Todesopfer > Krug, Siegfried

Siegfried Krug: MfS-Bericht über die Erschießung

6. Juli 1968

[...]

Bericht

über Verhinderung eines versuchten provokatorischen Grenzdurchbruchs mit Schußwaffenanwendung durch die Grenzposten und tötlichen Ausgang für den Grenzverletzer am Brandenburger Tor am 6. Juli 1968

Am 6. Juli 1968, gegen 19.30 Uhr, am Brandenburger Tor, versuchte der westdeutsche Bürger
    Krug, Siegfried, Eberhard
    geb. am 22. 7. 1939 in Stettin
    wohnhaft: Frankfurt/Main, (...)
die Staatsgrenze in Richtung DDR - WB zu durchbrechen. Dabei wurde er von den eingesetzten Grenzsicherungskräften mit Anwendung der Schußwaffe tötlich verletzt.

Krug reiste lt. Tagesaufenthaltsgenehmigung am 6. 7. 1968, 08.00 Uhr lt. Auskunft der HAPF gegen 18.00/19.00 Uhr, über die GÜST Bahnhof Friedrichstraße ein. Gegen 19.30 Uhr kam er mit einer Taxe Unter den Linden entlang, wendete auf der Kreuzung vor dem Bereich des Brandenburger Tors und entstieg der Taxe vor dem Ministerium für Volksbildung. Die Taxe bzw. der Fahrer konnten nicht näher identifiziert werden. Von der Ecke am Ministerium für Volksbildung ging der Krug mit einer Tasche in Richtung WB auf dem linken Bürgersteig geradewegs auf den Kreuzdurchgang am Schlagbaum zum Brandenburger Tor zu, unterkroch die Sperre und marschierte weiter.

Weiter auf dem linken Bürgersteig, ca. 25 m vom Schlagbaum in Richtung Westberlin, wurde der Krug von dem dort eingesetzten Grenzposten
    Gefr. D(...), Ulrich
    geb. am (...) in (...)
    NVA seit 2. 5. 1967
    Posten im Si.-Zug Brandenburger Tor
    organisiert in der FDJ
auf das Grenzschild und Verbot, das Grenzgebiet zu betreten, aufmerksam gemacht und zurückgewiesen. Krug erwiderte daraufhin, daß ihn das Schild nicht interessiere und er zum Brandenburger Tor wolle und setzte seinen Weg unbeirrt fort. Auch bei nochmaliger Aufforderung durch den Grenzposten, das Grenzgebiet zu verlassen und als der Gfr. D(...) seine MPi in Anschlag brachte, ging der Grenzverletzer geradeaus weiter in Richtung Westberlin an dem Grenzposten vorbei. Da der Vorgang vom Führungspunkt am Brandenburger Tor aus beobachtet wurde, kamen der
    Uffz. (...), (...) geb. am (...) in (...) NVA seit 3. 5. 66 (SAZ) Postenführer im Si.-Zug Brandenburger Tor organisiert in der SED und FDJ GHZ
und sein Begleitposten, Gfr. H(...), im Laufschritt zum Einsatz. Uffz. (...) postierte sich mit durchgeladener MPi im Anschlag ca. 50 m vom Schlagbaum in Richtung Brandenburger Tor an der rechten Seite der linken Fahrbahn und Gfr. H(...) an der linken Seite der Fahrbahn, ca. 4 m von der Bordkante entfernt. Krug befand sich inzwischen ca. 45 m von dem Schlagbaum entfernt, vor ihm rechts (...) und links H(...) und hinter ihm D(...). Der Uffz. (...) und der Gfr. D(...) haben den Krug wiederholt aufgefordert, stehen zu bleiben bzw. nach links in Richtung Führungspunkt abzubiegen und mit der Anwendung der Schußwaffe gedroht. Der Grenzverletzer brachte zum Ausdruck, "Ihr schießt ja doch nicht" und ging weiter durch (...) und H(...) hindurch. Als er sich in der Mitte der Querstraße befand, ca. 4 m an (...) und H(...) vorbei in Richtung Brandenburger Tor, gaben der Uffz. (...) und der Gfr. D(...) nahezu zum gleichen Zeitpunkt jeder drei Warnschüsse, Dauerfeuer, ab. Daraufhin blieb Krug einen Moment stehen, drehte sich zu dem Uffz. (...) herum und schritt dann geradewegs auf diesen draufzu. Uffz. (...) hat den Krug vorgehaltener MPi aufgefordert, stehen zu bleiben, und als dieser seiner Aufforderung nicht Folge leistete, aus ca. 3 bis 2 m Entfernung einen Feuerstoß, drei Schuß, gezieltes Feuer auf ihn abgegeben. Krug wurde in der rechten Brustseite verletzt. Der Bergung und der Abtransport in das VP-Krankenhaus verliefen reibungslos und schnell. Krug wurde gegen 19.50 Uhr in das VP-Krankenhaus eingeliefert und ist gegen 21.00 Uhr an seinen Schußverletzungen verstorben.

