Todesopfer > Schmidt, Lutz

MfS-Bericht über den Fluchtversuch von Lutz Schmidt

13. Februar 1987

Bericht

über einen erfolgten und einen mit Anwendung der Schußwaffe verhinderten Grenzdurchbruch DDR - Berlin (West) im Abschnitt des Grenzregimentes 33, Stadtbezirk Berlin-Treptow

Sachverhalt:

Am 12. 2. 1987 gegen 21.40 Uhr informierte der OpD des GK-Mitte, daß am 12. 2. 1987, 21.34 Uhr durch die eingesetzten Grenzposten im Grenzabschnitt des GR 33, Siedlung am Rehpfuhl, Höhe Rheingoldstraße , Stadtbezirk Berlin-Treptow, Ortsteil Alt Glienicke, gegenüberliegender Verwaltungsbezirk Berlin (West) – Neukölln, ein Grenzdurchbruch DDR - Berlin (West) mit Anwendung der Schußwaffe verhindert wurde.

Im Ergebnis der geführten Untersuchung wurde festgestellt, daß eine zweite Person die Staatsgrenze nach Berlin (West) durchbrochen hat.

Bisheriges Untersuchungsergebnis

Am 12. 2. 1987, 21.24 Uhr erfolgte die Auslösung des Grenzsignalzaunes im Abschnitt Postenbereich Rehpfuhl/Nibelungenweg durch optische und akustische Anzeige.

Die Grenzposten befanden sich zum Zeitpunkt der Auslösung des Grenzsignalzaunes (GSZ) aufgrund der starken Sichtbehinderung (Nebel) ca. 200 m nördlich des Ereignisortes auf dem Kolonnenweg. Nach Auslösung des GSZ bewegten sich die Posten entsprechend den Festlegungen in Richtung des vorderen Sperrelementes (Grenzmauer 75). Nachdem sie sich ca. 140 m parallel zur Grenzmauer 75 bewegt hatten, stellten sie eine Person fest, die sich auf einer Leiter am vorderen Sperrelement befand.

Bei den eingesetzten Grenzposten handelt es sich um
    Gefreiten
    (...)
    PKZ: (...)
    wh. 7571 Grimma (...)
    GT seit II/85 - GWD
    Postenführer/ 1. GK, GR 33/GK-Mitte
    pol. org. FDJ, FDGB
    Abt. XII nicht erfaßt

    Soldat
    (...)
    PKZ: (...)
    wh. 6908 Jena (...)
    GT seit I/86 -GWD
    Posten/1. GK, GR 33/GK-Mitte
    pol. org. DSF, FDJ, FDGB
    Abt. XII nicht erfaßt
Durch den Postenführer erfolgte der Anruf und die Abgabe eines Warnschusses. Durch den Posten wurden 7 und durch den Postenführer 4 Schüsse auf den Grenzverletzer abgegeben.

Der Nachbarposten Feldpfuhl war ca. 400 m links eingesetzt und konnte objektiv aufgrund der Entferung und Witterung nicht handeln.

Die Tiefe des Handlungsraumes beträgt 42 m. Mit Hilfe der mitgeführten Holzleiter, ca. 2 m lang, versuchte der Täter das vordere Sperrelement (GM 75) zu überwinden. Infolge der Schußverletzung fiel der Täter von der Leiter.

Die im Grenzabschnitt handelnden Angehörigen der GT führten die Bergung des Täters und den Transport mittels Trabant-Kübel aus dem Handlungsraum der Grenztruppen durch. Die Bergung war um 21.52 Uhr abgeschlossen. Der Täter ist an den Schußverletzungen verstorben.

Die Übernahme des Täters erfolgte durch die Spezialkommission der Abteilung IX der BV Berlin. Durch diese wurde bei der Durchsuchung in der Bekleidung des Täters ein Lohnstreifen vom VEB Autotrans auf den Namen Schmidt, Lutz vorgefunden.

Parallel zu den Handlungen der Grenztruppen erfolgte durch die VPI Treptow am 12. 2. 87 gegen 21.25 Uhr die Information an das GR 33, daß ein LKW von der Schönefelder Chaussee in Richtung Rheingoldstraße zur Staatsgrenze fährt. Bei der Untersuchung wurde in der Rheingoldstraße, ca. 150 m von der Hinterlandsmauer entfernt, der LKW Typ LIAZ-Kipper, pol. Kennz. IIL 3 - 35, festgestellt.

