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Horst Einsiedel: MfS-Bericht über den Fluchtversuch und die Erschießung

15. März 1973

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Bericht

Am 15.3.1973, 4.45 Uhr versuchte der DDR-Bürger
    Einsiedel, Horst
    geb. am 8.2.1940 in Berlin
    Beruf: Betriebsschlosser und Diplom-Ingenieur
    zuletzt tätig als Konstrukteur im VEB Rationalisierungswerk Berlin, Berlin-Niederschönhausen, Buchholzer Str. 55-61
    wohnhaft: Berlin-Weißensee, (...)
in Berlin-Schönholz, Schützenstraße/Dr. Kurt-Fischer-Straße die Staatsgrenze der DDR gewaltsam zu durchbrechen. Unter Anwendung der Schußwaffe wurde der Grenzdurchbruch durch die Grenzsicherungskräfte verhindert, wobei Einsiedel tödliche Verletzungen erlitt.

Einsiedel näherte sich unter Mitführung von zwei Leitern vom Gelände eines in der Nähe des Tatortes befindlichen Friedhofes dem Hinterlandzaun. Mit einer Leiter über wand er den Hinterlandzaun und den Signalzaun, wobei er den Signalzaun auslöste.

Danach bewegte er sich zur Grenzmauer, an die er die zweite Leiter zwecks Überklettern anstellte.

Daraufhin gaben die Grenzposten 37 Schuß gezieltes Feuer ab, wodurch Einsiedel getroffen wurde.

Gegen 5.45 Uhr erfolgte die Einlieferung des Einsiedel in das Krankenhaus der Volkspolizei Berlin, wo festgestellt wurde, daß der Genannte an einem Halsdurchschuß verstorben war.

Eine Tatortbesichtigung ergab, daß Einsiedel diese zwei Leitern, die mittels einer Eisenkette gesichert waren, vom schon genannten Friedhof entwendete. Diese Eisenkette hatte der Grenzverletzer unter Benutzung eines Bolzenschneiders und eines Eisensägeblattes zerstört.

Diese Werkzeuge wurden auf dem Friedhofsgelände vorgefunden. Ebenfalls auf dem Friedhofsgelände wurden einige Bekleidungsstücke, die Einsiedel dort hinterlassen hatte, sichergestellt.

Aus dem Bericht der Hauptabteilung I zum Tathergang geht hervor, daß nicht auszuschließen ist, daß Westberliner Gebiet durch die Feuerführung der Grenzsicherungsposten verletzt wurde.

Durch das Referat III der Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin wurde bekannt, daß infolge der Schußwaffenanwendung und der Abgabe von Leuchtkugeln durch die Grenzsicherungskräfte von 4.55 bis 5.43 Uhr Streifenwagen der Westberliner Polizei auf Westberliner Gebiet zum Einsatz kamen und diese Feststellungen über die Bergung und den Abtransport des Grenzverletzers trafen.

Von den Grenztruppen wurden auf Westberliner Gebiet keine feindlichen Aktivitäten bemerkt.

Gegen 10.45 Uhr stellten Mitarbeiter der Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin fest, daß von Westberliner Gebiet aus ein Zivilist, der sich in Begleitung eines Westberliner Polizisten befand, Fotoaufnahmen vom Tatort fertigte.

Aus der Kaderakte des Einsiedel ist ersichtlich, daß er 8 Jahre die Grundschule in Berlin-Pankow besuchte, danach bis 1956 im RAW Berlin, 1034 Berlin, Revaler Straße den Beruf eines Betriebsschlossers und nach Ablegung seiner Facharbeiterprüfung dort noch bis zum 31.8.1957 in seinem Beruf tätig war.

Nach dreijährigem Besuch der ABF der Humboldt-Universität Berlin legte Einsiedel 1960 das Abitur ab und studierte anschließend an der Technischen Universität Dresden in der Fachrichtung Werkzeugmaschinenkonstrukteur.

Im Jahre 1966 legte er sein Staatsexamen als Diplomingenieur ab und war danach in verschiedenen Volkseigenen Betrieben in Berlin als Konstrukteur tätig.

Ab 1.6.1972 arbeitete er im VEB Rationalisierungswerk Berlin. Aus in der Kaderakte befindlichen Beurteilungen ist ersichtlich, daß Einsiedel stets seine fachlichen Aufgaben erfüllte, eine gute Arbeitsdisziplin zeigte und als Eigenbrödler eingeschätzt wird.

An der gesellschaftspolitischen Arbeit beteiligte sich Einsiedel nicht.

Einsiedel ist im FDGB organisiert.

Erste Ermittlungen ergaben, daß die Mutter des Einsiedel am 27.11.1969 legal nach Westberlin verzog.

In Westberlin ist darüber hinaus seit 1951 seine (...) wohnhaft, zu der er, ebenso wie zu seiner Mutter, persönliche Kontakte unterhielt.

In der Abteilung XIII ist Einsiedel nicht erfaßt.

Oberstleutnant

Quelle: BStU, MfS, AS 754/70, Bd. 17, Nr. 1, Bl, 31-33
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