Protokoll der gerichtlichen Vernehmung von Rolf-Dieter Kabelitz
15. Januar 1971
[...]Gegenwärtig:
In der Strafsache
Kreisgerichtsdirektor W(...) als Richter
gegen
den Dreher Rolf-Dieter Kabelitz
wegen
vers. Grenzdurchbruchs
erscheint, im Krankenhaus Hennigsdorf aufgesucht, der Beschuldigte.
Ihm wurde eröffnet, was ihm zur Last gelegt wird. Er wurde über seine Rechte belehrt und erklärt auf Befragen folgendes:
Zur Person:
Ich heiße Rolf-Dieter Kabelitz, geb. 23.9.1946 in Caputh, wohnhaft Potsdam, (...), Staatsbürgerschaft: DDR, ledig, seit dem 10.12.1970 ohne Beschäftigung, nach eigenen Angaben nicht vorbestraft -
Zur Sache:
Ich hatte nicht die Absicht, nach Westberlin zu gelangen. Ich wollte zu einem Bekannten nach Berlin, Greifswalder Str., schlief aber in der S-Bahn ein und wurde in Oranienburg geweckt. Da ich kein Geld mehr bei mir hatte, wollte ich nach Berlin zurücklaufen, und zwar am Bahnkörper. Als ich auf diese Weise Hohen-Neuendorf erreicht hatte, umging ich den Bahnhof, indem ich eine links neben dem Bahnkörper laufende Strasse entlang ging. Als dann der Gleiskörper einen Bogen macht, überquerte ich ihn schräg, traf dann auf einen Stacheldrahtzaun und ging an diesem entlang auf eine Brücke zu, die ich bereits gesehen hatte. Als ich mich dann ein einem hell ausgeleuchteten Teil des Zaunes befand, sah ich einen Kübelwagen angefahren kommen. Ich wollte einen Weg überqueren, um das Grenzgebiet zu verlassen, weil ich annahm, dass man mir den Grund meines Aufenthalts im Grenzgebiet nicht glauben würde. Ich wurde dann angerufen, wie oft weiß ich nicht. Als dann geschossen wurde, stand ich bereits.
Der Haftbefehl des Kreisgerichts Potsdam vom 8.1.1971 wurde ihm verkündet.
Über das rechtsmittel der Beschwerde wurde er belehrt.
v.u.g.
Hennigsdorf, den 9.1.1971 - Uhr
gez. W(...)
als Vernehmender
gez. Kabelitz
als Beschuldigter
Quelle: BStU, Ast. Potsdam, AU 350/71, Bd. I, Bl. 8