Todesopfer > Schöneberger, Heinz

Heinz Schöneberger: Meldung der West-Berliner Polizei über die gescheiterte Flucht(hilfe)aktion am Übergang Heinrich-Heine-Straße

26. Dezember 1965

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3. Mißglückter Fluchtversuch am Übergang Heinrich-Heine-Str./Prinzenstr. (SBS)

Am 26.12.1965, gegen 01.00 Uhr, versuchten nach Zeugenaussagen drei männliche und eine weibliche Person am Übergang Heinrich-Heine-Str./Prinzenstr. mit dem Pkw Ford 17 M polizeiliches Kennzeichen GAN - N 495, nach West-Berlin zu flüchten. In Höhe der Abfertigungsbaracke der NVA scherte das Fahrzeug plötzlich aus der Wagenkolonne aus, wobei eine männliche Person aus dem Kfz geschleudert und von Grenzsoldaten angeblich unverletzt festgenommen wurde. Der Pkw durchfuhr in schneller Fahrt die Slalomstrecke und wurde dabei von Grenzsoldaten aus Maschinenpistolen beschossen. Er prallte schließlich gegen die an der Sperrmauer befindliche geschlossene Schranke und blieb dort stecken. Das Kfz wurde jetzt von den an der Sperrmauer eingesetzten Grenzsoldaten und von einem Beobachtungsturm aus mit Maschinenpistolen beschossen. Eine männliche Person sprang aus dem Pkw und flüchtete durch den Mauerdurchlaß in Richtung West-Berlin. Sie wurde dabei noch innerhalb des SBS beschossen und vermutlich 5 m vor Erreichen der Demarkationslinie getroffen. Dennoch konnte die männliche Person schwer verletzt West-Berliner Gebiet erreichen und brach hinter dem dortigen Zollwetterhäuschen, Höhe Sebastianstr., zusammen. Sie wurde mit stark blutenden Schußverletzungen am Hals und Bein durch die Feuerwehr dem Krankenhaus Am Urban zugeführt, wo sie nach Einlieferung verstorben ist.

Bei dem Verstorbenen handelt es sich um den 27jähr. Tiefbauhelfer Heinz Schöneberger, Dortmund-Schönau, (...) wohnhaft gewesen. Seine Brieftasche mit Fotos, Kfz-Schein und diversen persönlichen Papieren hat Abt. I übernommen.

Aus dem beschädigten Pkw wurde durch Grenzsoldaten eine ca. 25jähr. weibliche Person herausgeholt und in Richtung Abfertigungsbaracke abgeführt. Gegen 01.30 Uhr ist der Pkw von einem Lkw der NVA bis in Nähe der Abfertigungsbaracke geschleppt worden. Dort hoben - nach Zeugenaussagen - vier Grenzsoldaten eine weitere männliche Person aus dem Fahrzeug und trugen sie, anscheinend verletzt, in die Abfertigungsbaracke. Das beschädigte Kfz wurde anschließend mit unbekanntem Ziel abgeschleppt.

Insgesamt sind von Grenzsoldaten ca. 15 Schüsse abgegeben worden.

Auf West-Berliner Gebiet wurden bisher am Haus Sebastianstr. 78, Hochparterre, vier Geschoßeinschläge festgestellt.

Ein Projektil konnte aufgefunden und Abt. I übergeben werden. Von einem West-Berliner Zollbeamten ist ein Warnschuß aus der Dienstpistole in Richtung Beobachtungsturm abgegeben worden.

Weiteres Zurückschießen war wegen der Umstände (Gefährdung wartender SBS-Besucher, Dunkelheit pp.) nicht möglich.

Die beschädigte Schranke im SBS wurde ab 02.00 Uhr durch einen davorgeschobenen Lkw gesichert.

Ca. 40 erregte West-Berliner wurden durch die eingesetzten Schutzpolizeikräfte unter Kontrolle gehalten.

Schutzpolizeikräfte und MP-Streifen waren am Ort.

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Quelle: Polizeihistorische Sammlung/Der Polizeipräsident in Berlin
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