Zwischen dem Ort der Handlung und dem konkreten Verlauf der Staatsgrenze waren es noch ca. 250 m. Unmittelbar vor der Staatsgrenze war ein weiterer Grenzposten des Si.-Zuges eingesetzt. Die Einsicht von Westberlin her ist durch das Brandenburger Tor und die angrenzenden Gebäude sowie durch Bäume stark behindert, vom eigenen Hinterland her war alles gut einzusehen.

Auf Westberliner befanden sich vor dem versuchten Grenzdurchbruch auf in Richtung WB rechten Podest zwei BePo zu Fuß und ca. 10 bis 12 männliche und weibliche Zivilpersonen. Besondere Handlungen waren nicht zu erkennen. Kurze Zeit nach Abgabe der Schüsse erschienen auf dem linken Podest ca. 5 BePo und auf dem rechten ca. 6 und sammelten sich weitere Zivilpersonen an.

Dabei konnten als Polizeifahrzeuge folgende erkannt werden:

- drei MTW; Kennzeichen B 3540, B 3640 und einer unerkannt,

- drei PStW, Kennzeichen B 3439, B 3448 und B 7479.

Ein BePo rief die Grenzposten an: "... und sowas nennt ihr Freiheit! Jetzt können wir wohl die Zahl 64 ändern!" weitere besondere Handlungen auf Westberliner Seite wurden nicht beobachtet. Gegen 20.30 Uhr war die normale Lage wieder hergestellt.

Auf unserer Seite befanden sich vor dem versuchten Grenzdurchbruch unmittelbar am Grenzgebiet ca. 20 bis 30 männliche und weibliche Zivilpersonen und nach Abgabe der Schüsse bis einschließlich der gesamten Kreuzung vor dem Grenzgebiet am Brandenburger Tor ca. 70 bis 80, die sich aber gleichfalls bald verliefen. Auch diesseits wurden keine besonderen Handlungen beobachtet.

Gegen 23.25 Uhr hielt ca. 15 Minuten rechts vor dem Grenzgebiet am Brandenburger Tor, ca. 20 m vom Schlagbaum entfernt, eine weiße schwedische Pkw-Limousine, Kennzeichen U(...). Gegen 00.28 Uhr hielt für ca. 5 Minuten links vor dem Grenzgebiet am Brandenburger Tor, ca. 20 m vom Schlagbaum entfernt, eine westdeutsche Pkw-Limousine, Kennzeichen HB (...). Um 00.38 Uhr herum fuhr B0 67 von Unter den Linden kommend und Richtung Unter den Linden fahrend insgesamt zweimal am Grenzgebiet am Brandenburger Tor vorbei. Jeweils die Insassen der Fahrzeuge oder besondere Handlungen konnten nicht erkannt werden.

Der Gfr. S(...) vom Si.-Zug Brandenburger Tor, welcher sich vor dem versuchten Grenzdurchbruch mit seiner Freundin außerhalb des Grenzgebietes am Brandenburger Tor befand und dann mit in die Handlung eingriff, er hat den verletzten Krug mit abtransportiert, äußerte dem Uffz. (...) gegenüber, daß er die Anwendung der Schußwaffe nicht für nötig erachtet habe und daß er nicht weiter mit dem Uffz. (...) gemeinsam zum Grenzdienst aufziehen will. Er brachte auch zum Ausdruck, daß er nicht wisse, wie er das alles seiner Freundin erklären soll. Die Freundin ist noch nicht weiter bekannt.

Die bei dem Krug vorgefundenen Dokumente, Unterlagenund Sachen sowie die weitere Bearbeitung haben Genossen der Berliner Verwaltung, Abt. IX, übernommen.

Weitere Maßnahmen unsererseits werden durch den Genossen Hptm. G(...) eingeleitet, der für den Si.-Zug Brandenburger Tor verantwortlich ist.

Sachbearbeiter gez. M(...)
Oberleutnant

Quelle: BStU, MfS, AS 199/69, Bd. 2, Nr. 1, Bl. 2-5
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