Todesopfer > Muschol, Dr. Johannes

Urteil des Landgerichts Berlin in der Strafsache gegen Bodo W. vom 21. Juni 1996 (Auszüge, Az. 2 Js 110/90; Fall Dr. Johannes Muschol, erschossen an der Berliner Mauer)

Urteil des Landgerichts Berlin in der Strafsache gegen Bodo W. vom 21. Juni 1996 (Auszüge, Az. 2 Js 110/90; Fall Dr. Johannes Muschol, erschossen an der Berliner Mauer)

Abschrift [Auszug] Landgericht Berlin Az.: 527 27/2 Js 110/90 (1/96) 21. Juni 1996 URTEIL

Im Namen des Volkes

Strafsache gegen
    Bodo W., geboren 1957,
wegen Totschlags.

Die 27. große Strafkammer des Landgerichts Berlin - Schwurgericht - hat [...] in der Sitzung vom 21. Juni 1996 für Recht erkannt:

Der Angeklagte wird wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei (3) Jahren verurteilt. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Nebenklägers zu tragen.

Angewendete Strafvorschriften: §§ 212, 213, 7 Abs. 1 StGB, §§ 112,113 Abs. 1 Nr. 3 StGB/DDR.

Gründe:

[...]

V. [Strafzumessung]

[...]

Bei der konkreten Strafzumessung bedachte die Strafkammer zugunsten des Angeklagten, dass die Tat nunmehr 15 Jahre zurückliegt und er weder vorher noch nachher strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Für ihn sprach ferner, dass er die Tat im Wesentlichen einräumte und aufrichtig bereute. Der Angeklagte stand seinerzeit im unteren Rang einer militärischen Hierarchie und beging die Tat nicht aus eigennützigen Gründen. Er handelte aus Furcht vor eigenen Nachteilen und wollte in erster Linie nicht den Tod des Dr. Muschol, sondern als außertatbestandliches Ziel die Verhinderung eines gelungenen Grenzdurchbruches. Demgegenüber wirkte strafschärfend die Art und Weise der Tatausführung. Ohne Skrupel und innere Abwehr schoss er einer rechtswidrigen Befehlslage folgend am hellen Tage dreimal mit einem großkalibrigen Gewehr, dessen Wirkungsweise ihm bekannt war, auf einen nur wenige Meter entfernten Menschen, der ihm den Rücken zuwandte. In seiner Überraschung und Ratlosigkeit, die die ihm unbegreifliche Art der Grenzverletzung hervorrief, reagierte der Angeklagte in blindem Gehorsam und setzte ohne Hemmungen ein eingeimpftes, auf Tötung ausgerichtetes Verhaltensmuster in die Tat um. Hinzu kommt die tragische Überflüssigkeit des Todes des Dr. Muschol, der ohne weiteres hätte festgenommen werden können. Auch den Umstand, dass der Angeklagte das Leben des Zeugen K. erheblich gefährdete, berücksichtigte die Kammer zu seinen Lasten.

Angesichts dieses von besonderem Unwertgehalt gekennzeichneten Tatbildes kam die Verhängung einer Freiheitsstrafe, die zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können, nicht mehr in Betracht. Die Kammer erkannte unter Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände auf eine tat- und schuldangemessene

Freiheitsstrafe von 3 (drei) Jahren.

VI. Kosten

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.

[...]

Quelle: StA Berlin, Az. 27/2 Js 110/90, Bd. 8, Bl. 20-51.
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