Todesopfer > Kühl, Werner

MfS-Information über die Erschießung von Werner Kühl

(mit handschriftlichen Randnotizen von SED-Generalsekretär Erich Honecker), 29. Juli 1971

[...]

INFORMATION

über

die Grenzprovokation in Berlin-Johannisthal am 24.7.1971

Am 24. Juli 1971, gegen 22.40 Uhr, drangen
    Kühl, Werner
    geb. am 10.2.1949 in Berlin
    polizeilich gemeldet in Westberlin 21
    (Tiergarten), (...)
und
    Langer, Bernd
    geb. am (...)
    polizeilich gemeldet in (...)
    (...), (...)
von Westberlin kommend in Berlin-Johannisthal in Höhe der Britzer Allee in die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik ein. Sie überwanden eine Streckmetallzaun, Drahtsperren und den Panzergraben. Beide wurden von zwei in der Nähe weilenden DDR-Bürgern bemerkt, die die Angehörigen der NVA-Grenze informierten. Durch zwei Postenpaare der NVA-Grenze wurde das weitere Eindringen der beiden Personen in die Hauptstadt der DDR bzw. deren beabsichtigte Rückkehr nach Westberlin nach ihrer Entdeckung unter Anwendung von Schußwaffen verhindert.

Kühl wurde durch einen Brustschuß tödlich verletzt und Langer erlitt unkomplizierte Schußverletzungen am linken Arm und am linken Oberschenkel.

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Schlußfolgerungen:

Aus der Information geht hervor, daß sich die beiden Grenzverletzer nicht sehr gut eignen, öffentlich als (...) Provokateure dargestellt zu werden. Hinzu kommt, daß sie Hintermänner, hinter denen Geheimdienste und Agentenzentralen stehen, mit größter Wahrscheinlichkeit nicht gehabt haben, zumindest haben die Ermittlungen bis jetzt die konkreten Beweise dafür nicht erbracht.

Es ist und kann unwiderlegbar nachgewiesen werden, was wir in unserer Meldung vom 26.7.1971 gesagt haben, daß es sich wieder einmal um eine von Westberlin ausgehende schwere Grenzprovokation und um Westberliner Provokateure handelt.

[...]

3. Da die Leiche des Grenzverletzers zweifelsfrei identifiziert und die Todesursache gerichtsmedizinisch dokumentiert ist, kann der Generalstaatsanwalt von Groß-Berlin die Freigabe der Leiche zwecks Einäscherung verfügen. Diese Maßnahme ist erforderlich, um einen Mißbrauch des Leichnams zu politischen Demonstrationen in Westberlin zu verhindern.

Diese vorgesehene Maßnahme sowie die Verfahrensweise und der Zeitpunkt einer wahrscheinlichen Übergabe der Urne an Angehörige in Westberlin werden in Verbindung mit dem Generalstaatsanwalt von Groß-Berlin und dem Generalstaatsanwalt der DDR rechtlich abgesichert.

4. Das Ermittlungsverfahren gegen Langer wird unter Beachtung der gesetzlichen Möglichkeiten über einen relativ längeren [durchgestrichen, handschriftl. Ergänzung: kurzen] Zeitraum bearbeitet. Im Ergebnis des Verfahrens ist vorgesehen, Langer

[folgende Passage durchgestrichen: hinsichtlich einer Unzurechnungsfähigkeit zu begutachten und seine ständige Unterbringung in der Sondereinrichtung des Haftkrankenhauses Waldhelm zu veranlassen.]

[handschrftl. Ergänzung: ...nach Westberlin abzuschieben wenn er den entsprechenden Wunsch hat.]

[...]

Quelle: BStU, MfS, ZAIG Nr. 1990, Bl. 6-20
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