischen Vorkontrolle und Intensivkontrollplatz einer Verbesserung bedarf, um es künftig ausscherenden Kraftfahrzeugen unmöglich zu machen, mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Westberlin zu fahren.

Der Beschuldigte H(...) SCHÖNEBERGER bestreitet bisher, Verbindung zu Schleuserzentralen oder ähnlichen Organisationen zu unterhalten und gibt an, ebenso wie sein Bruder nichts unternommen zu haben, um die Pläne, wie Beschaffung von falschen westdeutschen Personaldokumenten zur Ausschleusung ihrer Freundinnen, zu realisieren.

In Übereinstimmung mit der P(...) und R(...) sagte er aus, daß die Schleusung am 25.12.1965 aus privaten Motiven und ohne Unterstützung und Ratschläge anderer Personen vollzogen worden sei.

Die durch die Abteilung 32 durchgeführte Begutachtung der bei H(...) SCHÖNEBERGER gefundenen westdeutschen Personalpapiere ergab, daß diese Originaldruckauflagen entstammen und nicht verfälscht sind.

Desweiteren erbrachte die Durchsuchung des Schleusungspersonenkraftwagens keine speziell eingebauten Verstecke.

Schwerpunkt der weiteren Untersuchungen besteht in der Erarbeitung von Tatsachen, durch welche die Beschuldigten, insbesondere Heinz und H(...) SCHÖNEBERGER, der Verbindung zu Schleuserzentralen und Menschenhändlerorganisationen sowie von ihnen bereits durchgeführter Schleusungen von DDR-Bürgern überführt werden.

[...]

E(...) Oberleutnant

Quelle: BStU, MfS, ZKG Nr. 1263, Bl. 1-6
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