Pressestimmen Ost im September
„An der Mauer hat ein ganzes Volk gebaut", schreibt Bernt F. Kügelken im Ost-Berliner „Sonntag" vom 17.9.1961. "Entlang der Bernauer Straße – um ein Beispiel zu nennen – ist sie das gemeinsame Werk von Historikern, Philologen, Ökonomen und Medizinern aus der Akademie der Wissenschaften, von Filmleuten der DEFA und Steinsetzern eines volkseigenen Straßenbaubetriebes, von Journalisten und Exportkaufleuten. Sie lernten als Mitglieder der Kampfgruppen in einer Art Blitzkursus mit Stein und Kalk umzugehen und schichteten die Quader aufeinander. Auch die Redakteure des ‚Sonntag’ bauten dort an dieser Mauer."
„Worin besteht die humanistische Aufgabe und Forderung der Gegenwart?", fragt Kurt Hager, für Wissenschaft, Volksbildung und Kultur zuständiger ZK-Sekretär und Kandidat des SED-Politbüros, im Organ der SED-Bezirksleitung Berlin, der „Berliner Zeitung", am 17. September 1961 und fährt fort: „Heinrich Mann schrieb einmal: ‚Humanisten taugen erst dann etwas, wenn sie, anstatt nur zu reden, auch zuschlagen.’ Am 13. August handelte die Arbeiter-und-Bauern-Macht nach diesem Rat des großen Humanisten und machte einen dicken Strich durch die Rechnung der westdeutschen Kriegsbrandstifter. Der 13. August war ein reinigendes Gewitter. Er machte ein für allemal klar (...), daß keinerlei Möglichkeit besteht, weder heute noch morgen, noch in Zukunft in der DDR die Herrschaft des Kapitalismus wieder aufzurichten. Der Sozialismus ist stärker und unerschütterlich. Der 13. August zeigte, daß es ein neues Kräfteverhältnis in Deutschland gibt. (...) Natürlich erfordern die Maßnahmen, die zur Sicherung des Friedens getroffen wurden und werden, auch von der Intelligenz eine reale Einschätzung der Lage und ein Verständnis für die neue Situation. Sie erfordern die Überprüfung vieler Auffassungen, die sich als irreal erwiesen haben. Sie erfordern von manchem Wanderer zwischen zwei Welten oder Zaungast der Geschichte eine Umorientierung auf die ehrliche Mitarbeit am Aufbau des Sozialismus."
Der DDR-Schriftsteller Stefan Heym begrüßt in der Ost-Berliner „Wochenpost" vom 23. September 1961 unter der Überschrift „Verantwortung" die Wiederaufnahme der sowjetischen Atomwaffentests: „Die große Hoffnung der Menschheit, zu überleben – man soll das einmal offen sagen – liegt darin, daß die B-52-Bomber der US-Air-Force in die militärische Mülltonne gehören, daß ihre Raketen zu neunzig Prozent abschießbar sind und das die Amerikaner in den wichtigsten Sparten moderner Waffentechnik hinterherhinken. Wenn sie sich als an den Genfer Verhandlungstisch setzen, so in dem Gedanken, die Zeit des Hin- und Herredens zu nutzen, um die Raketenlücke zu schließen und mit Projekten wie der Neutronenbombe voranzukommen, die allerdings die Erfüllung der Wunschträume aller imperialistischen Strategen wäre, von den Stabschefs im Pentagon bis herab zu Herrn Franz Josef Strauß. (...) Die sowjetischen Tests, von Chruschtschow angekündigt, dienen dazu, solche Wunschträume zerflattern zu lassen. Sie erinnern Träumer dieser Art daran, daß es ihre Fabriken, ihre Maschinen, ihre schönen Villen sein würden, die der Vernichtung anheimfallen, und daß kein Bunker, keine Höhle, kein Tunnel tief genug wäre, ihre werte Person zu schützen. (...) Aber, so könnte einer einwenden, warum dieser Zeitpunkt! Konnte man nicht warten, bis die Amerikaner wieder mit den Tests begannen? Ihnen den schwarzen Peter zuschieben? Es ist anzunehmen, daß man sich auch in Moskau über den Zeitpunkt Gedanken gemacht hat. Vielleicht sehen wir die Dinge richtiger, wenn wir voraussetzen, daß es sich hier nicht um „schwarze Peter" handelt, und wenn wir die Erklärung der sowjetischen Regierung über die Wiederaufnahme von Kernwaffenversuchen betrachten im Zusammenhang mit der Mauer quer durch Berlin und mit den siebzehn Erdumkreisungen des Majors Titow. Dann wird die Botschaft klar: Bis hierher und nicht weiter."
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