Die Überprüfung ergab, daß sich zum Zeitpunkt der Annäherung des LKW auf die Staatsgrenze ein FStW der VPI-Treptow dem LKW entgegenfuhr und dabei von der Straße abdrängte, wodurch sich dieser festfuhr.

Zwei Grenzverletzer bewegten sich in Richtung der Hinterlandsmauer, überwanden diese und lösten den GSZ aus. Die Besatzung des FStW führte keine Handlungen durch, die zur Festnahme der Täter führte.

Am 13.2.87 gegen 01.20 Uhr wurden am Ereignisort feindwärts der GM 75 Aufsprungspuren eines Täters sowie eine Tasche festgestellt. Die Tasche wurde von der Spezialkommission übernommen. Hinweise zur Person dieses Täters liegen z. Z. nicht vor.

Handlungen auf Westberliner Vorfeld
    - Am 12. 2. 87, 21.38 Uhr und 21.46 Uhr kam jeweils ein Fahrzeug der westberliner Polizei aus Richtung Rudower Chaussee mit Blaulicht bis zum Ereignisort. 21.55 Uhr fuhr ein Kfz Richtung Hinterland Berlin (West) zurück.

    - Von 21.47 Uhr bis 21.53 Uhr befanden sich auf dem Hochstand Grüneck 2 Angehörige der Westberliner Polizei und leuchteten mit Taschenlampen.

    - Durch das OLZ der Abt. III wurde in der Zeit von 21.48 Uhr bis 22.00 Uhr bekannt, daß durch Zoll und Polizei von Berlin (West) Schüsse gehört wurden und eine Polizeistreife zum Ostburger Weg/Ecke Waltersdorfer Chaussee beordert wurde.
Durchgeführte und weiterführende Maßnahmen
    1. Bildung einer Einsatzgruppe unter Führung des Leiters der Abteilung (Bestand Leiter Referat A/I, Leiter UA Abwehr GR 33 mit 4 Mitarbeitern und Durchführung der Untersuchung in enger Zusammenarbeit mit der Spezialkommission der Abt, IX/BV Berlin sowie im engen Zusammenwirken mit der Untersuchungskommission der Grenztruppen).

    Verantw.: Oberst L(...)

    2. Einsatz des IM/GMS-Systems zur Feststellung der Reaktionen im Personalbestand und der Wahrung der Geheimhaltung zum Schutz sowie zur weiteren Aufklärung der beim Vorkommnis handelnden Grenzsicherungskräfte.

    Verantw.: OSL W(...)

    3. Gewährleistung der Geheimhaltung insbesondere der eingetretenen personellen Folgen sowie Kontrolle der Einhaltung der befohlenen Nachrichtensperre

    - schriftliche Schweigeverpflichtung der handelnden Grenzsicherungskräfte, des zum Abtransport eingesetzten Med.-Personals des GR 33 und anderer Angehöriger der Grenztruppen, die in Ausübung ihres Dienstes Detailkenntnisse erhielten.

    Verantw.: OSL W(...) OSL B(...)

    - Einleitung von Maßnahmen der Abteilung M zu Teilkräften des GR 33 mit dem Ziel der Verhinderung des Informationsabflusses.

    Verantw.: Oberst L(...) OSL W(...)

    4. Vorübergehender Abzug der beim Ereignis handelnden Angehörigen der Grenztruppen von der Linie, der weitere Einsatz erfolgt in Abhängigkeit der weiteren Lageentwicklung.

    Verantw.: Oberst L(...)

    5. Einflußnahme auf die Grenztruppen zur Verbesserung des Zusammenwirkens zwischen den Grenztruppen und der DVP mit dem Ziel, der bedingungslosen Beseitigung erkannter Schwachsteilen.

    Verantw.: Oberst L(...)

    6. Fortlaufende Sicherung der vom Gegner zum Ereignis erfolgenden Informationen und Einleitung der dazu erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit.

    7. Ergänzung der Dokumentationen nach Vorlage weiterer Untersuchungen und der eingeleiteten politisch-operativen Abwehrmaßnahmen.
Leiter der Abteilung

L(...) Oberst

Quelle: BStU, MfS, HA I Nr. 14441, Bl. 547-550
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