Todesopfer > Müller, Heinz

Heinz Müller, erschossen an der Berliner Mauer: MfS-Bericht

19. Juni 1970

[...]

Bericht

Über die Festnahme eines Grenzverletzers Westberlin/DDR im Abschnitt des Grenzregimentes 35, Köpenickerstraße mit Anwendung der Schußwaffe.

Am 19.6.1970 um 01.52 Uhr erfolgte die Festnahme des westdeutschen Bürgers
    Müller, Heinz, Udo, Gerhard
    geb. 16.5.1943 in Rostock/Mecklbg.
    PA Nr. (...), ausgestellt in Essen
    Wohnanschriften: Essen, (...), Göttingen (...)
mit Anwendung der Schußwaffe.

M. überstieg um 01.52 Uhr Köpenickerstraße unter Ausnutzung des dort unmittelbar an der Mauer stehenden Podestes die Grenzmauer. Beim Übersteigen der Grenzmauer wurde er sofort von dem Postenführer des Postenbereiches Schillingbrücke erkannt. Der Postenturm befindet sich ca. 150 m vom Ort der Handlung entfernt.

Nach dem der Grenzverletzer die Grenzmauer überwunden hatte gab der Postenführer einen kurzen Feuerstoß (3 Schuß) als Warnschüsse der MPi ab. Der Grenzverletzer reagierte hierauf nicht und setzte seinen Weg in Richtung Signalzaun fort. Daraufhin gab der Postenführer einen gezielten Feuerstoß (3 Schuß) ab, in dessen Wirkung der Grenzverletzer seine Bewegung einstellte und zusammen brach. Der Postenführer übernahm vom Postenturm aus die Sicherung, der zweite Posten des Postenbereiches Schillingbrücke begab sich zum Ort der Handlung.

Zur gleichen Zeit näherte sich aus Richtung Engelbecken eine Kradstreife mit dem Stellvertreter des Zugführers besetzt. Durch den Posten Schillingbrücke und den Stellv. des Zugführers erfolgte die Bergung des Grenzverletzers. Dieser war auf Grund des geführten Feuers zwischen Grenzmauer und Signalzaun zusammen gebrochen. Die Bergung erfolgte zunächst in den ca. 20 m vom Ort der Handlung entfernten Splitterbunker. Dort wurde dem Grenzverletzer vom Stellv. des Zugführers erste Hilfe geleistet.

Um 02.05 Uhr erfolgte die Abfahrt des Sankra des GR 35 zum Ort der Handlung zur Bergung des Grenzverletzers, und die Überführung in das VP-Krankenhaus. Die Überführung erfolgte durch den Gen. Major Arnhold des GR 35.

Die durchgeführte ärztliche Untersuchung ergab einen Durchschuß des Beckens von links nach rechts. Unmittelbar nach Einlieferung in das VP-Krankenhaus wurde der Grenzverletzer einer Operation unterzogen. Auf Grund der erhaltenen Verletzung erlitt er einen beträchtlichen Blutverlust, so daß eine Bluttransfusion notwendig war.

Durch den Gen. Meissner der Abt. IX der Verwaltung Groß-Berlin und den Gen. Sperling der Abt. VII der Verwaltung Groß Berlin, welche sich zum Zeitpunkt des Eintreffens des unterzeichneten Mitarbeiters ebenfalls im VP-Krankenhaus wegen des Vorkommnisses befanden wurde veranlaßt, daß der Grenzverletzer nach erfolgter Operation in den Haftflügel überführt und dort von Kräfte der Abt. XIV der Verwaltung Groß-Berlin bewacht wird.

Die Befragung des Postenführers
    (...), (...)
    Gefreiter
    geb. (...) in (...) Krs. (...)
    wohnhaft: (...)
und des Postens
    M(...), Wolfgang
    Soldat
    geb. (...) in (...)
    wohnhaft: (...)
ergab, daß nur der Postenführer 2 Feuerstöße aus der MPi – 6 Schuß – abgegeben hat. Nach Einschätzung des Postenführers sind hierbei keine Projektiele auf Westberliner Gebiet eingeschlagen. Beide wurden aus dem Grenzdienst herausgelöst.

Vom Zeitpunkt der Handlung um 01.52 Uhr bis 05.00 Uhr erfolgten auf Westberliner Seite keinerlei Handlungen. Es kann demzufolge eingeschätzt werden, daß die Schüsse von den an der Grenze in Westberlin handelnden Kräfte nicht vernommen wurden.

Von den in der Hauptstadt der DDR gelegenen Häuser in der Fritz-Heckert-Straße, unmittelbar gegenüber dem Ort der Handlung, wurden durch einige Einwohner die Fenster geöffnet und gefragt, was denn wieder los sei. Da die Bergung des Grenzverletzers in den Splitterbunker sehr schnell erfolgte wurde diese Handlung nach bisherigem Einschätzen von diesen DDR-Bürgern nicht beobachtet. Provokatorische Handlungen seitens dieser DDR-Bürger fanden nicht statt.

Auf Grund der erlittenen Verletzung war eine Befragung des Grenzverletzers nicht möglich. Außer dem westdeutschen Personalausweis führte der Grenzverletzer eine Monatskarte für die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und eine Geldbörse mit 50.- D(...) bei sich.

Die Bergung des Grenzverletzers erfolgte außer von dem bereits namentlich aufgeführten Posten durch den stellv. Zugführer
    L(...), Horst
    Unteroffizier
    geb. (...) in (...) Krs. (...)
    wohnhaft: (...)
und dem Fahrer des Krades
    H(...), Rainer
    Soldat
    geb. (...) in (...) Krs. (...)
    wohnhaft: (...)
Während des Schreibens des Berichtes erhielt unterzeichneter Mitarbeiter telefonisch durch den Gen. Sperling der Abteilung VII der Verwaltung Groß-Berlin um 05.55 Uhr die Mitteilung, daß der Grenzverletzer im VP-Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen ist.

Kirste
Obltn.

Quelle: BStU, MfS, HA I Nr. 3974, Bl. 7-9
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